Der Kampf um Rentnerweihnachtsgeld und Marzipantörtchen ist noch nicht beendet.
Der Kampf um Rentnerweihnachtsgeld und Marzipantörtchen ist noch nicht beendet.

Seitdem sind diverse Arbeitsgerichte mit diesen Rechtsstreiten beschäftigt und müssen/haben entschieden, ob vom ehemaligen Arbeitgeber diese Leistungen gestrichen werden durften, oder ob die ehemaligen Beschäftigten auch für 2015 einen Anspruch darauf haben.

„Die spinnen, die Römer!“

Betrachtet man die gerichtlichen Entscheidungen, denkt man durchaus an Asterix`s Spruch: „Die spinnen, die Römer“ und böse Zungen behaupten, der Satz treffe auf Juristen noch viel besser zu.


Die ersten Gerichtsentscheidungen fielen in Detmold. Die Klagen wurden abgewiesen, weil die Beweislage noch sehr dünn war, allerdings wurde die Berufung zugelassen.


Dank eines Hobbyarchivars unter den Klägern, der fast sämtliche Anschreiben aufbewahrt hatte, konnten in allen Verfahren für die Kläger günstige Unterlagen vorgelegt werden. Das Arbeitsgericht Bonn sprach daraufhin das Rentnerweihnachtsgeld 2015 zu, auf das Marzipantörtchen müsse aber verzichtet werden, es sei nun mal nur eine Annehmlichkeit, die nicht eingeklagt werden konnte.


Dieses Gericht hat die Berufung nicht zugelassen, die betroffenen Rentner erhielten ihr Weihnachtsgeld. In Duisburg waren die Richter ebenfalls dieser Meinung, es wurde dort ein entsprechender Vergleich geschlossen: Geld ja, Marzipantörtchen nein.

„Zwei Juristen, drei Meinungen“

Dann entschied eine Kammer des Arbeitsgerichts Köln: Hier wurde entschieden, dass den Rentnern weder Geld, noch Marzipantörtchen für das Jahr 2015 zustehen. Die Berufung wurde nicht gesondert zugelassen.Somit haben die Kläger, die früher im Arbeitsgerichtsbezirk Bonn beschäftigt waren, ihr Geld erhalten, die im Bezirk Köln beschäftigten nicht. Haben die bösen Zungen also Recht?


Es ging weiter.


Eine Klage war noch bei einer anderen Kammer in Bonn anhängig. Auch bei mehreren in der Sache gleich gelagerten Verfahren ist in der ersten Instanz nicht immer der gleiche Richter oder die gleiche Richterin zuständig.

„Viele Richter, viele Urteile“

Unser Grundgesetz gibt einen Anspruch auf einen gesetzlichen Richter. Also kann nicht eine Kammer willkürlich die Verfahren übernehmen.

Die Gerichte geben sich jeweils einen Geschäftsverteilungsplan, der die Kammerzuständigkeiten regelt. Das geht zum einen nach Örtlichkeiten Kammer A-C für den Bezirk X und dann nach Eingang. Zum Beispiel die ersten 10 Eingänge an Kammer A, die nächsten 10 an Kammer B und so weiter.


So ist die letzte Klage in Bonn bei einer anderen Kammer gelandet. Diese Kammer hat die Klage abgewiesen und ebenfalls die Berufung nicht zugelassen. Dass beim selben Gericht Klagen gewonnen werden und der letzte Kläger mit dem identischen Prozessvortrag verliert, kommt sicherlich nicht häufig vor.

Auch Klagen für 2016 sind schon auf dem Weg

Das Arbeitsgericht Aachen hat bisher noch nicht entschieden. Aus unterschiedlichen Gründen wurden die Termine verschoben und sollen jetzt im März stattfinden.


Zwischenzeitlich war auch schon wieder Weihnachten und Klagen auf die Leistungen für das Jahr 2016 wurden erhoben.

Landesarbeitsgericht: Auch das Marzipantörtchen wieder im Rennen

Zurück zu den ersten Klagen in Detmold. Hier war Berufung zugelassen. Im Berufungsverfahren wurden die negativen Entscheidungen aufgehoben. Das LAG Hamm hat nicht nur allen Klägern das Rentnerweihnachtsgeld zugesprochen, auch das Marzipantörtchen ist wieder im Rennen. Die Firma muss entweder das Törtchen binnen einer bestimmten Frist aushändigen oder den Wert in Geld zahlen.


Auch die Zuwendung geringerer Beträge und kleiner Sachverwerte sei geeignet, eine betriebliche Übung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zu begründen, so das LAG Hamm.


Von einer Betrieblichen Übung auch im Hinblick auf das Marzipantörtchen ging das Gericht aus, weil in den alten Ankündigungsschreiben die Zuwendung der Geldleistung mit derjenigen der Sachleistung in einem Satz verknüpft gewesen sei.


Dadurch, dass Geldzahlung und Törtchen hintereinander aufgezählt waren, sei dem jeweiligen Empfänger deutlich geworden, dass beide Leistungen eine Einheit bilden sollten.

