Keine Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschaftsbetrieb
Keine Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschaftsbetrieb


Seit 1976 ist die Klägerin als Krankenschwester bei der Universitätsklinik beschäftigt. 1992 haben das Universitätsklinikum und ein gemeinnütziger Verein für chronisch Nierenkranke  für die ambulante Versorgung von Dialysepatienten ein Nierenzentrum gegründet.
 

Arbeitsagentur segnet (unzulässige) Arbeitnehmerüberlassung ab


Ihre Zusammenarbeit haben sie in einer Kooperationsvereinbarung festgelegt. Nach dieser Vereinbarung nehmen beide Beklagte konkret bestimmte Aufgaben wahr. Die Weisungsbefugnisse wurden dementsprechend untereinander aufgeteilt.
 
Seit Mai 1994 wurde die Klägerin ausschließlich im Nierenzentrum eingesetzt. 2011 beantragte der Verein eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und schloss nach einer Prüfung durch die Arbeitsagentur mit der Klägerin im Juni 2013 eine Zusatzvereinbarung für Leiharbeitnehmer ab.

In dieser Zusatzvereinbarung erklärte sich die Klägerin bereit, mit Wirkung ab Januar 2013 ihre Arbeitsleistung im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) vorübergehend auch bei Drittbetrieben zu erbringen. Als Vergütung wurde das Arbeitsentgelt des Entleihers vereinbart.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von dem Verein, hilfsweise vom Universitätsklinikum, die Zahlung des Arbeitsentgelts nach den beim Klinikum angewandten Tarifverträgen. Der Klage war weder vor dem Arbeitsgericht, noch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg beschieden.
 

Kein Anspruch auf tarifliches Entgelt


Die 5. Kammer des LAG Mecklenburg-Vorpommern kam in ihrer Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung des Entgelts aus den bei dem Klinikum angewandten Tarifverträgen hat. Denn die Klägerin sei zu keiner Zeit als Leiharbeitern im Sinne des AÜG tätig gewesen.
 

Tätigkeit in gemeinsamen Betrieb spricht nicht für Arbeitnehmerüberlassung


Im vorliegenden Fall handele es sich, so das LAG, nicht um eine Arbeitnehmerüberlassung, sondern um eine Tätigkeit eines Arbeitnehmers in einem gemeinsamen Betrieb. Dies sei voneinander abzugrenzen.

Die Klägerin wurde in einem Gemeinschaftsbetrieb entsandt, zu dessen gemeinsamer Führung sich die beiden Beklagten rechtlich verbunden haben. Dies könne auch stillschweigend erfolgen.

Für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs mehrerer Unternehmen sei charakteristisch, dass die vorhandenen Betriebsgüter für einen einheitlichen Zweck eingesetzt werden und das Personal von einem einheitlichen Leistungsapparat gesteuert wird.
 

Entscheidungsgründe des LAG:


Der Verein als Vertragsarbeitgeber der Klägerin und das Klinikum führen das Nierenzentrum gemeinsam. Es besteht somit ein einheitlicher Leitungsapparat. Die Führung des Personals liege nicht ausschließlich beim Klinikum. Überdies setzten Beide Personal für das Nierenzentrum ein und stellen sächliche Betriebsmittel bereit.

Das Klinikum bringe Dialysegeräte ein. Der Verein stelle das Grundstück zur Verfügung. Auch sei die Zusammenarbeit zur Verbesserung der ambulanten Versorgung der nierenkranken Patienten im Interesse beider Beteiligten. Sie haben in dem Kooperationsvertrag eine gleichberechtigte Zusammenarbeit vereinbart und die Weisungsbefugnisse gerecht aufgeteilt.

Aus alledem ergebe sich, so das Berufungsgericht, dass die Klägerin keinen Anspruch gegenüber dem Klinikum auf Zahlung des Arbeitsentgelts aus den bei ihm angewandten Tarifverträgen habe. Denn das Klinikum sei nicht Arbeitgeber der Klägerin. Eine Arbeitnehmerüberlassung liege somit nicht vor.


Link zum vollständigen Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern 13.06.2017, 5 Sa 209/16:

Rechtliche Grundlagen

§ 1 Abs. 1 Satz 1 und § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG

§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG, Erlaubnispflicht

(1) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis.


§ 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG in der vor dem 01.04.2017 geltenden Fassung:

(4) Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.