Auf die Beweislage kommt es an. Copyright by Adobe Stock/ HaDeVau
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Der Kläger, Mitglied des Betriebsrates eines Unternehmens der Kunststoffindustrie, stritt mit seinem Arbeitgeber um die Bezahlung eines 13. Monatsgehaltes für das Jahr 2018. Er bezog sich dabei auf einen Tarifvertrag seines früheren Arbeitgebers mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Der Kläger war dort bereits seit 2013 Mitglied.

Seine frühere Arbeitgeberin hatte mit dieser Gewerkschaft einen Haustarifvertrag über ein 13. Monatseinkommens abgeschlossen. Diese Firma geriet jedoch in Insolvenz. Zuvor war es noch zu einer Betriebsvereinbarung mit der IG BCE gekommen, denn damals bestanden schon Zahlungsschwierigkeiten. Aufgrund der finanziell schwierigen Lage sollte 2011 nur noch ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400 € gezahlt werden.

Nach der Insolvenz übernahm die Beklagte Maschinen und sonstige Werte des insolventen Arbeitgebers

Nach der Insolvenz übernahm die Beklagte Maschinen und sonstige Werte der insolventen Arbeitgeberin. Sie beschäftigte etwa 50 der 80 Mitarbeiter weiter. Der neue Arbeitgeber informierte sie auf einer Betriebsversammlung über einen Betriebsübergang.

Die Beklagte bezahlte zu keinem Zeitpunkt das 13. Monatsgehalt. Vielmehr erhielten die Mitarbeiter jährlich in wechselnder Höhe eine Sonderzahlung, die zwischen 600 und 800 € lag. Der Kläger war demgegenüber jedoch der Auffassung, ihm stünde für 2018 ein 13. Monatsgehalt in Höhe von 2050 € brutto zu. Das klagte er auch bei Gericht ein.

Die Beklagte verwies darauf, es habe keinen Betriebsübergang gegeben

Die Beklagte verwies im Verfahren darauf, es habe keinen Betriebsübergang gegeben. Da sie auch seit 2013 das 13. Monatsgehalt nicht gezahlt habe, sei der Anspruch des Klägers erloschen. Es sei treuwidrig, die Zahlung nun doch noch geltend zu machen. Außerdem habe der Geschäftsführer der früheren Firma ebenso wie die Beklagte selbst den Tarifvertrag gekündigt. Die Kündigung der Beklagten sei zum 31.12.2019 erfolgt.

Das Gericht gab der Klage statt. Im Zeitpunkt des Wechsels des Arbeitgebers seien die Beteiligten des Verfahrens an den Tarifvertrag gebunden gewesen.

Die Bindung der früheren Arbeitgeberin ergibt sich unmittelbar aus dem Tarifvertrag

Die Bindung der früheren Arbeitgeberin ergebe sich unmittelbar aus dem Tarifvertrag. Sie habe diesen schließlich selbst abgeschlossen. Der Kläger sei Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft, der IG BCE. Aufgrund dessen gelte der Tarifvertrag auch für ihn.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei vorliegend ein Betriebsübergang anzunehmen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit seinem früheren Arbeitgeber sei mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen. Zwar müsse der Kläger dies grundsätzlich beweisen, die Beklagte müsse sich jedoch ebenfalls an prozessuale Vorgaben halten.

Der Kläger ist zunächst verpflichtet, Indizien für den Betriebsübergang vorzutragen

Der Kläger sei zunächst verpflichtet, Indizien für einen Betriebsübergang vorzutragen. Sofern dies geschehen sei, müsse der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vortragen, aus denen sich ergebe, dass kein Betriebsübergang stattgefunden habe. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Beklagte im Gegensatz zum Kläger über alle hierfür erforderlichen Informationen und Unterlagen verfüge.

Der Kläger hatte ausführlich zum Betriebsübergang vorgetragen. Er verwies darauf, dass die meisten Beschäftigten übernommen worden seien. Des Weiteren konnte er nachweisen, dass im Zusammenhang mit dem Wechsel des Arbeitgebers über einen Betriebsübergang bei einer Betriebsversammlung informiert worden war. Die Beklagte bestritt dies nicht.

