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Zum 1. Januar 2018 trat des Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft. Zweck des Gesetzes ist es, die betriebliche Altersversorgung sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer deutlich attraktiver zu gestalten. Wandelt der Arbeitnehmer einen Teil seines vereinbarten Arbeitsentgelts in eine betriebliche Altersversorgung um, muss der Arbeitgeber einen Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 15 % des umgewandelten Entgelts dazugeben, soweit er durch die Entgeltumwandlung eine Sozialversicherungsersparnis hat. Diese Pflicht besteht für ab dem 1. Januar 2019 vereinbarte Entgeltumwandlungen sofort, für ältere Vereinbarungen erst ab dem 1. Januar 2022, um den Tarifvertragsparteien Zeit zu geben, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Durch Tarifvertrag kann nämlich diese gesetzliche Regelung ausgehebelt werden.

 

Arbeitnehmer machte erfolglos Zuschuss ab dem 01.01.2022 geltend

 

Genau davon handelt ein Fall, der vor dem Arbeitsgericht Stralsund entschieden wurde. Der bei einem öffentlichen kommunalen Arbeitgeber angestellte Sachbearbeiter verlangte von diesem die Zahlung des Zuschusses in Höhe von 15% ab dem 1. Januar 2022. Doch der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung mit dem Hinweis, dass der Tarifvertrag, der die Entgeltumwandlung überhaupt erst ermöglichte, keinerlei Arbeitgeberzuschüsse vorsehe. Damit sei auch die neue gesetzliche Regelung wirksam abbedungen. Der Tarifvertrag selbst stammt aus dem Jahr 2003 und hat seitdem keinerlei Veränderung erfahren.

 

Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht Stralsund gegen die ablehnende Haltung seines Arbeitgebers und bekam Recht.

 

Bundesarbeitsgericht ließ Rechtsfrage bisher offen

 

Mit dieser Entscheidung ist eine Rechtsprechungslücke zur Neuregelung des Gesetzes über die betriebliche Altersversorgung (BetrAVG) geschlossen worden. Denn bisher hatte das höchste deutsche Arbeitsgericht, das Bundesarbeitsgericht, nur über zwei Fallgestaltungen zu entscheiden, und konnte die Frage, ob ein „älterer“ Tarifvertrag eine gesetzliche Neuregelung aushebeln kann, ausdrücklich offenlassen.

 

Der erste Fall behandelte die Geltendmachung des Arbeitgeberzuschusses für eine ältere Entgeltumwandlungsvereinbarung vor Januar 2022. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass vor Ablauf der Übergangsfrist ein Arbeitgeberzuschuss für ältere Entgeltumwandlungsvereinbarungen nicht verlangt werden kann.

 

Der zweite Fall war vor dem Bundesarbeitsgericht deswegen nicht erfolgreich, weil es eine neuere tarifliche Regelung nach Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung gab, die die Zahlung des Arbeitgeberzuschusses ausschloss. Das lässt das Betriebsrentenstärkungsgesetz ausdrücklich zu.

 

Schweigen des Tarifvertrags ist keine abschließende Regelung

 

Das beklagte Unternehmen argumentierte mit dem Tarifvertrag aus dem Jahr 2003, der keinerlei Arbeitgeberzuschüsse regelt. Daraus ließe sich schließen, dass damit jegliche zukünftige gesetzliche Regelung abschließend erfasst sei. Dem folgte das Arbeitsgericht Stralsund nicht.

 

Vielmehr führte das Arbeitsgericht aus, die Tarifvertragsparteien hätten keinesfalls eine 16 Jahre später erfolgende Gesetzesänderung vorhersehen können. Allein aus dem Umstand, dass keine Arbeitgeberzuschüsse im Tarifvertrag geregelt seien, sei noch nicht der Schluss zu ziehen, dass damit jedwede zukünftige Änderung der Rechtslage ausgehebelt sei. Vielmehr sei bezüglich zukünftiger gesetzlicher Änderungen überhaupt keine Regelung getroffen worden.

 

Entscheidung auf der Linie des Gesetzgebers

 

Mit dieser Entscheidung steht das Arbeitsgericht Stralsund im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Dieser führte extra eine Übergangsfrist von drei Jahren für Altverträge ein, um den Beteiligten (gemeint sind die Tarifvertragsparteien) ausreichend Zeit zu geben, sich auf die Neuregelung einzustellen. Eine tarifliche Neuregelung haben die Tarifvertragsparteien jedoch bewusst oder unbewusst versäumt, so dass der Kläger seinen Anspruch aus dem Gesetz herleiten kann.

 

Ob der öffentliche kommunale Arbeitgeber mit Blick auf seine Personalkosten das Urteil akzeptieren wird, bleibt abzuwarten, denn der Kläger ist sicherlich kein Einzelfall.

 

 

Links zu den genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts: 

BAG, Urteil vom 08. März 2022 - 3 AZR 361/21

BAG, Urteil vom 08. März 2022 - 3 AZR 362/21

 

Rechtliche Grundlagen

§ 1a BetrAVG

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz - BetrAVG)
§ 1a Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung
(1) Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Die Durchführung des Anspruchs des Arbeitnehmers wird durch Vereinbarung geregelt. Ist der Arbeitgeber zu einer Durchführung über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse (§ 1b Abs. 3) oder über eine Versorgungseinrichtung nach § 22 bereit, ist die betriebliche Altersversorgung dort durchzuführen; andernfalls kann der Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitgeber für ihn eine Direktversicherung (§ 1b Abs. 2) abschließt. Soweit der Anspruch geltend gemacht wird, muss der Arbeitnehmer jährlich einen Betrag in Höhe von mindestens einem Hundertsechzigstel der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch für seine betriebliche Altersversorgung verwenden. Soweit der Arbeitnehmer Teile seines regelmäßigen Entgelts für betriebliche Altersversorgung verwendet, kann der Arbeitgeber verlangen, dass während eines laufenden Kalenderjahres gleich bleibende monatliche Beträge verwendet werden.
(1a) Der Arbeitgeber muss 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.
(2) Soweit eine durch Entgeltumwandlung finanzierte betriebliche Altersversorgung besteht, ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung ausgeschlossen.
(3) Soweit der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltumwandlung für betriebliche Altersversorgung nach Abs. 1 hat, kann er verlangen, dass die Voraussetzungen für eine Förderung nach den §§ 10a, 82 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes erfüllt werden, wenn die betriebliche Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt wird.
(4) Falls der Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis kein Entgelt erhält, hat er das Recht, die Versicherung oder Versorgung mit eigenen Beiträgen fortzusetzen. Der Arbeitgeber steht auch für die Leistungen aus diesen Beiträgen ein. Die Regelungen über Entgeltumwandlung gelten entsprechend.