Bundesabeitsgericht weist Anträge auf Feststellung auf Tarifunzuständigkeit der DGB Gewerkschaften für Arbeitnehmerüberlassung zurück
Bundesabeitsgericht weist Anträge auf Feststellung auf Tarifunzuständigkeit der DGB Gewerkschaften für Arbeitnehmerüberlassung zurück

Bundesarbeitsgericht: Keine Grundsatzentscheidung zur DGB-Tarifzuständigkeit bei Leiharbeit

Vorerst bleibt die die Tarifzuständigkeit von DGB-Gewerkschaften für Leiharbeiter höchstrichterlich ungeklärt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 26.01.2016 im Verfahren um die Klage eines Leiharbeitnehmers, der Auskunft über die Bezahlung der Stammbelegschaft in dem Unternehmen verlangte, in dem er als Leiharbeiter eingesetzt war, keine Entscheidung in der Sache getroffen. Die Anträge wurden aus prozessualen Gründen abgewiesen.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 Nr. 1 und Abs. 5 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG )um die Tarifzuständigkeit der Gewerkschaften im DGB im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung.

Leiharbeiter macht beim Arbeitsgericht Nürnberg Auskunftsklage anhängig

Zwischen dem Antragsteller und der am Verfahren beteiligten Entleiherfirma ist vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg eine Auskunftsklage nach § 13 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) anhängig. Zu dieser war der Antragsteller vom 09.10.2006 bis 30.06.2009 von seiner damaligen Arbeitgeberin, einer Verleihfirma, als Leiharbeitnehmer verliehen und in der Funktion eines Fachredakteurs für eine Datenbank eingesetzt.

Arbeitsgericht Nürnberg setzt Verfahren aus

Am 23.01.2012 hat das ArbG Nürnberg den Rechtsstreit nach § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt, bis in einem Verfahren nach § 97 Abs. 1, 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG über die Tarifzuständigkeit der Gewerkschaften im DGB und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung für die im Zeitraum 09.10.2006 bis 30.09.2009 geltenden Tarifverträge (Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifvertrag) – abgeschlossen mit dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA) entschieden ist.

Die Gewerkschaften im DGB sind Tarifvertragsparteien des am 22.07.2003 mit dem BZA abgeschlossenen Manteltarifvertrags Zeitarbeit. Nach § 1.2 und § 1.3 gilt dieser Tarifvertrag fachlich für die tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen des BZA (einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe) und persönlich für die Arbeitnehmer, die von dem Zeitarbeitsunternehmen einem Entleiher im Rahmen des AÜG überlassen werden und Mitglieder einer der vertragsschließenden Gewerkschaften sind.

Der BZA und die DGB-Gewerkschaften sind ferner Tarifvertragsparteien des ebenfalls am 22.07.2003 abgeschlossenen Entgeltrahmentarifvertrages Zeitarbeit und des Entgelttarifvertrages Zeitarbeit, des Änderungstarifvertrages vom 22.09.2004 zum Manteltarifvertrag und Entgelttarifvertrag Zeitarbeit BZA – DGB vom 22.07.2003, die DGB-Gewerkschaften mit Ausnahme der EVG auch des Änderungstarifvertrages vom 30.05.2006 zum Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifvertrag Zeitarbeit BZA – DGB vom 22.07.2003. Der BZA ist im April 2011 auf den Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) verschmolzen.

Antragsteller bestreitet Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften

Der Antragsteller begehrt mit seinen Anträgen – soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung – die Feststellung, dass die DGB-Gewerkschaften jeweils in ihrer Eigenschaft als eigenständige Gewerkschaften am 22.07.2003 für den Abschluss des Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifvertrag Zeitarbeit BZA – DGB nicht tarifzuständig waren.

