Kathrin Hauel, Juristin im DGB Rechtsschutz-Büro Bochum
Kathrin Hauel, Juristin im DGB Rechtsschutz-Büro Bochum

Eigentlich sollte es ein geselliger Samstagabend werden, als der Arbeitgeber seine Beschäftigten zum Public Viewing des DFB-Pokalfinales FC Schalke 04 gegen den MSV Duisburg auf dem Firmengelände einlud. Auch fürs leibliche Wohl war gesorgt, Bier wurde ausgeschenkt. Gegen Ende der Spielübertragung kam es jedoch zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen einem Beschäftigten und dem Betriebsratsvorsitzenden, eine kleinere Rangelei folgte und brachte die Stimmung zum Kippen. Infolge der aufgeheizten Stimmung und einiger Biere zu viel stellte sich der aus seiner Sicht zu Unrecht Beschuldigte vor den Geschäftsführer, der das Geschehen aus der Nähe verfolgt hatte, und fragte ihn: „Haben Sie das gehört? Das kann nicht wahr sein und dann soll man montags lustig zur Arbeit gehen.“ Es kam, wie es kommen musste: Der Maschinenführer meldete sich am Montag tatsächlich krank – wenn auch nicht grundlos, wie sein Auftritt am Fußball-Abend nahelegte.

 

Krankheit angeblich nur vorgetäuscht

 

„Aufgrund der Vorgeschichte behauptet der Arbeitgeber nun, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht sei und der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Beweiswert fehle“, fasst Kathrin Hauel, Juristin aus dem DGB Rechtsschutz-Büro Bochum, zusammen. Sie vertrat den Maschinenführer im Auftrag der IG Metall, als sich der Arbeitgeber weigerte, das Gehalt des Beschäftigten fortzuzahlen. „Er argumentierte, dass der behandelnde Arzt keine objektiven Befunde erhoben habe, sondern die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur aufgrund der subjektiv geäußerten Beschwerden seines Patienten erstellt habe.“

 

Krankenschein hat hohen Beweiswert

 

Grundsätzlich ist eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das gesetzlich vorgesehene Nachweismittel, mit dem der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer nachweist. Das besagt § 5 Abs. 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Allerdings hat der Arbeitgeber generell die Möglichkeit, den Beweiswert der Bescheinigung zu erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt, aus denen der Richter den Schluss ziehen kann, dass ernsthafte Zweifel an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestehen. Ist dem Arbeitgeber die Erschütterung des Beweiswertes gelungen, muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war.

„Allerdings kommt einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zu“, erklärt die Arbeitsrechtsexpertin. „Wenn es darauf ankommt, wird der ausstellende Arzt auch zu einer Aussage vor Gericht bestellt und muss für seine Angaben geradestehen.“

 

Anspruch auf gesamtes Entgelt

 

Dem Arbeitgeber ist die Erschütterung des Beweiswertes im vorliegenden Fall jedoch nicht gelungen. Der Ankündigung des alkoholisierten Beschäftigten, am Montag nicht zur Arbeit zu erscheinen, fehle eine gewisse Ernsthaftigkeit, argumentierten die Richter. Hinzu kam, dass auch der Medizinische Dienst der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit des Mandanten bestätigte. Sie hatte bereits Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des Entgelts für die neun Kranktage gezahlt. „Unser Mandant bestand zu Recht auf seinem gesamten Entgelt – darauf hat er einen Anspruch“, sagt Kathrin Hauel. Deshalb klagte sie vor Gericht auf die Zahlung des Differenzbetrags – und gewann auch zur Freude des Arbeitnehmers.

Auch wenn die Erfolgsaussichten in diesem Fall gut waren, freut sich Kathrin Hauel über den positiven Ausgang des Verfahrens: „Die beklagte Firma ist in Sachen verweigerte Entgeltfortzahlung für uns keine Unbekannte – gut, dass es ihr auch hier nicht gelungen ist, um die rechtmäßige Zahlung herumzukommen.“

Rechtliche Grundlagen

Kasse muss zahlen

Weigert sich der Arbeitgeber, einem erkrankten Beschäftigten trotz vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das Entgelt in den ersten sechs Wochen fortzuzahlen, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Krankengeld ab dem auf die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag. Dieses muss die Krankenkasse des Arbeitnehmers zahlen und es beträgt bis zu 70 Prozent des letzten monatlichen Bruttoeinkommens. „Somit kann der Betroffene finanzielle Engpässe ausgleichen, sollte es zum Streit um die Entgeltfortzahlung mit dem Arbeitgeber kommen“, erklärt Juristin Kathrin Hauel. „Wichtig ist aber, die Differenz aus Bruttoeinkommen und Krankengeld gerichtlich einzuklagen, damit der Erkrankte keine finanziellen Nachteile hinnehmen muss.“