Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung die Grundsätze für einen sog. „Berechnungsdurchgriff“ auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Konzernunternehmens modifiziert. Nachdem in der Vergangenheit bei der regelmäßigen Anpassungsprüfung auf den ökonomischen Erfolg der „Muttergesellschaft“ abgestellt werden konnte, wird von der Rechtsprechung nun die Darlegung eines negativen Einflusses auf das beherrschte Unternehmen verlangt.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger bezieht von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit April 1999 eine monatliche Betriebsrente. Im Jahr 1995 wurde aufgrund einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation ein Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen und zahlreiche Arbeitsplätze abgebaut. Seit 1999 wurde der Betrieb vollständig eingestellt, Arbeitnehmer*innen werden seitdem nicht mehr beschäftigt.

Zwischen der Beklagten - als beherrschtem Unternehmen - und der G. AG besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit der Beklagten waren seit 1997 durchgehend negativ. Im Rahmen der regelmäßigen Anpassungsprüfung hat die Beklagte die Erhöhung der betrieblichen Rente abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die wirtschaftliche Lage einer Anpassung an den Kaufkraftverlust entgegenstehe.

Das Arbeitsgericht Herne hat die Klage auf Anpassung der Betriebsrente abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Beklagte verurteilt, die begehrte Rentenerhöhung vorzunehmen. Die Revision wurde zugelassen.

Der beklagte Arbeitgeber war gem. § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – Betriebsrentengesetz) verpflichtet zu prüfen, ob eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den seit April 1999 eingetretenen Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte. 

Der Arbeitgeber erzielte keine ausreichenden Gewinne

Zunächst stellte das Gericht fest, dass zum Anpassungsstichtag am 01.07.2011 eine negative Prognose der Beklagten hinsichtlich einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung gerechtfertigt war. Bis auf kurzfristige Ausnahmen waren die Ergebnisse der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit durchgehend negativ. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten war nicht ausreichend, um eine Betriebsrentenanpassung zu finanzieren.

Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung einen sog. Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden G. AG vorgenommen, bei dem die günstige Gewinnsituation eines anderen Konzernunternehmens dem Vermögen des Versorgungsschuldners zugerechnet wird. Zur Begründung verwies es auf die Rechtsprechung des BAG, wonach dies durch das Bestehen eines Beherrschungsvertrags - ohne weitere Voraussetzungen - gerechtfertigt sei (BAG, Urteil v. 26.05.2009 – 3 AZR 369/07). Das beherrschte Unternehmen könne eine Anpassung der Betriebsrente nicht mit der Begründung ablehnen, seine schlechte wirtschaftliche Lage sei nicht durch Weisungen der herrschenden Gesellschaft verursacht worden. Es komme vielmehr auf die wirtschaftliche Lage der herrschenden Gesellschaft an.

Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung durch das BAG

In der aktuellen Entscheidung gibt der erkennende Senat des BAG die entsprechende Rechtsprechung in den Urteilen vom 26.05.2009 (3 AZR 369/07) und vom 17.06.2014 (3 AZR 298/13) auf. Nunmehr sei ein Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens erst dann gerechtfertigt, wenn sich die aus einem Beherrschungsvertrag ergebende Gefahrenlage für die Betriebsrentner auch verwirklicht hat.

Die bisherige Rechtsprechung ging davon aus, dass bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags eine mangelnde Rücksichtnahme des herrschenden Unternehmens auf die Belange des abhängigen Unternehmens unwiderleglich vermutet werden könne. Diese Ansicht beruhte auf den Wertungen der §§ 302, 303 AktG (Aktiengesetz), nach denen möglicherweise entstehende Verluste des abhängigen Unternehmens infolge einer Rentenanpassung auszugleichen wären. An dieser Auffassung hält der Senat, insbesondere nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt vom 26.01.2015 (16 U 56/14), nicht weiter fest.

Erhöhte Anforderungen an einen Berechnungsdurchgriff

Das BAG bleibt jedoch weiterhin bei einem Berechnungsdurchgriff im Falle eines Beherrschungsvertrags, da sich hierdurch eine Gefahrenlage für das durch § 16 Abs. 1 BetrAVG geschützte Interesse der Versorgungsberechtigten am Werterhalt seiner Betriebsrente ergibt. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die durch den Beherrschungsvertrag ergebende Gefahrenlage auch verwirklicht hat. Anhaltspunkte für die Realisierung der Gefahr sind Weisungen des herrschenden Unternehmens, die das Eigeninteresse der beherrschten Gesellschaft außer Acht lassen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht sämtliche Maßnahmen der Konzernpolitik mit ungünstigen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des beherrschten Unternehmens eine Zurechnung der wirtschaftlichen Lage rechtfertigen.

Im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast obliegt es nun dem Betriebsrentner sowohl das Bestehen eines Beherrschungsvertrags als auch die Verwirklichung der sich hieraus ergebenden Gefahrenlage darzulegen. Erste Voraussetzung lässt sich durch einen Blick ins Handelsregister recherchieren, da entsprechende Verträge nach § 294 AktG einzutragen sind. Anschließend ist es zunächst ausreichend eine Gefahrverwirklichung bloß zu behaupten. Da die maßgeblichen Umstände über Weisungen des herrschenden Unternehmens in der Sphäre des Versorgungsschuldners liegen, ist dieser gehalten im Einzelnen substantiiert darzulegen, dass sich infolge der erteilten Weisungen des herrschenden Unternehmens die Gefahrenlage nicht verwirklicht oder seine wirtschaftliche Lage nicht maßgeblich verschlechtert hat.

Anmerkung: In Zukunft Rentner- und Abwicklungsgesellschaften?

Ehemals solide Unternehmen werden in der Zukunft wohl vermehrt in sog. Renten- und Abwicklungsgesellschaften umfunktioniert, die zur Aufgabenerfüllung lediglich die dazu notwendigen Mittel erhalten. Arbeitnehmer*innen werden dann nicht mehr beschäftigt, geschweige denn Gewinne erzielt. Die Idee des Gesetzgebers, Betriebsrenten an den Kaufkraftverlust anzugleichen, läuft in diesen Fällen ins Leere. Zum Zeitpunkt entsprechender Vereinbarungen über eine betriebliche Altersvorsorge sind solche Entwicklungen jedoch kaum absehbar.

Das vollständige Urteil des BAG vom 10.03.2015 – 3 AZR 739/13 können Sie hier nachlesen.