Landesarbeitsgericht Hamm bejaht einen Fahrtkostenanspruch, wenn Leiharbeitnehmer im Interesse ihres Arbeitgebers in wechselnden Einsatzorten beschäft
Landesarbeitsgericht Hamm bejaht einen Fahrtkostenanspruch, wenn Leiharbeitnehmer im Interesse ihres Arbeitgebers in wechselnden Einsatzorten beschäft

Ein 60-jähriger Leiharbeiter, Mitglied der IG Metall, wurde von seinem Arbeitgeber, einem Verleihbetrieb, lange Zeit bei der Firma Thyssen Krupp in Dortmund eingesetzt. Als er im Januar 2014 einen Einsatz im sauerländischen Olpe zugewiesen bekam, verlangte er von dem Verleihbetrieb den Ersatz der ihm tatsächlich entstandenen Benzinkosten für Hin- und Rückfahrt zur Arbeitsstelle. Dabei ließ er sich den Betrag anrechnen, den er für Fahrten zum Betriebssitz seines Arbeitgebers aufzuwenden gehabt hätte. Der Mehraufwand belief sich immerhin auf 156 Kilometer pro Arbeitstag.

Verleihbetrieb verweigert Zahlung der Fahrtkosten

Sein Verleihbetrieb verweigerte die Zahlung und berief sich darauf, dass es sich bei den Fahrten nach Olpe um Fahrten zum Arbeitsplatz gehandelt habe. Und diese lägen allein im Interesse des Beschäftigten und seien somit von ihm selber zu tragen. Außerdem hatte man im Arbeitsvertrag entsprechende Zahlungen ausgeschlossen. Dort hieß es:
„Aufwendungen für die tägliche Fahrt zwischen Wohnung und dem Einsatzort bzw. der zwischen der Betriebsstätte des Arbeitgebers und dem Einsatzort sind durch die Vergütung abgegolten und werden nicht erstattet.“

Erfolgreiche Klage durch zwei Instanzen

Das Arbeitsgericht Dortmund und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm gaben dem Leiharbeiter Recht. Die Gerichte folgten den Argumenten des DGB Rechtsschutzes, der den IG Metaller in beiden Instanzen vertrat: Der Beschäftigte habe durch seine Fahrtkosten Aufwendungen gehabt, die weit überwiegend im Interesse des Arbeitgebers lagen. Deshalb könne er analog § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Aufwendungsersatz verlangen. Schließlich beruhe das Geschäftsmodell von Verleihfirmen gerade auf der flexiblen Einsetzbarkeit der Leiharbeitnehmer. Und wegen der wechselnden Einsatzorte könne dieser nicht ständig seinen Wohnort in die Nähe der Einsatzorte verlegen. Deshalb müsse der Verleihbetrieb die Fahrtkosten tragen.

Vertraglicher Ausschluss der Fahrtkosten war unwirksam

Auch dem Argument des Verleihers, die Fahrtkosten seien aufgrund des geschlossenen Arbeitsvertrages mit dem gezahlten Lohn bereits ausgeglichen und würden nicht erstattet, folgte das LAG Hamm nicht. Die entsprechende Vertragsklausel benachteilige den Beschäftigten unangemessen und sei deshalb nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Tarifliche Regelung der Fahrtkosten notwendig

Rechtsschutzsekretär Andreas Kapeller, der den Leiharbeitnehmer vor dem LAG Hamm vertrat, freute sich über das Urteil, fordert aber von den Tarifvertragsparteien eine Regelung der Fahrtkosten im Tarifvertrag: „Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf. Das haben die Tarifvertragsparteien auch erkannt und in einer Protokollnotiz eine Absichtserklärung abgegeben. Bisher ist aber noch nichts geschehen.“
Eine tarifliche Regelung, so Kapeller weiter, sorge nicht nur für Klarheit, sondern führe dazu, dass mehr betroffene Leiharbeitnehmer die ihnen zustehenden Fahrtkosten verlangen.

Anmerkung der Redaktion

Mit erfreulicher Deutlichkeit bejaht das LAG Hamm einen Fahrtkostenanspruch, wenn Leiharbeitnehmer im Interesse ihres Arbeitgebers in wechselnden Einsatzorten beschäftigt werden. Die Höhe richtet sich nach den tatsächlichen Aufwendungen, also bei Benutzung eines eigenen Autos nach den tatsächlichen Benzinkosten. Dabei ist aber die Ersparnis anzurechnen, die entsteht, wenn sich der Leiharbeitnehmer eine Fahrt zum Betriebssitz erspart. Diese Fahrt läge nämlich - wie bei jedem Arbeitnehmer - im Eigeninteresse und nicht im Interesse des Verleihers.Leiharbeitnehmer sollten sich bei der Beanspruchung der Fahrtkosten auch nicht durch entgegenstehende Klauseln im Arbeitsvertrag abhalten lassen. Zu Recht hat das LAG Hamm hier eine unzulässige Benachteiligung erkannt, was zur Unwirksamkeit entsprechender Regelungen führt. Dringend erforderlich ist jetzt eine tarifliche Klarstellung, nicht zuletzt, um verunsicherten Leiharbeitnehmern Rechtssicherheit zu verschaffen. Immerhin haben die Tarifvertragsparteien (IGZ und DGB Tarifgemeinschaft) die Notwendigkeit erkannt.

 

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13.01.2016 kann hier nachgelesen werden.


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Im Praxistipp: §§ 670 und 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Rechtliche Grundlagen

§ 670 BGB und § 307 BGB

§ 670
Ersatz von Aufwendungen

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

§ 307
Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.