© Adobe Stock - Von Enrico Di Cino
Die Flut hatte auch am Standort der Firma riesige Schäden angerichtet. Gemeinsam wurde versucht, wieder Arbeitsbedingungen für die Produktion zu schaffen.
© Adobe Stock - Von Enrico Di Cino Die Flut hatte auch am Standort der Firma riesige Schäden angerichtet. Gemeinsam wurde versucht, wieder Arbeitsbedingungen für die Produktion zu schaffen.

Die Firma, bei der Neumann langjährig arbeitet, wird teilweise verkauft, teilweise geschlossen. Neumann kann mit seinem Altersteilzeitvertrag bei seinem bisherigen Arbeitgeber bleiben. Für seine restlichen Arbeitsphasenmonate fallen geplant noch Restarbeiten an.

 

 Nach Firmenverkauf kommt die Flut

 

Damit hatte keiner gerechnet. Zwei Wochen nach der Teilübernahme hat die verheerende Flut auch am Standort der Firma riesige Schäden angerichtet. Statt zu produzieren wurde gemeinsam von allen Personen versucht, wieder Arbeitsbedingungen für die Produktion zu schaffen. Das fing mit Schuttwegräumen und Schlammschaufeln an. Es gab keinen Strom, die Arbeitsstunden wurden auf Zetteln in einem Pförtnerbüro notiert

 

Anwesenheitsprämie in Betriebsvereinbarung

 

Wie oft bei Umbrüchen oder vor einer Schließung ist der Krankenstand hoch. Um dem gegenzusteuern einigte sich die alte Firma mit ihrem Betriebsrat auf eine Anwesenheitsprämie für einen Zeitraum von 3,50 € pro Stunde, für einen anschließenden Zeitraum wurde sie auf 7 € erhöht. Neumann hat monatlich auch immer eine Sonderzahlung erhalten. Er ging davon aus, dass dies die Normalstunden im Monat waren, die auf den Abrechnungen auch bezahlt wurden, nicht aber die Stunden, die auf ein Gleitzeitkonto gutgeschrieben wurden.

 

Auszahlung des Gleitzeitkontos

 

Nach der Arbeitsphase hat die Arbeitgeberin den bestehenden Gleitzeitsaldo mit dem derzeitigen Stundenlohn bezahlt, jedoch ohne zusätzliche Anwesenheitsprämie auf diese Stunden. Das reklamierte Neumann. Die Firma sagt grundsätzlich seien immer die Anwesenheitsstunden mit dem nächsten Monat mit der Prämie ausbezahlt worden, nicht nur die Normalstunden. Die Überprüfung der Arbeitgeberin für 2022 ergab jedoch eine Nachzahlung von 500 € für Neumann. Für 2021 würde nichts überprüft, das sei nach den für das Arbeitsverhältnis geltenden Ausschlussfristen der Metallindustrie verfallen.

 

Neumann macht die Gegenrechnung

 

Neumann will das nicht hinnehmen. Der Gleitzeitstundensaldo ist mit 300 Stunden im Plus, diese multipliziert er mit der am Schluss geltenden Prämie von 7 € und zieht die gezahlten 500 € ab. Er fordert ca. 1.900 €.

 

Neumann konnte nicht anders rechnen, weil er keine Aufstellung hatte nach der er die bezahlte Prämie hätte erkennen können. Mit dem Gericht wurde dann schon im Gütetermin auseinandergebröselt, dass nur die Gleitzeitstunden im Rahmen der zeitlich befristet geltenden Betriebsvereinbarung eine Rolle spielen können und dann auch nur in der in diesem Zeitraum geltenden Höhe. Also muss zunächst geprüft werden, wie das Gleitzeitkonto zu Beginn der Geltung der ersten Betriebsvereinbarung war und wie es sich dann entwickelt hat.

 

Neuberechnung der Klageforderung

 

Diese Sichtung ergab, dass schon ein recht hoher Saldo zu Beginn bestanden hat und dass nach Zahlung der weitern 500 € der Zeitraum 2022 richtig abgewickelt worden ist.  Für 2021 blieben aber noch etwa 400 € über. Wenigstens die wollte Neumann haben.

 

Die Firma bzw. deren Anwälte beriefen sich auf die dreimonatige Verfallfrist.

 

Diskussion um Fälligkeit und Treuwidrigkeit

 

Von uns wurde eingewendet, dass in der Betriebsvereinbarung keine Fälligkeit genannt sei und diese erst beginne, wenn Neumanns Arbeitgeberin eine nachvollziehbare Lohnabrechnung erstelle. Die bisherige enthielt noch nicht einmal das Wort Anwesenheitsprämie, sondern nur Sonderzahlung und auch noch nicht einmal die Stundenzahl. Nach der Flut gab es zunächst auch nicht die üblichen Stundenlisten. Selbst auf dieser separaten Stundenliste sind keine Spalte und keine Summe der Stunden enthalten für die die Prämie anfiel. Damit scheint es uns zumindest treuwidrig, wenn die Arbeitgeberin sich auf Verfallfristen beruft. Sie selbst hat es ja durch die Lohnabrechnung völlig erschwert bis unmöglich gemacht, dass Neumann nachvollziehen konnte, welche Stunden angefallen und welche mit Prämie gezahlt wurden. Und ein treuwidriges Verhalten kann nicht dazu führen, dass Ansprüche als verfallen gelten.

 

Irrtümliche Zahlung vor dem Kammertermin

 

Kurz vor dem Kammertermin fiel dem aufmerksamen Neumann in seiner Abrechnung eine Sonderzahlung auf, die er zunächst nicht zuordnen konnte bis er sie mit der Restklageforderung verglich. Exakt die streitige Summe war abgerechnet und gezahlt worden. War damit der Rechtsstreit erledigt? Nach mehreren Anrufen bei den Prozessvertretern der Gegenseite hieß es schließlich, es sei ein Irrtum gewesen, man werde den Betrag wieder zurückbuchen.

 

Kammertermin war doch notwendig

 

Angesichts dieser Aussage war der Gerichtstermin vor dem Arbeitsgericht Aachen doch notwendig.  Das Gericht regte einen Vergleichsschluss an, nachdem doch einmal gezahlt sei. In der Sache hielt die Kammer die Ansprüche aus 2021 für verfallen. Es sei Sache des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin jede Abrechnung zu prüfen und die Ansprüche rechtzeitig zu beziffern und entsprechend der jeweiligen Regelung geltend zu machen. Dies gelte auch, wenn nur pauschal ein Betrag gezahlt worden sei.

 

Die Arbeitgeberin bat darum, die Rechtsauffassung ins Protokoll zu nehmen und hat dann auf die Rückforderung verzichtet.

 

Neumann wäre kämpferisch gewesen, aber die Sache war nicht berufungsfähig.

Das sagen wir dazu:

Fakt ist, dass Ausschluss- oder Verfallfristen schnell Klarheit bringen sollen. In Fällen, bei denen in den Lohnabrechnungen zehn Nachtstunden mit Zuschlag aufgelistet sind und Neumann doppelt so viele geleistet hat, mag nachvollziehbar sein, dass er tätig werden muss. Bei dem vorliegenden Fall lag der Sachverhalt doch etwas anders.

 

Es kann nur jedem geraten werden, seine Abrechnungen zeitnah zu überprüfen und schon bei Unklarheiten vorsorglich im Rahmen der jeweils geltenden Fristen eventuelle Ansprüche zu verfolgen.