Eine Klausel im Arbeitsvertrag, die den Arbeitgeber berechtigt, die Höhe einer freiwilligen Weihnachtsgratifikation jährlich neu festzulegen, hält der Kontrolle für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) regelmäßig stand. Die Festlegung muss aber »nach billigem Ermessen« erfolgen und kann gerichtlich überprüft werden.

Der Fall:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung restlicher Weihnachtsgratifikationen für die Jahre 2007 bis 2010 in Anspruch. Der Kläger trat im Jahre 1995 in die Dienste der Arbeitgeberin, die ein Unternehmen für Maschinenbau betreibt. Er arbeitete bis zu seinem Ausscheiden im Januar 2012 als Zerspanungsmechaniker. Seine monatliche Vergütung betrug rund 3.000,00 EUR brutto.

In § 6 Absatz 4 des Arbeitsvertrages war unter anderem geregelt, dass der Arbeitgeber die Höhe der Weihnachtsgratifikation, die im Unternehmern gezahlt wird, »jeweils pro Jahr« festlegen kann. Dem Arbeitnehmer sollte ab einer Betriebszugehörigkeit von mindestens sechs Monaten 50 %, ab zwölf Monaten 100 % der Gratifikation erhalten.

Das Weihnachtsentgelt des Klägers entwickelte sich langsam abwärts: 2001 betrug das Weihnachtsgeld rund 55 % des Monatsgrundlohns. 2002 und 2003 jeweils 40 %. 2004 setzte der Arbeitgeber 31,4 % und 2005 noch 25 % des damaligen Grundlohns fest. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 524,00 EUR brutto, 2008 in Höhe von 393,00 EUR brutto. 2009 und 2010 wurde »wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage« gar kein Weihnachtsgeld gezahlt. 2010 als »kleines Dankeschön« zwei Tankgutscheine über je 25 Liter Kraftstoff.

Der Kläger ist der Ansicht, die Regelung im Arbeitsvertrag benachteilige ihn unangemessen und sei unwirksam. An ihre Stelle müsse die in der Metallindustrie branchenübliche Regelung treten, die ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes vorsehe. Daraus ergebe sich - nach Abzug der bereits erbrachten Leistungen für den Zeitraum 2007 bis 2010 eine Summe von 4.847,00 EUR brutto.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG Hamm, Urteil vom 24.11.2011 Aktenzeichen 8 Sa 1021/11) wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung:

Das BAG wies die Revision des Arbeitnehmers ab. Ein Anspruch des Klägers auf den geltend gemachten Betrag besteht nicht, weil § 6 des Arbeitsvertrages zwar einen Anspruch auf die Gratifikation einräumt, aber keine bestimmte Höhe für die Sonderzahlung festlegt.

Die Vertragsbestimmung gewährt dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Deren Höhe legt der Vertrag selbst nicht fest. Für derartige Vertragsregelungen legt § 315 Abs. 1 BGB fest, dass die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfolgen muss. Unterlässt der Arbeitgeber es, einen Betrag festzulegen, oder verzögert dies, kann der Arbeitnehmer die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen vom Gericht festsetzen lassen (§ 315 Abs. 3 BGB).
Ein Anspruch entsteht auch nicht durch § 612 BGB (Anspruch auf Vergütung) in Verbindung mit tariflichen den Vorschriften über Sonderzahlungen, entschied das BAG. Denn ein solcher Anspruch wäre nur möglich, wenn die arbeitsvertraglichen Regelung zur Weihnachtsgratifikation wirksam ist. § 6 des Arbeitsvertrags hält jedoch auch der Inhaltskontrolle für allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in §§ 307 ff BGB stand.
Die Vereinbarung stelle keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB dar, denn das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB fällt nicht unter diese Vorschrift. Die vertragliche Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vertragsklausel ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligen würde.

Die Auffassung des Klägers sei zwar nachvollziehbar, dass sich aus der Klausel nicht erkennen lässt, wie hoch insgesamt sich letzten Endes die vertraglichen Zahlungen belaufen werden. Die mit der Regelung verbundene Ungewissheit ist aber regelmäßig hinnehmbar, insbesondere in den Fällen, in denen eine Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig ist.
Die Frage, ob die gezahlte Vergütung in den Jahren 2007 bis 2010 der Billigkeit entsprach, war nach Ansicht des BAG nicht zu entscheiden, weil der Kläger sich im gesamten Verfahren nur auf die Unwirksamkeit der Vertragsklausel berufen, aber keine Festsetzung nach Billigkeit verlangt (§ 315 Abs. 3 BGB) hatte.

Folgen für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in vielen – auch hier schon besprochenen – Entscheidungen die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestärkt, wenn es um undurchsichtige und benachteiligende Vertragsklauseln ging. Sehr kurz dargestellt, hält das BAG Vertragsklauseln über Sonderzahlungen dann für unwirksam, wenn sie scheinbar einen zusätzlichen Lohn für erbrachte Leistungen versprechen, dieses Versprechen dann vom Arbeitgeber nicht eingehalten werden muss. So hat der 10. Senat des BAG vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte, die alle zukünftigen Leistungen erfassen sollen, für unzulässig erachtet. Mit einer Freiwilligkeitsklausel behält sich der Arbeitgeber vor, nach eigenem Willen zu entscheiden, ob er eine Gratifikation oder Sonderzahlung überhaupt erbringt.

In diesem Fall bewertet der Senat die Klausel anders. Der Arbeitgeber sagt zwar dem Grunde nach eine Weihnachtsgratifikation zu, hält sich aber deren Höhe ausdrücklich offen.
Der Arbeitgeber darf demnach die Höhe der Gratifikation selbst bestimmen. Dies erlaube das Gesetz in § 315 BGB nach Ansicht des BAG.
Der Arbeitgeber muss die Höhe aber wenigstens nach billigem Ermessen bestimmen. Billig bedeutet nicht gleich kostengünstig, sondern unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen. Dazu gehört besonders die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers. Zahlt der Arbeitgeber gar nichts oder nur wenig, obwohl er sich mehr leisten könnte, kann der Arbeitnehmer dies durch das Arbeitsgericht überprüfen lassen. Der Arbeitgeber müsste dann nach den Regeln der abgestuften Darlegungslast seine Fähigkeit zur Zahlung der Gratifikation darlegen, also letztlich seine wirtschaftlichen Verhältnisse.

Doch welcher Arbeitnehmer kann vor einer Klage absehen, ob der Arbeitgeber wirklich zu wenig geleistet hat? Oder wer will auf den reinen Verdacht hin seinen Arbeitgeber verklagen? Hier könnte der Betriebsrat helfen und den Arbeitgeber zu Verhandlungen darüber auffordern, welche wirtschaftlichen Daten herangezogen werden, um die Höhe der Gratifikation „nach billigem Ermessen“ zu bestimmen. Es könnte vielleicht sogar eine Einigung erfolgen, welche Höhe der Gratifikation angemessen ist.
Doch Achtung: Eine Betriebsvereinbarung über eine Gratifikation wäre im hier besprochenen Fall nach § 77 Abs. 3 BetrVG unzulässig. Denn der Tarifvertrag für die Metallindustrie gilt hier zwar mangels Vereinbarung nicht, ist aber branchenüblich.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.01.2013, 10 AZR 26/12