© Adobe Stock - Von M-Production
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Nach der am Flughafen festgestellten Infektion durfte Neumann schon nicht mehr den bestellten Leihwagen übernehmen. Er wurde im Krankenwagen zu seinen Schwiegereltern gefahren. Dort hat er die Quarantänezeit verbracht. Ein längerer Aufenthalt war gar nicht geplant, daher hätte Neumann auch direkt wieder arbeiten müssen.

 

Schnellstmögliche Heimkehr nach Quarantäne in Sizilien

 

Neumann macht alles, um bald mit den Schwiegereltern zurückfliegen zu können. Beim zweiten Versuch, sich frei zu testen, klappt es. Auch ein Rückflug ist direkt möglich, und am nächsten Tag hat er die Arbeit wiederaufgenommen.

 

In der nächsten Lohnabrechnung ist ein Abzug. Der Arbeitgeber hat die fünf Arbeitstage, die er wegen der Quarantäne fehlte, nicht bezahlt.

 

Arbeitgeber erhält keine Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz

 

Neumann war nicht krankgeschrieben. Der Gesetzgeber hatte sich das so gedacht: Der Arbeitgeber zahlt den Lohn während der Quarantäne und bekommt ihn dann auf Antrag wieder. Der Arbeitgeber ist nach § 56 IfSG also nur Zahlstelle. Quarantänefälle sind für Arbeitgeber grundsätzlich ein durchlaufender Posten. Doch es gibt auch Ausnahmen. Eine Erstattung entfällt, wenn man durch Impfung die Quarantäne hätte vermeiden können oder auch bei Reisen in bestimmte Gebiete.

 

Vereitelte Anträge

 

Die Anträge auf Erstattung klappen in vielen Fällen. Arbeitnehmer*innen berichtet sogar, dass ihr Arbeitgeber trotz Symptome drängt, die Auszeit über Quarantäne laufen zu lassen, um nicht Entgeltfortzahlung auf Arbeitgeberkosten leisten zu müssen. Immer wieder berichten Arbeitgeber, dass sie nur Onlineanträge stellen können, und, wenn da etwas nicht ins System passt, könne man noch nicht einmal einen Antrag stellen. Ein Antrag wird damit vereitelt.

 

Neumanns Arbeitgebervertreter erläuterte, dass die Antragstellung scheiterte und telefonisch habe ihm der zuständige Landschaftsverband gesagt: Quarantäne im Ausland? Dafür gebe es keine Erstattung. Ob man sich arbeitgeberseits überhaupt bemüht hat, einen Bescheid von der Behörde zu erhalten, bleibt letztlich offen. Die Firma will nicht leisten, wenn sie den Lohn nicht erstattet bekommt.

Neumann hat alle wesentlichen Unterlagen, die er erhalten hatte, also die kompletten Testergebnisse Schnell-, PCR- und Freitestungstest sofort dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Eine individuelle Quarantäneanordnung einer Behörde in Sizilien gab es nicht. Den Erlass solcher individuellen Anordnungen haben viele Gesundheitsämter in NRW im März 2022 auch nicht mehr vorgenommen, weil die Ämter so überlastet waren.

 

Klage vor dem Arbeitsgericht

 

Zunächst beruft sich Neumann auf § 56 IfSG. Er ist dreifach geimpft und hätte die Quarantäne auch nicht vermeiden können. Es war ja keine Kontaktquarantäne. Jeder, der infiziert ist, muss nach der auch noch heute gültigen Lage in Quarantäne. Weiter hat er sich auf § 616 BGB, berufen, wonach der Arbeitgeber eine nicht wesentliche Zeit vergüten muss, wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen verhindert ist. Als weitere Klagebegründung wird angeführt, dass der PCR Test doch eigentlich die Arbeitsunfähigkeit bereits nachweist.

 

Sizilien war kein Hochrisikogebiet mehr

 

Im Verfahren behauptete der Arbeitgeber, Neumann habe sich in ein Hochrisikogebiet begeben. Dank Internet ließ sich aber klären, dass bereits kurz vor der Reise Sizilien nicht mehr als Hochrisikogebiet zählte.

Da man nach wissenschaftlichen Erkenntnissen eine frische Infektion auch nicht innerhalb von Stunden nachweisen kann, hat sich Neumann unzweifelhaft nicht in Sizilien angesteckt, sondern hat die Infektion aus Deutschland dorthin eingeführt. Denn kurz nach dem Verlassen des Flugzeugs wurde er getestet und dieser Test war positiv.

 

§ 616 BGB greift

 

Das Arbeitsgericht Bonn hat der Klage auf Lohnzahlung stattgegeben. Der Kläger sei in der Quarantäne aus persönlichen Gründen gehindert gewesen zu arbeiten (Home-Office war grundsätzlich nicht möglich). Die Gedanken zum Verschulden aus § 56 IfSG finden auch hier Anwendung. Selbst bei Nichtantritt der Reise wäre er genauso infiziert gewesen und hätte sich an seinem Wohnort (NRW) genauso lange in Quarantäne begeben müssen wie in Sizilien. Bei einer mehr als 30-jährigen Tätigkeit für den gleichen Arbeitgeber sei der Arbeitsausfall von fünf Arbeitstagen hier als nicht wesentliche Zeit anzusehen und vom Arbeitgeber zu vergüten.

 

Anspruch auf Lohnfortzahlung?

 

Dies hat und konnte das Gericht offenlassen. Die Kammer tendiere dazu die symptomlose Corona Infektion als Krankheit zu bewerten, die aber nicht notwendigerweise mit Arbeitsunfähigkeit einhergehe. Im Ergebnis bestehe ohne Krankmeldung kein Anspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.

 

Damit äußerte die zweite Kammer des Arbeitsgerichts Bonn hier eine andere Auffassung als z.B. das Arbeitsgericht Detmold (Arbeitsgericht Detmold, Urteil vom 8. September 2022- 2 Ca 324/22, Artikel vom 3.11.2022).

 

Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz?

 

Ein Anspruch aus dem Infektionsschutzgesetzes trete dahinter zurück, oder, wie die Juristen es formulieren, ist subsidiär.

 

Hier wurde nebenbei noch geäußert, dass es sich bei einem Anspruch aus diesem Gesetz wohl nicht um einen Fall für das Arbeitsgericht handele.

 

Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 2. November 2022 - 2 Ca 724/22

Das sagen wir dazu:

Immer wieder vertreten Arbeitsrichter*innen die Auffassung, dass die Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz nicht vor die Arbeitsgerichte, sondern vor die Verwaltungsgerichte gehören. So ganz eindeutig scheint dies nicht, denn nur Arbeitgeber können für die ersten sechs Wochen dort einen Antrag stellen, erst danach ist das für Arbeitnehmer möglich. Dass die Antragstellung vereitelt wird, ist für einen Rechtsstaat unwürdig.

 

Fälle um die Bezahlung von Quarantäne werden uns wohl noch weiter beschäftigen. Selbst wenn nur leichte Symptome vorliegen, ist eine Krankschreibung wohl der sichere Weg für die Beschäftigten.