Die Beklagte ihrerseits hatte darauf hingewiesen, Maschinen ihrer Vorgängerin übernommen zu haben

Die Beklagte ihrerseits hatte selbst darauf hingewiesen, die Maschinen ihrer Vorgängerin übernommen zu haben. Jetzt sei es ihre prozessuale Pflicht gewesen, im Verfahren vorzutragen, weshalb trotz allem ein Betriebsübergang nicht erfolgt sei. Das habe sie jedoch nicht getan.

Auch die weiteren Einwände der Beklagten führten nicht weiter, so das Gericht. Sie könne nicht näher beschreiben, inwiefern der frühere Geschäftsinhaber den Tarifvertrag schon gekündigt hatte. Ihre eigene Kündigung sei erst Ende 2019 ausgesprochen worden. Diese könne mithin den Anspruch des Klägers für 2018 nicht entfallen lassen.

Für das Gericht war es nicht ersichtlich, dass es für 2018 eine Betriebsvereinbarung gegeben haben könnte

Für das Gericht war es außerdem nicht ersichtlich, dass es für 2018 eine Betriebsvereinbarung gegeben haben könnte. Die Beklagte habe zwar darauf hingewiesen, diese Betriebsvereinbarungen seien durch die Vorgängerfirma regelmäßig geschlossen worden. Seit 2013 sei jedoch die Beklagte die Arbeitgeberinnen des Klägers. Außerdem lägen dem Gericht außer der Betriebsvereinbarung 2011 keinerlei weitergehende schriftliche Unterlagen zu dieser Frage vor.

Die Betriebsvereinbarung für das Jahr 2011 könne keine Wirkung für das Jahr 2018 entfalten. Auch die Tatsache, dass die Beklagte über Jahre hinweg nicht gezahlt habe, ändere daran nichts. Eine negative betriebliche Übung gebe es nicht.

Es war keine Änderung des Arbeitsvertrages dadurch erfolgt, dass nicht gezahlt worden ist

Schließlich sei auch keine Änderung des Arbeitsvertrages dadurch erfolgt, dass über Jahre hinweg nichts gezahlt worden sei. Tarifvertragliche Ansprüche könnten einzelvertraglich nicht ausgeschlossen werden. Durch den Haustarifvertrag bestehe ein kollektivrechtlicher Bezug.

In einer Konstellation mit einem solchen kollektivrechtlichen Bezug könne der Arbeitgeber nicht davon ausgehen, dass der einzelne Arbeitnehmer einer Änderung seines Vertrages schon dadurch zustimme, dass er einfach weiterarbeitete. Das bloße Schweigen des Arbeitnehmers stelle keine Willenserklärung dar.

Es ist ohne Bedeutung, dass der Kläger seine Ansprüche mehrere Jahre lang nicht geltend gemacht hat.

Ohne Bedeutung sei auch, dass der Kläger seine Ansprüche mehrere Jahre lang nicht geltend gemacht habe. Für 2018 sei dies jedenfalls geschehen. Der Kläger habe hier auch die tariflichen Ausschlussfristen eingehalten. Hinsichtlich dieses Jahres könne der Arbeitgeber auch nicht darauf vertrauen, dass der Kläger seine Rechte nicht mehr geltend machen würde.

Da es über die Höhe der Zahlung keinen weiteren Streit gab, konnte das Gericht dem Kläger das 13. Monatsgehalt für 2018 zu sprechen.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Hier sieht man einmal wieder, wie wichtig auch prozessuale Fragen im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind. Dort gilt die Zivilprozessordnung. Die gibt vor, wer wann was im Verfahren vortragen und auch beweisen muss, um seine Ansprüche geltend zu machen. Für erfahrene Juristen*innen gehört es zum Handwerkszeug, diese Kniffe der Prozessordnung zu kennen und auch richtig anzuwenden.

Bei der DGB Rechtsschutz GmbH sind Sie in diesen Fragen gut vertreten. Erfahrung zeigt sich hier in mehreren hundert arbeitsgerichtlichen Verfahren jedes*er Rechtsschutzsekretärs*in im Jahr.