Wie sagt man so schön: Vor Gericht und auf hoher See sind wir allein in Gottes Hand. So mag sich die Klägerin vorgekommen sein, hilflos im Umgang mit Recht und Gesetz. Wenn Gespräche nicht mehr weiter führen, bleibt aber oft nur der Gang zum Gericht.

Seit fast 45 Jahren arbeitete die Klägerin im Betrieb ihres Arbeitgebers. Das Arbeitsverhältnis neigte sich dem Ende zu; die Mitarbeiterin begann während der Corona-Pandemie im August 2020 mit der Freistellungsphase der Altersteilzeit Sie musste nicht mehr arbeiten. Ihr Entgelt erhielt sie vereinbarungsgemäß weiter.

Die Prämie

Im Unternehmen gab es einen Tarifvertrag über die Zahlung einer Corona-Prämie, der im Oktober 2020 in Kraft getreten war. Beschäftigte, die von März bis Oktober einen Anspruch auf Entgelt hatten, sollten mit ihrer Vergütung im Dezember eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 200 € erhalten.

Die Zahlung an die Klägerin lehnte der Chef mit der Begründung ab, sie habe in der fraglichen Zeit nicht gearbeitet, weil sie freigestellt war. Außerdem habe sie im Dezember keine Vergütung aufgrund einer Arbeitsleistung erhalten.

Die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Würzburg erhoben Klage und unterstützten die Klägerin im Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Es ging darum, den Arbeitgeber dazu zu bewegen, die Prämie von 200 € zu zahlen. Leider konnte er nicht zum Einlenken bewegt werden. So musste das Gericht entscheiden.

Der Tarifvertrag

Das Gericht meinte, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Tarifvertrages über die Corona-Prämie dem Grunde nach erfüllt habe. Ihr Arbeitsverhältnis habe nämlich 2020 bestanden. Sie habe im maßgeblichen Zeitraum auch an wenigstens einem Tag einen Anspruch auf Entgelt gehabt.

Nach dem Sinn und den Zweck der Vereinbarung würde der Klägerin der Anspruch auf Zahlung der Prämie ebenfalls zustehen. Sie habe nämlich im Jahr 2020 noch teilweise gearbeitet, so dass sie auch von den zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise betroffen gewesen sei.

Der Auszahlung der Corona-Prämie stehe aber der im Unternehmen geltende Tarifvertrag für die Altersteilzeit entgegen. Dieser Tarifvertrag sehe vor, dass die Beschäftigten während der Arbeitsphase der Altersteilzeit ihren Verdienst in Höhe der Hälfte ihres Entgelts ausgezahlt bekommen. Die andere Hälfte fließe in ein Wertguthaben ein und werde in der Freistellungsfall ausgezahlt.

Die Freistellungsphase

Während der Freistellung hätten Arbeitnehmer*innen in Altersteilzeit nur Anspruch auf Auszahlung des Wertguthabens. Andere Ansprüche gebe es während der Freistellung nicht. In das Wertguthaben könne nur das einfließen, was während der Arbeitsphase bereits erarbeitet worden sei.

Als die Klägerin in die Freistellungsphase eingetreten sei, habe der Tarifvertrag über die Corona-Sonderzahlung noch nicht gegolten, eine Zahlungsverpflichtung nach dem Tarifvertrag habe für den Arbeitgeber deshalb rechtlich noch nicht bestanden.

Die Wertschätzung

Gestritten wurde um 200 €! Zwei Prozessbevollmächtigte und drei Richter hatten sich der Sache annehmen müssen. Es gab einen Gütetermin und einen Kammertermin. All das für „nur“ 200 €. Wo bleibt da die Wertschätzung nach 45-jähriger Betriebszugehörigkeit?

Altersteilzeitvereinbarungen sind öfters Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

Das Urteil des Arbeitsgericht Würzburg, Urteil vom 27. Juli 2021 – 4 Ca 207/21 hier im Volltext


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Das sagen wir dazu:

Überzeugend ist das Urteil nicht. Das Gericht legt bei seiner Entscheidung „Recht und Gesetz“ zugrunde. Die rein theoretische Unterscheidung zwischen Entgelt und Wertguthaben scheint konstruiert, denn immerhin ist das Wertguthaben ja auch erarbeiteter Lohn.

Die Klägerin des Verfahrens hatte in der Pandemie noch gearbeitet. Das Gericht stellte deshalb auch fest, dass der Tarifvertrag nach seinem Sinn und Zweck die Klägerin erfasst. Sachgerecht wäre damit sicherlich eine anteilige Zahlung der Prämie gewesen.