Pflegeberufe belasten. Zahlen Arbeitgeber dafür monatliche Zulagen, dürfen sie diese regelmäßig auch beim Weihnachtsgeld nicht außer Acht lassen. Copyright by Adobe Stock/Vadim
Pflegeberufe belasten. Zahlen Arbeitgeber dafür monatliche Zulagen, dürfen sie diese regelmäßig auch beim Weihnachtsgeld nicht außer Acht lassen. Copyright by Adobe Stock/Vadim

Geklagt hatte eine Krankenschwester aus dem Raum Augsburg. Ihr Arbeitgeber unterhält mehrere hundert Nierenzentren in Deutschland. Dort bietet er die urologische Versorgung nierenkranker Patienten an. In dem Unternehmen gilt ein Haustarifvertrag. Danach erhielt die Klägerin eine monatliche Nephrologie-Zulage für die Behandlung von Nierenerkrankungen. Diese berücksichtigte der Arbeitgeber beim Weihnachtsgeld allerdings nicht.
 

Der Wortlaut des Manteltarifvertrages

Im Manteltarifvertrag heißt es dazu, Arbeitnehmer erhielten ein Weihnachtsgeld in Höhe von 100 Prozent des Tarifgehaltes, das für den Monat November maßgeblich ist, zuzüglich regelmäßig wiederkehrender Zulagen. Sonstige Vergütungen blieben unberücksichtigt. Der Arbeitgeber meinte, die Nephrologie-Zulage sei eine „sonstige Vergütung“, die er beim Weihnachtsgeld nicht berücksichtigen müsse.
 
Schon aus dem Wortlaut des Tarifvertrages ergebe sich, dass der Manteltarifvertrag die Nephrologie-Zulage nicht einschließe. Zwar müsse der Arbeitgeber grundsätzlich monatliche Vergütungszulagen in das Weihnachtsgeld einrechnen. Die Vorschrift des Tarifvertrages lege jedoch ausdrücklich fest, dass sonstige Vergütungen unberücksichtigt bleiben sollten. Das gelte auch für die von der Klägerin begehrte Nephrologie-Zulage.
 

Der Argumente im gerichtlichen Verfahren

Der Arbeitgeber argumentierte im Verfahren umfangreich. Er wies auf den Sinn und den Zweck der tariflichen Vorschrift hin, bezog sich auf die geschichtliche Entwicklung des Haustarifvertrages und machte Anmerkungen zum Wortlaut der Bestimmung. Die Klägerin trat dem mit ihren Prozessbevollmächtigten aus dem DGB Rechtsschutzbüro Ulm entgegen.
 
Das Landesarbeitsgericht München ließ im Berufungsverfahren ebenso wie bereits zuvor das Arbeitsgericht Augsburg keinen Zweifel daran, dass der Arbeitgeber zahlen muss. Der Tarifvertrag müsse ausgelegt werden - so das Landesarbeitsgericht. Die Grundsätze für eine solche Auslegung habe das Bundesarbeitsgericht vorgegeben.
 

Die Auslegung des Tarifvertrages

Das Gericht müsse demzufolge zunächst den Wortlaut der Vorschrift betrachten und den maßgeblichen Sinn der Erklärung erforschen. Es dürfe dabei nicht ausschließlich am Buchstaben haften bleiben, sondern müsse bei einem nicht eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien berücksichtigen. Dies gelte, soweit dieser Wille in der tariflichen Norm auch seinen Niederschlag gefunden habe.
 
Dabei müsse das Gericht stets auf den Gesamtzusammenhang im Tarifvertrag abstellen. Dieser liefere nämlich Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien. Nur anhand dieses Gesamtzusammenhanges ließe sich der Sinn und der Zweck einer Tarifnorm zutreffend ermitteln.
 

Die „monatlich regelmäßig wiederkehrenden“ Zahlungen

Nach dem Wortlaut des Manteltarifvertrages müsse der Arbeitgeber beim Weihnachtsgeld monatlich regelmäßig wiederkehrende Zulagen berücksichtigen. Die Nephrologie-Zulage falle unter diesen Begriff. Dies ergebe sich daraus, dass sie keine „sonstige Vergütung“ darstelle. Nur diese sonstigen Vergütungen schließe der Tarifvertrag beim Weihnachtsgeld aus.
 
