Ein Bauleiter war bei seiner Arbeitgeberin von 1992 bis Mitte November 2010 beschäftigt. Er hatte Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe für die Jahre 2007 bis 2009 erhalten. Für das Jahr 2010 leistete die Arbeitgeberin keine Sonderzahlung mehr. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass dem Bauleiter auch für das Jahr 2010 die Leistung grundsätzlich zusteht. 

Anspruch auf Weihnachtsgeldzahlung 

Gesetzlich gibt es keinen Anspruch auf Zahlung von Weihnachts– oder Urlaubsgeld oder auf andere Sonderzahlungen. Der Anspruch kann sich aber aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Ob er besteht, richtet sich dann nach den Voraussetzungen, die in diesen Regelungen aufgeführt sind. Der Anspruch kann aber sogar dann begründet sein, wenn gar nichts geregelt ist, der Arbeitgeber mehrere Jahre aber regelmäßig Weihnachtsgeld gezahlt hat. Das BAG nimmt an, dass ein Arbeitgeber, der drei Mal vorbehaltlos an seine Mitarbeiter*innen gezahlt hat, sich auch zukünftig dazu verpflichtet hat und deshalb im nächsten Jahr nicht einfach die bisherige Zahlung einstellen kann.

Anspruch auch bei „freiwilliger Zahlung“?

Wenn im Arbeitsvertrag eine „freiwillige“ Leistung „ohne jede rechtliche Verpflichtung“ geregelt ist, schließt das nicht aus, dass der Arbeitgeber auch zukünftig zahlen muss. Nach der Rechtsprechung des BAG bedeutet „freiwillig“ nämlich nur, dass keine anderen rechtlichen Verpflichtungen (z. B. in einem Gesetz oder in einem Tarifvertrag) bestehen. Steht im Arbeitsvertrag aber der Hinweis, dass auch bei mehrmaligen Zahlungen kein zukünftiger Anspruch auf die Leistung entstehen soll, ist das ein klarer und verständlicher Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber jedes Jahr neu entscheiden will, ob er die Leistung weiter gewähren will. Er hat sich dann mit seinem vergangenen Zahlungsverhalten nicht auch für die Zukunft gebunden. 

Anders hat das BAG folgenden Freiwilligkeitsvorbehalt bewertet: Im Arbeitsvertrag war die Zahlung einer Sondervergütung als „freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft“ bezeichnet worden. An anderer Stelle im Vertrag waren jedoch die Leistungsvoraussetzungen auch für die Zukunft präzise geregelt worden. So sollte sich die Zahlung mit der Zunahme an Beschäftigungsjahren erhöhen. Das BAG ging deshalb von einer unklaren und damit unzulässigen Vorbehaltsregelung aus und hielt den Weihnachtsgeldanspruch des Arbeitnehmers für begründet.

Anspruch bei „Widerrufsvorbehalt“

Der Arbeitgeber darf sich grundsätzlich auch vorbehalten, die Zahlung z. B. eines Weihnachtsgeldes zu widerrufen. Es reicht aber nicht aus, dass im Vertrag lediglich steht: die Zahlung ist jederzeit widerruflich. Das ist unzulässig, weil keine konkreten Gründe für den Widerruf aufgeführt sind. Arbeitnehmer*innen müssen nämlich erkennen können, unter welchen Voraussetzungen sie mit einem Widerruf rechnen müssen. Außerdem muss die Leistung auch widerrufen werden. Wird die Zahlung in einem Jahr lediglich eingestellt, ist das noch kein Widerruf.

Anspruch bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt?

Es ist nicht zulässig, Widerrufsvorbehalt und Freiwilligkeit zu kombinieren. Die Regelung ist dann unverständlich und unklar. Räumt der Arbeitgeber sich eine Widerrufsmöglichkeit ein, geht er ja gerade davon aus, dass ein Anspruch auf regelmäßige Zahlung entstanden ist, während er mit dem Freiwilligkeitsvorbehalt jede Verpflichtung ausschließen will. Das ist widersprüchlich und damit nach Ansicht der Rechtsprechung eine nicht wirksame weil unverständliche Vereinbarung. 

Anspruch auf Weihnachtsgeld bei vorzeitigem Ausscheiden?