Der Kampf geht weiter

Wenn doch ein Landesarbeitsgericht - also eine Berufungsinstanz - entschieden hat, ist dann nicht jetzt alles klar? Nein, ist es nicht! Das Bundesarbeitsgericht muss sich nach jetzigem Stand nicht mit dem Marzipantörtchen beschäftigen, die Revision wurde vom LAG nicht zugelassen.


Der ehemalige Arbeitgeber will sich der Entscheidung des LAG Hamm dennoch nicht beugen und streitet im Landesarbeitsgerichtsbezirk Köln weiter. Eine Kölner Kammer hatte die Klagen nämlich abgewiesen, aber wiederum die Berufung zugelassen.


Also wird sich hier auch noch das Landesarbeitsgericht Köln mit dem Marzipantörtchen befassen müssen. Ob das Arbeitsgericht Aachen, die Berufung zulässt oder weitere Fakten schafft, ist noch offen.

Wie kann das sein, dass die Gerichte bei ähnlichen Fällen so unterschiedlich entscheiden?

Gilt etwa doch der modifizierte Asterix Spruch? Nein, unser Rechtssystem fußt auf der Unabhängigkeit der Gerichte und Richter und Richterinnen. Die jeweilige Kammer muss den Rechtsstreit entscheiden, der vor ihr liegt und dies nach Recht und Gesetz.


Die Gesetze sind abstrakt formuliert und regeln keine Einzelfälle, erst recht nicht, ob jemand Anspruch auf ein Marzipantörtchen hat. Wie oft in Rechtsstreiten gibt es auch innerhalb einer Anspruchsgrundlage Argumente für und gegen eine Position.


Die jeweiligen Kammern müssen dann zu einer Entscheidung kommen und die kann- wie hier beschrieben- durchaus von anderen Entscheidungen abweichen.


So haben die abweisenden Entscheidungen darauf abgestellt, dass die Betriebsrentner die betriebliche Übung nicht überzeugend dargelegt hätten.

Unterschiedliche Anforderungen an Darlegungs- und Beweislast

Das LAG Hamm berücksichtigt aber, dass die Kläger sich keine andere Informationen beschaffen konnten. Es stellt auf die real mögliche Kenntniserlangung ab. Die Kläger konnten nur das vortragen, was sie wussten. Sie hätten keine Möglichkeit gehabt, in Erfahrung zu bringen, bei welchen Versorgungsempfängern in den vergangenen Jahren der Versorgungsfall eingetreten ist, und wie diese zu erreichen seien.


Das Arbeitsgericht hatte eine solche Darlegung noch gefordert, um die pauschale Behauptung des ehemaligen Arbeitgebers zu entkräften, dass manche nur eine oder keine der beiden Leistungen erhalten hätten.


Die dargelegten Umstände, insbesondere die vorgelegten Begleitschreiben, sprachen aus Sicht des LAG hinreichend dafür, dass es bei der ehemaligen Arbeitgeberin eine langjährige Praxis der Leistungsgewährung gegeben habe.

Berufung erst bei über 600 Euro möglich

Das ungerechte Ergebnis, dass einige das Geld und das Marzipantörtchen bekommen und andere nicht, liegt auch daran, dass der Streitwert nicht hoch genug war. Wenn dieser den Betrag von 600 € übersteigt, ist für den Unterlegenen die Berufung immer möglich.


Ist diese Summe für den Verlierer nicht erreicht, kann die Berufung nur von der entscheidenden Kammer zugelassen werden. Eine Kammer hatte es im Protokoll süffisant formuliert, dass beide Prozessvertreterinnen für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie verlieren, die Berufungszulassung beantragen.


Im Ergebnis haben es bisher die Kammern auch hinsichtlich der Frage, ob eine Berufung eingelegt werden darf oder nicht, unterschiedlich geurteilt.

Nur wer sich wehrt, kann auch gewinnen.

Sollte das Landesarbeitsgericht Köln die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm bestätigen, wäre der Fall klar. Alle noch offenen Verfahren würden dann sicherlich in diesem Sinne geregelt, so dass die Kläger Weihnachtsgeld und Marzipantörtchen erhalten.


Dies betrifft natürlich nur diejenigen, die geklagt oder wenigstens ihre Ansprüche geltend gemacht haben. Denn auch für Betriebsrentner gelten Ausschlussfristen. Diese sind in Tarifverträgen und Arbeitsverträgen enthalten und regeln die Frist in der Ansprüche - meist schriftlich - geltend gemacht werden müssen.


Ist diese Frist vorbei, profitieren nur diejenigen, die sich rechtzeitig gewehrt haben, auch wenn das Gericht dem Anspruch grundsätzlich zugestimmt hat. Gegenwehr lohnt sich, sonst bekommt man auch dann nichts, wenn man eigentlich im Recht ist.

Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.1.2017 - AZ 9 Sa 955/16 hier im Volltext

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