Zudem begehrt er die Feststellung, dass sie jeweils in ihrer Eigenschaft als eigenständige Gewerkschaften am 22.12.2004 für den Abschluss des Änderungstarifvertrages vom 22.12.2004 zum Manteltarifvertrag und Entgelttarifvertrag Zeitarbeit BZA – DGB vom 22.07.2003 nicht tarifzuständig waren. Zuletzt verfolgt er mit seinen Anträgen die Feststellung, dass die DGB-Gewerkschaften, mit Ausnahme der EVG, jeweils in ihrer Eigenschaft als eigenständige Gewerkschaft am 20.05.2006 für den Abschluss des Änderungstarifvertrages vom 30.05.2006 zum Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifvertrag Zeitarbeit BZA – DGB vom 22.07.2003 nicht tarifzuständig waren.

Der Antragsteller ist der Auffassung, der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP), könne nach Auflösung des BZA e.V. nicht mehr Tarifvertragspartei seien und sei daher am Verfahren nicht zu beteiligen. Die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung ergebe sich nicht, keinesfalls aber mit hinreichender Bestimmtheit aus deren Satzungen. Keine der tarifschließenden Gewerkschaften haben in ihrer Satzung eine Tarifzuständigkeit für Zeitarbeitsunternehmen. Die Zuständigkeit nur für Zeitarbeitsbetriebe wäre zudem nicht ausreichend. Erforderlich wäre die konkurrente Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Gewerkschaften für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung.

DGB-Gewerkschaften: Tarifzuständigkeit ergibt sich aus den jeweiligen Satzungen

Die DGB-Gewerkschaften und der BAP meinen, der BAP sei auf Grund der Verschmelzung des BZA auf ihn als dessen Rechtsnachfolger am Verfahren zu beteiligen. Die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung ergebe sich aus ihren Satzungen.

Die DGB-Zeitarbeitstarifverträge seien echte mehrgliedrige Tarifverträge, d.h., rechtlich selbständige Tarifverträge, die lediglich in einer Urkunde zusammengefasst und in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig seien. Tarifkonkurrenz der Mitglieder der Tarifvertragsparteien sei nicht erforderlich. Im Übrigen fehle dem Antragsteller für die Anträge das Rechtsschutzbedürfnis.

ArbG und LAG weisen die gegen die Tarifgemeinschaft gerichteten Anträge als unzulässig zurück

Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatten die Anträge des Antragstellers keinen Erfolg. Das Hessische LAG hat die gegen die Tarifgemeinschaft gerichteten Anträge als unzulässig
zurückgewiesen, aber zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass der Aussetzungsbeschluss des ArbG Nürnberg inhaltlich ausreichend bestimmt sei für die von ihm gegen die Einzelgewerkschaften gestellten Anträge und hat infolge dessen festgestellt, dass die Gewerkschaft ver.di zuständig für Arbeitnehmerüberlassung ist. Eine Entscheidung über die Tarifzuständigkeit der anderen DGB-Gewerkschaften hat das Hessische LAG (Beschluss vom 16.01.2014 – 9 TA BV 127/13) nicht getroffen, sondern die Anträge zurückgewiesen.

Hessisches LAG lässt Rechtsbeschwerde zum BAG zu

Das LAG hat die Rechtsbeschwerde, soweit sich die Anträge gegen die Einzelgewerkschaften richteten, zugelassen, da die Frage ob verdi umfassend für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung zuständig sei, vom BAG bisher noch nicht entschieden worden sei. Im Verfahren 1 ABR 19/10 habe das BAG am 14.12.2010 festgestellt, dass verdi „in bestimmten Konzernzusammenhängen für den Bereich der Leiharbeit“ tarifzuständig sei.

BAG weist die Anträge aus formellen Gründen als unzulässig zurück

Das BAG hat am 26.01.2016 über die Rechtsbeschwerde verhandelt. Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Unproblematisch für das BAG ist die Beteiligtenstellung des BAP. Der BAP ist als Gesamtrechtsnachfolger des BZA in Anwendung des Umwandlungsgesetzes an dem Verfahren zu beteiligen.

Das BAG hat nicht entschieden, ob es sich bei dem im Streit befindlichen Tarifwerk um einen bzw. mehrere Einheitstarifverträge oder um mehrgliedrige Tarifverträge handelt. Es hat nicht entschieden, ob zur Beurteilung der Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft auf ihre Tarifzuständigkeit für den Entleiherbetrieb abzustellen ist. Es hat die Anträge als unzulässig zurückgewiesen, da diese vom Aussetzungsbeschluss des ArbG Nürnberg nicht getragen würden.