Es gibt Regelungen in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen, die die Auszahlung des Weihnachtsgeldes davon abhängig machen, dass Arbeitnehmer*innen bis zu einem Stichtag im laufenden Kalenderjahr (z.B. 30.November) noch ungekündigt im Arbeitsverhältnis stehen. Grundsätzlich ist dies zulässig. Im Einzelfall hängt die Zulässigkeit aber davon ab, welcher Zweck mit der Sonderzahlung oder dem Weihnachtsgeld verfolgt werden soll. Möglich sind verschiedene Zwecke. Sollen mit der Zahlung z. B. erhöhte Aufwendungen an Weihnachten ausgeglichen werden, ist die Zahlung unabhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Weihnachtsgeld honoriert Arbeitsleistung – Zahlung darf nicht eingestellt werden

Wird mit der Sonderzahlung auch Arbeitsleistung in der Vergangenheit honoriert, darf der Arbeitgeber bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Leistung nicht vollständig einstellen. Er muss sie dann zumindest anteilig für die während des Bezugszeitraums geleistete Arbeit gewähren; denn der/die Arbeitnehmer*in hat die Arbeitsleistung in diesem Fall zumindest teilweise bereits erbracht. Auf Sonderzahlungen, die Arbeitsleistung belohnen sollen, weisen z. B. Regelungen hin, bei denen die Zahlung vom Erreichen eines bestimmten Betriebsergebnisses abhängig gemacht wird, oder bei denen die Höhe der Leistung einen nicht unwesentlichen Teil der Gesamtvergütung pro Jahr (z. B. 15%) ausmacht.

Weihnachtsgeld belohnt Betriebstreue – Anspruch kann entfallen

Arbeitgeber kann aber mit der Sonderzahlung auch den alleinigen Zweck verfolgen, vergangene oder zukünftige Betriebstreue zu belohnen. Nur in diesem Fall kann der Anspruch entfallen, wenn Arbeitnehmer*innen vorzeitig ausscheiden, oder das Arbeitsverhältnis zu einem Stichtag bereits gekündigt ist. Für eine Absprache, nach der mit der Zahlung ausschließlich die vergangene bzw. zukünftige Betriebstreue belohnt werden soll, müssen aber deutliche Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag enthalten sein. Fehlt es daran, nimmt die Rechtsprechung an, dass der Arbeitgeber die Leistung zumindest auch für die erbrachte Arbeit in der Vergangenheit gewährt mit der Folge, dass sie beim Ausscheiden vor einem Stichtag oder vor Jahresende nicht (vollständig) entfallen kann. Es ist dann auch unerheblich, wenn die Zahlung in den vergangenen Jahren stets am Ende des Jahres erfolgt ist. Daraus ergibt sich nicht, dass das Arbeitsverhältnis auch bis zu diesem Zeitpunkt bestanden haben muss. Es bedeutet nur, dass der Arbeitgeber bis zu diesem Zeitpunkt spätestens gezahlt haben muss.

Unterschiedliche Auszahlungshöhe schadet nicht

In früheren Entscheidungen hat das BAG angenommen, dass ein Arbeitgeber, der jedes Jahr Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe an seine Arbeitnehmer*innen leistet, damit deutlich macht, dass er jedes Jahr über die Leistung neu und nach seinem Gutdünken entscheiden will. Das sieht das BAG jetzt anders. Ein Arbeitgeber, der in unterschiedlicher Höhe zahlt, verpflichtet sich auch zu zukünftigen Zahlungen; er macht nur deutlich, dass er die jeweilige Höhe der Leistung jedes Jahr neu festsetzen will. Das kann er dann aber auch nicht nach Belieben tun; er muss vielmehr seine Kriterien offenlegen. Außerdem muss die Festsetzung billigem Ermessen entsprechen. Ob dies der Fall ist, kann gerichtlich überprüft werden. 

Ob die Kriterien im Fall des Bauleiters zu billigen sind, konnte das BAG noch nicht entscheiden, weil der Sachverhalt dazu näher aufgeklärt werden muss. Diese Aufgabe kommt nun dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zu, das über den Fall bereits einmal entschieden hatte, und an das das BAG das Verfahren wieder zurückverwiesen hat.

Das vollständige Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.05.2015 können Sie hier nachlesen.


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