Ein großes Unternehmen der Luftfahrtindustrie beschäftigte den Kläger längere Zeit in China als Projektplaner und Manager. China führte 2019 für neun Städte der Provinz Guandong, der sogenannten „Greater Bay Area", für ausländische Fachkräfte und besondere Talente eine staatliche Förderung ein, um die Attraktivität dieses Gebiets für Unternehmen und ausländische Fachkräfte zu steigern. Dieser auch als „Greater Bay Area Subsidy" bezeichnete staatliche Zuschuss (nachfolgend GBA-Zuschuss) musste jedes Jahr gesondert von den Arbeitnehmer:innen beantragt werden. Der Arbeitgeber hatte dabei mitzuwirken.
Der Kläger erhielt für die Kalenderjahre 2019 und 2020 einen solchen Zuschuss des chinesischen Staates.
Was war anders geworden?
Im Jahr 2022 unterschrieb der Kläger zwei Änderungsvertrage und war fortan nicht mehr beim bisherigen Arbeitgeber, einer Aktiengesellschaft, beschäftigt, sondern wechselte seinen Arbeitgeber innerhalb des Konzerns.
Die chinesischen Zuschüsse wollte der neue Arbeitgeber vom Kläger rückerstattet haben. Es ging um knapp 9.000,- €. Den Betrag behielt die Firma in Teilraten vom Gehalt ihres Mitarbeiters ein, erstmals im September 2022. Der Mann war damit nicht einverstanden und hielt die Vorgehensweise seines Arbeitgebers nicht für zulässig und teilte das auch per E-Mail ausdrücklich mit.
Die Jurist:innen des DGB Rechtsschutzbüros Hannover konnten es richten. Lukas Klemenz vertrat den Betroffenen erfolgreich vor dem Arbeitsgericht. Nun muss die Firma die einbehaltenen Beträge an ihren Mitarbeiter zurückzahlen.
Was war falsch gelaufen?
Das Arbeitsgericht entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung des mit Lohnabrechnungen von September bis Dezember 2022 einbehaltenen Lohnes hat, weil die Beklagte nicht zum Einbehalt der Vergütung des Klägers berechtigt gewesen sei. Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 611a Abs. 2 BGB und aus dem abgeschlossenen Arbeitsvertrag. Danach ist der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Die Beklagte habe bereits nicht hinreichend dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung des GBA-Zuschusses vorlägen, so das Gericht.
Was den Rückforderungsanspruch selbst anbelange, bleibe unklar, weshalb der GBA-Zuschuss der Beklagten als Arbeitgeber zustehen solle und nicht dem einzelnen Beschäftigten, für den der Zuschuss beantragt wird und der diesen auch ausbezahlt bekommt. Die Beklagte habe jedenfalls nicht überzeugend dargelegt, dass ihr der GBA-Zuschuss originär zustehe und das im Verfahren vielmehr nur pauschal behauptet. Es werde auch nicht deutlich, weshalb der Kläger die Leistung zu Unrecht erhalten habe.
Wie lange darf die Rückforderung auf sich warten lassen?
Der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch sei im Übrigen im Zeitpunkt des Einbehalts nach dem anwendbaren Tarifvertrag verfallen, selbst wenn er bestanden haben sollte – so das Gericht im Urteil. Das kam für die Beklagte überraschend, hatte sie bzw. der frühere Arbeitgeber den Kläger doch fernab der Heimat in China beschäftigt, bei der Gewährung chinesischer Zuschüsse mitgeholfen und nun sollte sie an deutschem Tarifrecht scheitern?
Kurzum ja!
Auf verschiedene Ankündigungen, den Zuschuss zurückfordern zu wollen, hatte der Kläger per E-Mail geantwortet, damit nicht einverstanden zu sein, weil er dafür keine Rechtsgrundlage sehe. Die Beklagte habe daher mit Ablauf der von ihr gesetzten Zahlungsfrist davon ausgehen können, dass der Kläger die Rückzahlung definitiv ablehne und nicht leisten werde.
Der anwendbare Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Niedersachsens sehe eine zweistufige Ausschlussfrist vor, innerhalb derer eine Forderung im Fall der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen ist. Diese Frist habe die Beklagte nicht beachtet. Es sei zwar Klage erhoben worden und auch in einem parallelen Gerichtsverfahren noch anhängig. Die Klageerhebung durch die Beklagte sei jedoch erst nach Ablauf der tariflichen Ausschlussfrist erfolgt. Zu dem Mittel der Gehaltskürzung habe die Beklagte nicht stattdessen greifen dürfen.
Was hat das mit China zu tun?
Überhaupt nichts, wie das Gericht feststellt.
Zunächst sei zwar festzuhalten, dass durch zwei Verträge im Jahr 2022 ein konzerninterner Arbeitgeberwechsel stattgefunden habe. Der Kläger sei vom bisherigen Arbeitgeber, einer Aktiengesellschaft, zur Beklagte gewechselt. Hierauf berufe sich auch die Beklagte; denn sie habe vorgetragen, es sei davon auszugehen, dass durch den Arbeitgeberwechsel des Klägers innerhalb des Konzerns sämtliche Forderungen der Aktiengesellschaft aus und im Zusammenhang mit der Entsendung nach China an die Beklagte abgetreten worden seien.
Die Beklagte habe ihren Anspruch auf Rückzahlung als Arbeitgeber gegenüber ihrem Arbeitnehmer, dem Kläger, im Wege des Lohneinbehalts geltend gemacht. Deshalb hätte sie die aktuell für das Arbeitsverhältnis geltenden tariflichen Regelungen für die Geltendmachung von Ansprüchen berücksichtigen müssen.
Warum gelten hier die tarifvertraglichen Fristen?
Die Auffassung der Beklagten, dass auf die während der Entsendung geltenden tariflichen Regelungen für das Arbeitsverhältnis des Klägers abzustellen sei, vermochten das Gericht nicht zu überzeugen. Dies möge der Fall sein, wenn der frühere Arbeitgeber, die Aktiengesellschaft, ihr Rückforderungsbegehren selbst weiterverfolgt hätte, so das Gericht.
Indem die Beklagte jedoch die Forderung als Arbeitgeber durch Lohneinbehalt durchgesetzt habe, nutze sie gerade ihre Eigenschaft als Arbeitgeber und müsse daher auch die für das Arbeitsverhältnis geltenden tariflichen Regelungen berücksichtigen. Als tarifgebundener Arbeitgeber sei sie an die tarifliche Ausschlussfrist des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie Niedersachsens gebunden gebunden und habe diese einzuhalten.
Rechtliche Grundlagen
§ 611a Abs. 2 BGB
2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.