Arbeitgeber und Arbeitnehmer standen schon wegen einer Kündigung und dann wegen der Höhe der Abfindung vor Gericht.
Der Streit um den Besserungsschein ist nun sozusagen der dritte Akt.
Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag regelt Verzicht und Ausgleichsanspruch
Der Kläger hatte wie andere Mitarbeiter ab dem Jahr 2008 in bestimmten Anteilen auf Urlaubsgeld und Entgelt verzichtet.
Im Jahr 2010 hatte das Unternehmen, das mehrere Autohäuser betreibt, mit der IG Metall einen Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag geschlossen. Die finanzielle Schieflage des Unternehmens sollte überbrückt werden, so dass die Arbeitsplätze der Mitarbeiter erhalten bleiben. Die Mitarbeiter leisteten ihren Beitrag, indem sie auf Teile ihrer Vergütung verzichteten.
Als Ausgleich für den Verzicht auf das tarifliche Urlaubsgeld, erhielten die Mitarbeiter einen Anspruch aus einem Besserungsschein.
Ein Besserungsschein ist das schriftliche Versprechen eines Schuldners (hier der Arbeitgeber) auf eine Forderung, auf die bereits von Seiten des Gläubigers (hier der Arbeitnehmer) verzichtet wurde, Zahlung zu leisten, wenn es seine Einkommenslage wieder erlaubt.
Besserungsschein war beim Ausscheiden noch nicht ausgeglichen
Als der Kfz-Mechaniker 2015 aus dem Betrieb ausschied, stand noch eine Summe von 4.632,85 € „auf dem Deckel“. Der Besserungsschein wies zum Stand 31.12.2013 einen Betrag von über 5.000 € aus, im Jahr 2014 hatte es aber noch eine Zahlung aus dem Besserungsschein gegeben.
Der Kläger hatte von einer Teilauszahlung aus dem Besserungsschein im Jahr 2015 gehört und machte deshalb die Auszahlung gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber geltend. Eine Reaktion erfolgte nicht, auch nicht auf die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs durch den DGB Rechtsschutz in Bielefeld.
Letztlich blieb wieder nur der Weg zum Arbeitsgericht.
Aktive Mitarbeiter hatten auf die Hälfte des Ausgleichs verzichtet
Hier ging es dann nicht um eine Teilzahlung, wie sie die anderen Mitarbeiter 2015 bekommen hatten, sondern um die volle Summe aus dem Besserungsschein. Denn der Kläger hatte über den Betriebsrat der Beklagten erfahren, dass alle Mitarbeiter 50% der noch offenen Summen aus dem Besserungsschein erhalten und auf die weitere Forderung verzichtet hatten. Informiert hatte der Betrieb seinen ehemaligen Arbeitnehmer natürlich auch darüber nicht.
Da der Kläger sich an den Verzicht nicht gebunden sah, erhob er mit Hilfe des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes Klage auf die volle noch offene Summe aus dem Besserungsschein.
Der Kläger ist nicht an den Verzicht aus dem Haustarifvertrag gebunden
Das Arbeitsgericht Bielefeld sprach dem Kläger die Summe von 4.632,85 € zu. Die Entscheidung fiel den Richtern in diesem Fall auch leicht. Er könne beim besten Willen nicht erkennen, was dem Kläger von der eingeklagten Forderung nicht zustehen sollte, so der Vorsitzende Richter und Direktor der Arbeitsgerichts Bielefeld.
Eine irgendwie geartete Rückwirkung komme nicht in Betracht. Da der Kläger Ende April ausgeschieden ist, könne ein Haustarifvertrag vom August 2016 für ihn keine Wirkung entfalten.
Auch ein Betriebsrat darf nicht für ausgeschiedene Mitarbeiter entscheiden
Weiter stellte das Gericht darauf ab, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Mandat des Betriebsrats für ausgeschiedene Mitarbeiter erlischt. Wenn der Betriebsrat nicht befugt ist, Regelungen über individuelle Ansprüche ausgeschiedener Mitarbeiter zu treffen, gelte gleiches für den Arbeitgeber und die Gewerkschaft.
Im Ergebnis konnte sich der ehemalige Arbeitgeber also nicht auf den Verzicht aus dem Haustarifvertrag berufen. Das ergibt sich allerdings aus unserer Sicht schon aus dem Wortlaut zur Regelung „Ablösung Besserungsschein“. Denn dort sind ausdrücklich die unter den Geltungsbereich des Haustarifvertrages fallenden Arbeitnehmer*innen genannt, die 50% auf die Ansprüche aus dem Besserungsschein erhalten. Da der Kläger das Unternehmen Ende April 2015 verließ, kann er eben nicht unter den persönlichen Geltungsbereich eines später geschlossenen Haustarifvertrages fallen. Denn der Geltungsbereich umfasst - wenig verwunderlich - alle Arbeitnehmer des beklagten Unternehmens.
Berufung trotz glasklarer richterlicher Einschätzung?
Es ist eigentlich logisch und zwingend, dass damit nur die aktiven und nicht ehemaligen Mitarbeiter gemeint sind. Auch nur diese können überhaupt ein Interesse an einem Teilverzicht zur Sicherung der Zukunft des Unternehmens haben. Zudem hatte der Kläger auch schon vor Abschluss des Haustarifvertrages die Zahlung aus dem Besserungsschein geltend gemacht.
Dennoch teilte der Prozessbevollmächtigte der Autohaus-Gruppe mit, er werde seiner Mandantschaft empfehlen, Berufung gegen das Urteil vom Arbeitsgericht Bielefeld einzulegen. Ob dies wirklich der Überzeugung geschuldet ist, man könne in der zweiten Instanz ein anderes Ergebnis erzielen, oder doch eher dem Gebühreninteresse, lassen wir mal dahinstehen. Ein Blick auf die prozessuale Vorgeschichte macht das Bild aber sicher rund.
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Das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld kann hier nachgelesen werden.
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