Im Tarifvertrag heiße es nämlich, dass sich das Weihnachtsgeld nach der Vergütung des Monats November zuzüglich regelmäßig wiederkehrender Zulagen berechne. Die Nephrologie-Zulage sei eine „Zulage" und sie sei auch „regelmäßig wiederkehrend“.
 

Tarifvertrag grenzt regelmäßig wiederkehrende Zulagen von sonstiger Vergütung ab

Der Arbeitgeber meine zwar, der weitere Satz im Tarifvertrag, wonach sonstige Vergütungen unberücksichtigt blieben, sei überflüssig, wenn man die Nephrologie-Zulage zu den regelmäßig wiederkehrenden Zulagen zähle. Dem stimme das Landesarbeitsgericht nicht zu.
 
Dieser Folgesatz im Tarifvertrag führe vielmehr zu einem besseren Verständnis der Tarifvorschrift für der Berechnung des Weihnachtsgeldes. Regelmäßig wiederkehrende Zulagen würden danach nämlich berücksichtigt, sonstige Vergütungen aber nicht. Der Tarifwortlaut sei insofern eindeutig. Als „sonstige Vergütungen“, die beim Weihnachtsgeld keine Rolle spielten, handele es sich etwa um den Ausgleich für Dienste zu ungünstigen Zeiten in Form von freien Tagen oder grundsätzliche Regelungen zur Rufbereitschaft und zum Freizeitausgleich.
 

Die geschichtliche Entwicklung des Tarifvertrages

Entsprechendes ergebe sich auch aus der geschichtlichen Entwicklung des Tarifvertrages. Der Tarifvertrag habe nämlich 1993 lediglich Zuschläge enthalten, die nicht regelmäßig wiederkehrten. Es handele sich dabei etwa um Überstundenzuschläge, Zuschläge für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen oder die Arbeit in unterschiedlichen Schichten.
 
Damals habe es schon einen Hinweis auf „sonstige Vergütungen“ gegeben. Das hätte 1993 durchaus auch noch Sinn gemacht. Zwischenzeitlich unterscheide der Tarifvertrag zwischen "Zuschlägen", die eine sonstige Vergütung darstellten, und „Zulagen“, die der Arbeitgeber monatlich und damit regelmäßig wiederkehrend zahlen müsse. Im Tarifvertrag gebe es dafür auch unterschiedliche Vorschriften.
 

Weihnachtsgeld soll dem Niveau des monatlichen Einkommens entsprechen

Der Tarifvertrag habe auch nichts anderes bezwecken wollen, als Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld zu zahlen, das dem Niveau ihres regelmäßigen monatlichen Einkommens entspreche. Würde die monatliche Nephrologie-Zulage dabei nicht berücksichtigt, bliebe das Niveau des regelmäßigen monatlichen Einkommens nicht erhalten.
 
Ein enger Zusammenhang mit dem Tarifgehalt bestehe dabei fort. Die Nephrologie-Zulage knüpfe der Tarifvertrag an gewisse Voraussetzungen, nämlich unter anderem an eine fachspezifische Ausbildung. Diese Qualifikation fließe regelmäßig in die Bemessung des Gehaltes mit ein. Damit spreche gerade auch die Berücksichtigung über- und außertariflicher Zulagen bei der Berechnung des Weihnachtsgeldes dafür, dass auch die monatlich gezahlte Nephrologie-Zulage eingerechnet werden müsse.
 

Zulage orientiert sich an Arbeitsleistung

Alle diese Zulagen würden regelmäßig für die Arbeitsleistung der Mitarbeiter gezahlt. Bei Überstundenzuschlägen, Zuschläge für Wechselschichten oder für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sei das anders. Diese Zuschläge zahle der Arbeitgeber nicht für die Arbeitsleistung als solche, sondern für deren besondere Bedingungen.
 
Dieser Erfolg hat bundesweite Auswirkung. Auch in Berlin-Brandenburg hatte das Landesarbeitsgericht gegen denselben Arbeitgeber entschieden. Im Anwendungsbereich des entsprechenden Tarifvertrages dürfen sich die betroffenen Beschäftigten in der Nephrologie daher auf ein höheres Weihnachtsgeld freuen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht ließ das Landesarbeitsgericht im Übrigen nicht zu.

Hier geht es zum Urteil