Obwohl arbeitsunfähig krank, kein Anspruch auf Lohnfortzahlung!
Obwohl arbeitsunfähig krank, kein Anspruch auf Lohnfortzahlung!

Der Kläger war bei dem Beklagten, der ein Obst- und Weingut betreibt, in der Zeit vom 01.07.2004 bis 31.03.2012 beschäftigt. 

Dem ersten Prozess folgte die zweite Kündigung

In einem am 09.11.2011 durch Vergleich beendeten Kündigungsschutzprozess einigten sich die Parteien darauf, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht. Der Beklagte erkannte in dem Vergleich seine Verpflichtung an nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ab 01.08.2011 an. Der Kläger verpflichtete sich, dem Beklagten Kopien der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem Zeitraum vom 15.07.2011 zu übergeben.


Unmittelbar nach der Protokollierung kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise ordentlich. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. 


Unter Datum vom 22.12.2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass er die fristlose Kündigung vom 09.11.2011 als unwirksam ansieht und davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung zum 31.03.2012 beendet ist. Zugleich forderte er den Kläger auf,  seiner Arbeitsverpflichtung im Betrieb des Beklagten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ordnungsgemäß nachzukommen. 

Zweiter Prozess: Beendigung, Streit um Restansprüche

Im März 2012 schlossen die Parteien abermals einen Vergleich, in dem sie  sich dahingehend verständigten, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung am 31.03.2012 sein Ende finden und bis dahin ordnungsgemäß abgerechnet wird. 

Bis zum 28.11.2011 sowie ab dem 27.12.2011 war der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgehend krankgeschrieben. Mit seiner beim Arbeitsgericht (ArbGer) Koblenz erhobenen Klage hat der Kläger Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen in der Zeit vom 27.12.2011 bis 06.02.2012 in Höhe von 3.228,97 EUR begehrt. 

Das ArbGer Koblenz verurteilte den Beklagten zur Zahlung in der vom Kläger beantragten Höhe, was den Beklagten veranlasste gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung beim LAG einzulegen.

Landesarbeitsgericht: Mangels bestehenden Arbeitswillens kein Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall

Unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung kam das LAG zu dem Ergebnis, dass der Kläger mangels bestehenden Arbeitswillens keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 27.12.2011 bis 06.02.2012 habe. 

Ein Entgeltfortzahlungsanspruch, so die 2. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz, bestehe nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sei. Ein solcher Anspruch setze daher voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte. 

Hiervon aber sei nicht auszugehen. Denn mit Schreiben vom 22.12.2011 habe der Beklagte den Kläger ausgefordert, die Arbeit unverzüglich wieder aufzunehmen und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nachzukommen. Durch diese Aufforderung, der der Kläger nicht nachkam, wurde nach Auffassung des Berufungsgerichts der Annahmeverzug des Beklagten beendet.

Pflicht zur Abrechnung schafft keinen Rechtsgrund

Da der Kläger auf die Arbeitsaufforderung des Beklagten vom 22.12.2011 jede Reaktion unterließ und im Kündigungsschutzverfahren auf einen vermeintlich bestehenden Annahmeverzug verwies, offenbarte er seinen fehlenden Leistungswillen. Das zweitinstanzliche Gericht führte in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass ein Arbeitnehmer, der die Forderung nach einem Verzicht auf die Wirkungen der Kündigung zur Bedingung der Arbeitsaufnahme macht, nicht als leistungsbereit anzusehen sei. 

Durch den Vergleichsabschluss im Kündigungsschutzverfahren habe der Beklagte nicht darauf verzichtet, den Einwand der fehlenden Leistungsbereitschaft als eine dem Annahmeverzugslohn- und Entgeltfortzahlungsanspruch entgegenstehende Einwendung zu erheben. Die Parteien hätten vielmehr im Anschluss an die geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2012 lediglich festgelegt, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Datum ordnungsgemäß abrechne. 

Durch die Verpflichtung zur "ordnungsgemäßen Abrechnung" sei im Zweifel nur die bestehende Rechtslage bestätigt worden und regelmäßig kein Rechtsgrund für eine von den gesetzlichen Voraussetzungen unabhängige Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers geschaffen worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte mit der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses einen selbständigen Schuldgrund schaffen oder auf bestimmte Einwendungen verzichtet wollte, sah das LAG nicht. 

Anmerkung:

Auf den ersten Blick mag die Entscheidung des LAG irritierend wirken, da ein Arbeitgeber im Falle des Vorliegens einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung i.S. der §§ 3, 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) zu zahlen. Legt man jedoch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu Grunde, so ist es aus der Sicht der Erfurter Richter*innen tatsächlich so, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Denn der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte. 

Gerät der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug, muss er nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Arbeitsaufforderung nachholen und dies mit der Erklärung verbinden, dass er die Arbeitsleistung als Erfüllung des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses annimmt. 

Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall gegeben. Da der Kläger der Aufforderung nicht nachkam, wurde der Annahmeverzug des Beklagten beendet. Dies hatte zur Folge, dass etwaige, dem Kläger dem Grunde nach zustehende, Entgeltfortzahlungsansprüche diesem deshalb nicht zugesprochen wurden, weil seine Leistungsbereitschaft auch dann nicht gegeben gewesen wäre, wenn er nicht arbeitsunfähig krank geworden wäre.

Hier kommen Sie direkt zum vollständigen Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 02.02.2015, Az.: 2 Sa 490/14: