Wer haftet, wenn das ein Dienstwagen war? Copyright by Vlad Kochelaevskiy/fotolia.
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Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 09.10.2018 beschäftigt.
 

Dienstwagen aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen

Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten als Assistentin der Geschäftsführung. Entsprechend der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihres Arbeitsvertrags stellte der Beklagte ihr einen Dienstwagen zur Verfügung. Sie durfte ihn auch zu privaten Zwecken  nutzen.
 
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war unter anderem geregelt:
„Der Arbeitnehmer haftet für alle vorsätzlich verursachten Beschädigungen des Kraftfahrzeuges auf Schadensersatz. Das gilt auch für Fälle grob fahrlässig verursachter Beschädigungen . . .
Bei anderen fahrlässig verursachten Schäden ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich angemessen am Schaden zu beteiligen, nicht aber in Fällen lediglich leichter Fahrlässigkeit.“

 

Zwei Unfälle

In den Jahren 2016 und 2017 verursachte die Klägerin zwei Verkehrsunfälle. Beim ersten Mal fuhr sie auf dem Weg zur Arbeit so nahe an einem parkenden Auto vorbei, dass sich die Außenspiegel berührten. Beim zweiten Mal stieß sie auf dem Heimweg beim Ausparken auf ein anderes Auto.
 

Arbeitgeber verlangt Schadensersatz

Der Arbeitgeber machte geltend

  • den Schaden am eigenen Auto
  • die Kosten eines Gutachtens
  • den Schaden, der dadurch entstanden ist, dass die Versicherung die Prämie erhöht hat.

Insgesamt  belief sich der Schaden auf 1.520,26 Euro.
 
Die Beklagte behielt deshalb insgesamt 638,68 Euro von Entgelt der Klägerin ein. (Unter anderem) diesen Betrag machte die Klägerin beim Arbeitsgericht geltend.
 

Umfang der Haftung

Arbeits- wie Landesarbeitsgericht stellten fest, dass die Beklagte alle Schadenspositionen zu Recht geltend macht.
Für den Schaden am Auto der Beklagten sei das unproblematisch. Aber auch die Kosten für das Gutachten gehören zum ersatzfähigen Schaden. Etwas anderes gelte nur, wenn der Geschädigte in der Lage sei, seinen Schaden selbst zu beziffern. Die Beklagte habe keine eigene Kfz-Werkstatt. Deshalb könne sie die Höhe des Schadens nicht selbst ermitteln. Den Schaden, der aus der Rückstufung durch die Versicherung entstanden sei, habe die Klägerin ebenfalls verursacht und müsse  ihn deshalb auch ersetzen.
 

Argumentation der Klägerin

Zum einen berief sich die Klägerin darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Grundsatz der beschränkten Arbeitnehmerhaftung gelte.

Vergleiche dazu:
Arbeitnehmerhaftung - Wer zahlt, wenn's scheppert?

Zu anderen vertrat sie die Auffassung, ihr sei nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Und dafür sei eine Haftung nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen.
 

Ist der Grundsatz der beschränkten Arbeitnehmerhaftung anwendbar?

Diese Frage hat das Landesarbeitsgericht verneint. Die Anwendung der Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung setzte ein betrieblich veranlasstes Handeln des Arbeitnehmers voraus. Betrieblich veranlasst seien nur solche Tätigkeiten von Arbeitnehmer*innen, die der Arbeitgeber ihnen arbeitsvertraglich übertragen habe oder die sie im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführen.
Ereigne sich ein Unfall auf der Heimfahrt von der Arbeit oder auf der Fahrt zur Arbeit,  liege keine betriebliche Tätigkeit vor. Deshalb sei eine Haftungserleichterung nicht gerechtfertigt. Denn die Situation sei nicht anders zu beurteilen als wenn sich Arbeitnehmer*innen das Fahrzeug von einem anderen Dritten geliehen hätten, um ihre Arbeit aufnehmen zu können.
 

Nur leichte Fahrlässigkeit?

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Klägerin mittlere Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Leichte Fahrlässigkeit sei lediglich bei einem typischen Abirren, einem „Sich-Vergreifen“ oder „Sich-Vertun“ anzunehmen. Nach dem Vortrag der Beklagten im Prozess ergebe sich, dass die Klägerin 2016 den Mindestabstand zwischen den beiden Fahrzeugen beim Vorüberfahren erheblich unterschritten haben muss. Im Jahr 2017 habe sie die Lenkung nach rechts viel zu früh eingeschlagen.

Die Klägerin äußerte sich zu diesen Vorwürfen nicht. Deshalb musste das Landesarbeitsgericht die Vorwürfe als zugestanden werten. Das so festgestellte Verhalten sei mehr als ein einfaches „Sich-Vertun“. Deshalb liege keine leichte, sondern mittlere Fahrlässigkeit vor. Daraus und aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen folge, dass sich die Klägerin „angemessen“ am Schaden beteiligen muss. „angemessen sei unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles eine hälftige Beteiligung der Klägerin. Das habe die Beklagte berücksichtigt, als sie 638,68 Euro von Entgelt der Klägerin einbehielt.
 
Hier geht es zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 09.10.2018, Az: 6 Sa 75/18