Ist der Verdienst bei der Werkfeuerwehr im Rahmen einer Sozialplanabfindung zu berücksichtigen?
© Adobe Stock - Von Ronald Rampsch
Ist der Verdienst bei der Werkfeuerwehr im Rahmen einer Sozialplanabfindung zu berücksichtigen? © Adobe Stock - Von Ronald Rampsch

Neumann ist seit 30 Jahren als Kabelwerker im gleichen Betrieb beschäftigt. Gleich zu Beginn der Beschäftigung gab es die Möglichkeit einer Schulung um zusätzlich Arbeiten der Betriebsfeuerwehr zu übernehmen. Diese Tätigkeit fand am ansonsten freien Wochenende statt. Neumann machte das all die Jahre, jedoch wurde der mittlerweile uralte schriftliche Arbeitsvertrag nie angepasst.

 

Firma baut Stellen ab

 

Die Firma ist in Schieflage geraten, es gab einen Teilbetriebsübergang und Neumann stand auf der Liste der zu kündigenden Beschäftigten. Es wurde ein Sozialplan und Interessenausgleich geschlossen und darüber schied Neumann letztlich aus.

 

Sozialplanabfindung

 

Wie oft üblich setzt sich die Summe der Abfindung aus einer Formel zusammen. Die Beschäftigungsjahre spielen eine Rolle, die Verdiensthöhe und ein Faktor. In Kündigungsschutzverfahren wird oft mit einem halben Gehalt pro Beschäftigungsjahr als sogenannte Regelabfindung gerechnet, also dem Faktor 0,5.

 

Der Betriebsrat in Neumanns Firma war stark und es gelang höhere Faktoren durchzusetzen. Faktor 0,7 gilt für Beschäftigte, die voraussichtlicher schneller wieder ein Job bekommen oder rentennah sind, Faktor 1,0 für Beschäftigte, die es zur Unzeit trifft, d.h. die noch nicht nah an der Rente sind und durch ihr Alter schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Zusätzlich gab es noch einen Betrag für unterhaltsberechtigte Kinder und eine Klageverzichtsprämie.

 

Was ist das Bruttomonatsentgelt?

 

Der Sozialplan regelte, was als Verdienst zu Grunde zu legen ist. Das hat erhebliche Auswirkungen, denn bei einem um 100 € höheren Monatsverdienst macht dies bei 30 Jahren schon eine um 3.000 € höhere Abfindung aus. Und zusätzlich ist auch die Klageverzichtsprämie, die von 3 Monatsverdiensten ausgeht, dann um 300 € höher.

 

Es kommt auf den Verdienst im Jahr 2020 an. Es ist dafür ein Bruttomonatsgehalt zu ermitteln mit der tariflichen Vergütung zuzüglich Leistungsentgelt, Schichtzulagen, Sonn-und Feiertagszuschläge sowie anteiliger Sonderzahlungen. Bei Lücken z.B. durch Krankengeldbezug wird hochgerechnet.

 

Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge werden nicht berücksichtigt

 

Zur Mehrarbeit ist der Wortlaut eindeutig. Mehrarbeit und die Zuschläge darauf sind nicht zu berücksichtigen. Es gibt keine Vermischung der Tätigkeiten. Neumann arbeitet als Kabelwerker und die Feuerwehrdienste verrichtet er immer außerhalb seiner normalen Arbeitszeit und erhält dafür auch einen anderen Stundenlohn. Die Arbeitgeberin sah darin Mehrarbeit, die sie einschließlich Mehrarbeitszuschlägen, Sonntagszuschlägen etc. bezahlte. Daher blieben diese Beträge für die Abfindung außen vor.

 

Aber ist das so gemeint, dass die jahrzehntelange Tätigkeit, die er durchgehend ausgeübt hat, einfach rausfällt? Oder sollte nur die ab und zu anfallende normale Mehrarbeit nicht zählen?

 

Abfindung ist Entschädigung

 

Was soll mit einer Abfindung überhaupt erreicht werden? Es ist eine einmalige Zahlung, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer / einer Arbeitnehmerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt. Ein gesetzlicher Anspruch existiert nicht, er muss sich aus einer Einigung ergeben, oder - wie hier - aus einem Sozialplan. Die Abfindung wird brutto ausgewiesen, sie ist sozialversicherungsfrei, aber steuerpflichtig. Es gibt keine Freibeträge mehr. Es ist demnach eine Entschädigung für den Ausfall zukünftiger Einkünfte.

 

Wenn ich ab und zu Überstunden leiste, heißt das nicht, dass mir der Arbeitgeber das auch zukünftig garantiert. Damit passt es, wenn Mehrarbeit bei der Abfindungshöhe nicht berücksichtigt wird.

