Da fliegt es hin . . .Copyright by Yoshimoto Shiyo/Fotolia
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Zu dieser Frage erging am 21. Januar 2019 ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg.

Zahlstelle weiß nichts von Kündigung

Eine Juristin arbeitete auf Geheiß ihres Arbeitgebers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ihre Vergütung kam dagegen vom Bundesverwaltungsamt. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis. Das bekam das Bundesverwaltungsamt aber erst einen Monat später mit. Deshalb bezahlte es die Vergütung auch für diesen Monat. Obwohl es dafür keinen Rechtsgrund (mehr) gab.

Arbeitgeber verlangt auch Steuern und Solidaritätszuschlag zurück

Die Juristin sah ein, dass sie das Entgelt für den einen Monat nicht behalten darf. Deshalb überwies sie den (Netto-)Betrag zurück an ihren Arbeitgeber. Der gab sich damit jedoch nicht zufrieden. Er verlangte, dass seine ehemalige Angestellte auch Steuern und Solidaritätszuschlag an ihn zurückzahlt, die er an das Finanzamt abgeführt hatte. Die Juristin weigerte sich zu bezahlen. Deshalb klagte der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht.

Arbeitsgericht stellt sich auf die Seite der beklagten Juristin

Die Richter*innen der ersten Instanz waren der Auffassung, „… es habe ein offenkundig unbilliges Ergebnis zur Folge, wenn der Arbeitnehmer darauf verwiesen werde, sich die überzahlte Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs „zurückzuholen“, wenn die Überzahlung durch einen organisatorischen Mangel beim Arbeitgeber hervorgerufen sei.“
Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung ein.

Landesarbeitsgericht hebt auf Inhalt des Vergütungsanspruchs ab

Das Landesarbeitsgericht meint, Ausgangspunkt sei die Frage, welchen Inhalt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der vereinbarten Vergütung habe. Es kommt dann zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber der Juristin den gesamten Bruttobetrag schuldet. Die Ansprüche des Finanzamtes seien dann gegen die Juristin gerichtet. Der Arbeitgeber überweise Steuern und Solidaritätszuschlag also lediglich für seine Arbeitnehmerin. Wenn aber die Juristin den gesamten Bruttobetrag vom Arbeitgeber verlangen könne, müsse sie ihm auch denselben Betrag zurückzahlen.

Unbilliges Ergebnis?

Das Berufungsgericht sieht im Gegensatz zur ersten Instanz kein unbilliges Ergebnis, wenn sich der Arbeitgeber an seine ehemalige Mitarbeiterin halten darf. Denn einerseits sei es ihr – insbesondere als Juristin – zuzumuten, eine Einkommenssteuererklärung anzufertigen. Und die zu viel bezahlte Summe am Ende des Jahres zurückzuerhalten. Andererseits laufe der Arbeitgeber nach der steuerrechtlichen Rechtsprechung Gefahr, dass sich die Finanzverwaltung darauf berufe, der Lohnsteuerabzug sei nachträglich nicht mehr zu ändern. Das hätte zur Folge, dass das Geld endgültig beim Finanzamt bliebe. Und erst diese Folge stelle wirklich ein unbilliges Ergebnis dar.

Ergebnis

Die Juristin muss den gesamten Betrag an den Arbeitgeber zurückzahlen. Sie kann allerdings im Rahmen einer Einkommenssteuererklärung die Überzahlung dem Finanzamt gegenüber geltend machen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil: 
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 21.1.2019, 1 Sa 6/1

Rechtliche Grundlagen

Einkommensteuergesetz (EStG) § 41c Änderung des Lohnsteuerabzugs

(1) 1Der Arbeitgeber ist berechtigt, bei der jeweils nächstfolgenden Lohnzahlung bisher erhobene Lohnsteuer zu erstatten oder noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten,
1.
wenn ihm elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale zum Abruf zur Verfügung gestellt werden oder ihm der Arbeitnehmer eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug mit Eintragungen vorlegt, die auf einen Zeitpunkt vor Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale oder vor Vorlage der Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug zurückwirken, oder
2.
wenn er erkennt, dass er die Lohnsteuer bisher nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat; dies gilt auch bei rückwirkender Gesetzesänderung.
2In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, wenn ihm dies wirtschaftlich zumutbar ist.
(2) 1Die zu erstattende Lohnsteuer ist dem Betrag zu entnehmen, den der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer insgesamt an Lohnsteuer einbehalten oder übernommen hat. 2Wenn die zu erstattende Lohnsteuer aus dem Betrag nicht gedeckt werden kann, der insgesamt an Lohnsteuer einzubehalten oder zu übernehmen ist, wird der Fehlbetrag dem Arbeitgeber auf Antrag vom Betriebsstättenfinanzamt ersetzt.
(3) 1Nach Ablauf des Kalenderjahres oder, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres endet, nach Beendigung des Dienstverhältnisses, ist die Änderung des Lohnsteuerabzugs nur bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig. 2Bei Änderung des Lohnsteuerabzugs nach Ablauf des Kalenderjahres ist die nachträglich einzubehaltende Lohnsteuer nach dem Jahresarbeitslohn zu ermitteln. 3Eine Erstattung von Lohnsteuer ist nach Ablauf des Kalenderjahres nur im Wege des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nach § 42b zulässig. 4Eine Minderung der einzubehaltenden und zu übernehmenden Lohnsteuer (§ 41a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) nach § 164 Absatz 2 Satz 1 der Abgabenordnung ist nach der Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung nur dann zulässig, wenn sich der Arbeitnehmer ohne vertraglichen Anspruch und gegen den Willen des Arbeitgebers Beträge verschafft hat, für die Lohnsteuer einbehalten wurde. 5In diesem Fall hat der Arbeitgeber die bereits übermittelte oder ausgestellte Lohnsteuerbescheinigung zu berichtigen und sie als geändert gekennzeichnet an die Finanzverwaltung zu übermitteln; § 41b Absatz 1 gilt entsprechend. 6Der Arbeitgeber hat seinen Antrag zu begründen und die Lohnsteuer-Anmeldung (§ 41a Absatz 1 Satz 1) zu berichtigen.
(4) 1Der Arbeitgeber hat die Fälle, in denen er die Lohnsteuer nach Absatz 1 nicht nachträglich einbehält oder die Lohnsteuer nicht nachträglich einbehalten kann, weil
1.
der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Arbeitslohn nicht mehr bezieht oder
2.
der Arbeitgeber nach Ablauf des Kalenderjahres bereits die Lohnsteuerbescheinigung übermittelt oder ausgeschrieben hat,
dem Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich anzuzeigen. 2Das Finanzamt hat die zu wenig erhobene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nachzufordern, wenn der nachzufordernde Betrag 10 Euro übersteigt. 3§ 42d bleibt unberührt.


Pflicht zur Rückzahlung, wenn Arbeitnehmer*innen zu viel Lohn bekommen haben