Ein Aussetzungsbeschluss nach § 97 Abs. 5 ArbGG gewährt dem klagenden Arbeitnehmer im nachfolgenden Verfahren nach § 2a Abs. 1 Ziff. 4 ArbGG die Antragsbefugnis und begrenzt diese auch zugleich (BAG vom 18.07.2006 – 1 ABR 36/05). Der Antragsteller kann somit in diesem Verfahren nur die Rechtsfragen klären lassen, die im Aussetzungsbeschluss ausdrücklich genannt sind. Das LAG hatte den Antrag dahingehend ausgelegt, dass der Aussetzungsbeschluss gerade noch insoweit ausreichend bestimmt sei.

Entgegen LAG hält BAG den Aussetzungsbeschluss des ArbG Nürnberg  für nicht ausreichend bestimmt

In der mündlichen Verhandlung hat das BAG klar zu verstehen gegeben, dass es den Aussetzungsbeschluss für nicht ausreichend bestimmt hält. Aus dem Aussetzungsbeschluss ergebe sich nicht eindeutig, auf die Tarifzuständigkeit welcher Gewerkschaft es für das aussetzende Gericht zur Beurteilung der Ausgangsfrage ankommen solle,

  • für alle Gewerkschaften im DGB?
  • für nur eine Gewerkschaft, wenn welche (?), im Hinblick auf das mögliche Vorliegen eines mehrgliedrigen Tarifvertrages?


Auch benenne der Aussetzungsbeschluss nicht ausreichend den maßgeblichen Zeitpunkt, zu welchem die Tarifzuständigkeit der infrage kommenden Gewerkschaft festgestellt werden solle. Das Arbeitsverhältnis bestand vom 09.10.2006 bis zum 30.06.2009. Der Antragsteller mache als maßgebliche Zeitpunkte den 22.12.2004 und den 30.06.2006 als Zeitpunkte des Abschlusses der jeweiligen Änderungstarifverträge geltend.

Es sei nicht hinreichend bestimmt, inwieweit die genannten Zeitpunkte für ein im Zeitraum vom 09.10.2006 bis 30.06.2009 bestehendes Arbeitsverhältnis zur Entscheidung der Ausgangsfrage maßgeblich seien. Dies gelte insbesondere für den Zeitpunkt 22.12.2004. Damit stelle sich auch die Frage der Vorgreiflichkeit dieses Verfahrens. Hier bestünden erhebliche Zweifel. Dem Aussetzungsbeschluss könne auch nicht entnommen werden, ob das aussetzende Gericht die Frage der Tarifzuständigkeit aller DGB-Gewerkschaften für entscheidungserheblich hält oder lediglich einer davon. Für den Fall, dass lediglich die Prüfung der Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft entscheidungserheblich sei, könne nicht festgestellt werden, um welche Gewerkschaft es sich hierbei handeln könnte.

 

Die Pressemitteilung des BAG vom 26.01.2016 finden Sie hier.

 

Information: 

Unter dem Geschäftszeichen 1 ABR 62/14 – noch nicht terminiert – ist ein weiteres Verfahren beim BAG anhängig, welches ebenfalls die Prüfung der Tarifzuständigkeit der Gewerkschaften im DGB auf der Grundlage eines Aussetzungsbeschlusses nach § 97 Abs. 5 ArbGG zum Gegenstand hat. Hier hatte das Hessische LAG durch Beschluss vom 04.12.2014 – 9 TaBV 91/14 – im Ergebnis die Bestimmtheit des Aussetzungsantrages angenommen und festgestellt, dass die IG Metall tarifzuständig ist, da im dortigen Falle der Entleiherbetrieb dem Metallbereich zu zuordnen sei. Zur Beurteilung der Tarifzuständigkeit bei Arbeitnehmerüberlassung sei auf den Entleiherbetrieb abzustellen.