 

Einigung scheitert

 

Neumann erhebt Klage vor dem Arbeitsgericht auf die Differenz bei der Abfindung. Das macht bei ihm, weil er sich viele Wochenenden mit vielen Stunden um die Ohren geschlagen hat, mehr als 30.000 € brutto aus. Also auch abzüglich Steuern ein satter Batzen.

 

Im Gütetermin wurde mit etwa der Hälfte der Forderung der typische Vergleich geschlossen für Fälle, in denen der Ausgang des Rechtsstreits offen ist. Da der klare Wortlaut der Vorschrift gegen ihn ist, hat Neumann den Vergleich akzeptiert. Die Ex-Arbeitgeberin stimmte aber nicht zu, da es mehrere Mitarbeiter gibt, die zusätzlich bei der Feuerwehr des Betriebs tätig waren.

 

Feuerwehrdienste sind keine Mehrarbeit im Sinne des Sozialplans

 

Das Gericht muss wie immer in solchen streitigen Fällen die Vorschrift auslegen. Dabei zählen Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Das Gericht legte den Sozialplan aus und kam zu dem Schluss, dass mit Mehrarbeit hier das gemeint war, was normalerweise unter Überstunden verstanden wird. Also, wenn Neumann in seinem Beruf als Kabelwerker ab und zu mehr als die vertragliche Arbeitszeit gearbeitet hat. Das wäre nicht zu berücksichtigen.

 

Die Arbeitgeberin hat sich darauf berufen, dass der Arbeitsvertrag nie geändert worden sei, Neumann also gar kein Anrecht auf weitere Beschäftigung bei der Feuerwehr gehabt habe. Dazu meint das Gericht, dass zwar nicht automatisch von einer Vertragsänderung auszugehen sei, selbst wenn für einen längeren Zeitraum die vertraglich vorgesehene Arbeitszeit deutlich überschritten wird. Hier spreche die Tatsache, dass Neumann sich für die Feuerwehr bewerben musste und dann nach einem Kurs in den „Pool“ der Feuerwehr aufgenommen wurde, jedoch für eine Ergänzung des Arbeitsvertrags.

 

Auch wenn aufgrund des zum 1.8.2022 verschärften Nachweisgesetzes einiges mehr schriftlich zu bestätigen ist, gibt es in Deutschland noch kein Schriftformerfordernis für einen Arbeitsvertrag. Daher konnte das Gericht auch ohne etwas Schriftliches von einer Änderung des Arbeitsvertrags ausgehen.

 

Die Sozialplanregelung

 

Wenn es keine Überstundenvergütung war, sondern eine Art Nebenbeschäftigung beim selben Arbeitgeber, dann fällt der Verdienst bei der Werksfeuerwehr unter den Bruttomonatsverdienst, wie der Sozialplan ihn versteht.

Auch die Systematik der Regelung spricht nicht gegen das Ergebnis. Es wird deutlich, dass an sich alles was Entgeltcharakter hat in die Berechnung einfließen sollte, außer eben Überstunden und deren Zuschläge. Auch aus dem Sinn und Zweck gibt es kein abweichendes Ergebnis. Überstunden sollten nicht zählen, weil sie eher unregelmäßig anfallen und daher eher zu zufälligen und ungerechten Ergebnissen bei der Abfindungsberechnung hätten führen können. Danach ist die Feuerwehrvergütung gerade nicht ausgenommen.

 

Zu Recht habe Neumann eingewendet, dass er ja durch den Verlust des Arbeitsplatzes auch diese Vergütung aufgibt.

 

Kein Verstoß gegen Treu und Glauben

 

Da muss man erst einmal draufkommen! Die Arbeitgeberin hielt es für treuwidrig, dass Neumann Mehrarbeitsprozente angenommen habe und jetzt behauptet, es liege keine Mehrarbeit vor. Wenn sich jemand treuwidrig (das heißt: selbstwidersprüchlich) verhält, soll er daraus keine Vorteile ziehen. Im hiesigen Fall hat das Gericht diese Argumentation ordentlich abgewatscht. In dem Umstand, dass man für geleistete Arbeit die angebotene Vergütung annimmt und diese Vergütung später als Ausgangspunkt für die Bemessung festgesetzt wissen will, liege ein konsequentes Verhalten und kein selbstwidersprüchliches.

 

Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 28. Juni 2022 - 6 Ca 359/22

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Arbeitgeberin hat Berufung (Landesarbeitsgericht Köln, Az.10 Sa 568/22) eingelegt.

 

Das Urteil zeigt: Es lohnt sich zu hinterfragen, was mit bestimmten Vorschriften gemeint ist. Und das wurde im Urteil schön herausgearbeitet.