Tarifverträge dürfen keine unterschiedliche Vergütung bei einem Wechsel von einer Befristung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorsehen. © Adobe Stock: Marco2811
Tarifverträge dürfen keine unterschiedliche Vergütung bei einem Wechsel von einer Befristung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorsehen. © Adobe Stock: Marco2811

Tarifverträge gelten in Arbeitsverhältnissen, wenn eine beiderseitige Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien besteht oder im Arbeitsvertag die Anwendung der Tarifverträge vereinbart ist. Für den Bereich der Deutschen Post AG (DPAG) haben die Tarifvertragsparteien u.a. einen Entgelttarifvertrag abgeschlossen.

Sie vereinbarten darin eine unterschiedliche Einteilung in Gruppenstufen, abhängig davon, wann das Arbeitsverhältnis begonnen hat. Arbeitsverhältnisse, die nach dem 30. Juni 2019 neu begründet wurden, gelten als Neueinstellung, verbunden mit einer schlechtere Gruppenzuordnung. 

Mit einer Protokollnotiz zu dieser Bestimmung stellen die Tarifvertragsparteien klar, dass die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses anzunehmen ist, wenn sich an eine Befristung ein weiteres befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis anschließt. Wer demnach innerhalb von 24 Monaten nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses, das am 30. Juni 2019 befristet bestanden hatte, noch einmal bei der DPAG eingestellt wird - sei es unbefristet oder noch einmal befristet - gilt als Neueinsteiger. Bei der Berechnung der Vergütung im Rahmen einer Gruppenzuordnung in den Entgeltstufen soll die Vorbeschäftigung außer Betracht bleiben.

Auf die Befristung des Kläger 2017 folgte 2019 dessen Entfristung

Der Kläger war seit 2017 als Zusteller bei der Beklagten zunächst befristet beschäftigt. Ab September 2019 stellte die Beklagte ihn unbefristet ein. Die einschlägigen Tarifverträge fanden auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Kläger verlangte im Prozess eine höhere Vergütung, denn seiner Auffassung nach war er aufgrund seiner Vorbeschäftigungszeit in eine höhere Gruppenstufe des Entgelttarifvertrages einzustufen als die Beklagte es annahm. Er verwies auf einen Verstoß gegen zwingendes Tarifvertragsrecht.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage bereits stattgegeben und dem schloss sich das Landesarbeitsgericht nun im Wesentlichen an. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien stellt aus Sicht des Landesarbeitsgerichts keine Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Tarifvertrages dar. 

Auf die „Neubegründung“ kam es an

Lesenswert sind die gerichtlichen Ausführungen zur Begriffsbestimmung der „Neubegründung“. Die Tarifbestimmung enthält diese Bezeichnung. Nach allgemeinen Wortlautverständnis sei es für die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich, dass es an einem bereits in derselben Form bestehenden Arbeitsverhältnisses fehlt, so das Gericht. Neu könne nur sein, was es in der Form nicht schon gegeben hat.

Ein Arbeitsverhältnis sei damit dann neu begründet, wenn es nicht bereits schon zuvor bestanden hat. Dabei beziehe sich der Wortlaut „Neubegründung“ auf das „Arbeitsverhältnis“. Begrifflich sei das Arbeitsverhältnis vom Arbeitsvertrag zu trennen. Ein Arbeitsverhältnis werde in der Regel durch einen Arbeitsvertrag begründet. Während der Kläger mit der Zeit eine Mehrzahl von Arbeitsverträgen mit der Beklagten geschlossen hatte, bleibe es insgesamt bei einem Arbeitsverhältnis. Dies verkenne die Beklagte, wenn davon spreche, die Parteien hätten mehrere Arbeitsverhältnisse miteinander geschlossen.

Das Arbeitsverhältnis muss unterbrochen worden sein

Aus der Formulierung des Tarifvertrages werde im Übrigen deutlich, dass die Tarifvertragsparteien von einer Unterbrechung von Arbeitsverhältnissen ausgehen. Nur in diesem Fall könne nämlich von zwei Arbeitsverhältnissen - von denen nach Beendigung des ersten ein zweites neu begründet wird - gesprochen werden. Das gelte nicht,  wenn durchgehend ein Arbeitsverhältnis ohne jede zeitliche Unterbrechung zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestehe. Auch diese Regelung der Tarifvertragsparteien spreche dafür, dass eine Unterbrechung von Arbeitsverhältnissen in Rede gestanden haben müsse, die es im Fall des Klägers nicht gegeben habe. Dessen Befristung war unmittelbar in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergegangen.

Wolle man das anders sehen, würde das gegen geltendes Recht verstoßen. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz bestimme in § 2, dass für befristet Beschäftigte dieselben Zeiten zu berücksichtigen sind wie für unbefristet Beschäftige, wenn bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses abhängig sind. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn ein sachlicher Grund vorliege.

Das Bundesarbeitsgericht hat schon zu ähnlichen Fällen entschieden

Zur Stufenlaufzeit nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst hatte das Bundesarbeitsgericht bereits 2013 entschieden, dass die unterschiedliche Behandlung von befristet und unbefristet Beschäftigten rechtwidrig ist. Die Auslegung von Tarifnormen verbiete es, dass Stufenlaufzeiten aus früheren befristeten Arbeitsverhältnissen generell unberücksichtigt bleiben. Das solle zumindest gelten, wenn die Unterbrechung nicht länger als sechs Monate bestanden hat. Arbeitnehmer*innen, die in befristeten Arbeitsverhältnissen identische Aufgaben wie Dauerbeschäftigte verrichten, erlangten auch die gleiche Berufserfahrung wie diese, so dass eine Ungleichbehandlung beider Gruppen sachlich nicht gerechtfertigt sei. 

Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze sind auch auf den Entgelttarifvertrag der DPAG übertragbar, stellt das Landesarbeitsgericht Hamburg fest. Es komme darauf an, ob befristet Beschäftigte im Verhältnis zu unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer*innen ungleich behandelt würden. Dass nur unbefristet Beschäftigte einen entsprechenden Gruppenaufstieg vollziehen, befristet Beschäftigte allerdings bei sonst identischem Werdegang nicht entsprechend höheren Stufen zugeordnet werden, sei für die Ungleichbehandlung im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ausreichend.

Einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung sah das Landesarbeitsgericht nicht. Der Tarifvertrag habe die Zuordnung zu dem neuen Fristenregime davon abhängig gemacht, ob an einem unbestimmten Tag nach dem 30. Juni 2019 ein befristetes in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt wurde. Dies stelle keine Stichtagsregelung dar, sondern eine Differenzierung zwischen Beschäftigungsgruppen abhängig von einer Änderung des Status von „befristet“ zu „unbefristet“. Das lasse das Befristungsrecht nicht zu.