Wegen zu erwartenden Kontakts mit schädigenden Stoffen erklärte der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages. © Adobe Stock: VisualProduction
Wegen zu erwartenden Kontakts mit schädigenden Stoffen erklärte der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages. © Adobe Stock: VisualProduction

Arbeitgeber müssen die Tätigkeiten schwangerer Mitarbeiterinnen so gestalten, dass die Gesundheit von Mutter und Kind nicht gefährdet wird. Schwangere dürfen beispielsweise nicht regelmäßig mehr als fünf Kilogramm heben, sie dürfen auch nicht mit giftigen oder gefährlichen Stoffen arbeiten. Verboten ist langes Stehen und es gibt Einschränkungen für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen. Ärzte dürfen außerdem ein Beschäftigungsverbot aussprechen.

 

Auf Grund dessen haben Arbeitgeber durchaus ein Interesse daran, zu wissen, wenn eine Mitarbeiterin schwanger wird. Doch wie weit geht die Offenbarungspflicht? Wann muss die Mitarbeiterin tatsächlich Bescheid geben – und gilt das alles auch bei der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses?

 

Das Arbeitsgericht Mainz erläutert die Rechtslage

 

Vor dem Arbeitsgericht Mainz klagte eine Frau, die in Spanien den Beruf der Chemielaborantin erlernt hatte. Sie bewarb sich auf die Stelle eines Unternehmens in Rheinland-Pfalz, welches im Bereich der Umweltanalytik tätig ist und unter anderem sogenannte chemische Standards für die organische Rückstandsanalytik vertreibt und produziert. Mit dem Unternehmen vereinbarte sie eine 6-monatige praktische Anpassungsqualifizierung für die Anerkennung des in Spanien erworbenen Abschlusses und nahm diese Tätigkeit auch vereinbarungsgemäß auf. Die monatliche Vergütung hierfür belief sich auf 2.300 € brutto.

 

Von ihrer Schwangerschaft berichtete sie dem Arbeitgeber erst zwei Wochen nach Tätigkeitsaufnahme. Das veranlasste den Arbeitgeber, den geschlossenen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das Arbeitsverhältnis kündigte er obendrein und sprach ein betriebliches Arbeitsverbot aus.

 

Die Frau erhob Klage

 

In dem anschließend von Hans-Dieter Hartig aus dem DGB Rechtsschutzbüro Mainz eingeleiteten Kündigungsschutzprozess wies die Klägerin darauf hin, im Vorstellungsgespräch sei ihr erläutert worden, dass mit Pestiziden gearbeitet werde, die aufgrund ihrer niedrigen Konzentration nicht schädigend seien. Die Konzentration wäre ungefähr so hoch, wie sie auch in einem Tomatenstock vorkomme.

 

Am Probearbeitstag seien ihr nicht speziell ins Detail gehend die jeweiligen Chemikalien vorgestellt und es sei auch nicht ausdrücklich auf ganz besondere Sorgfaltspflichten bei der Arbeit aufgrund potenziell gefährdender Auswirkungen hingewiesen worden. Die Hinweise hätten sich auf das Tragen von Handschuhen und des Laborkittels beschränkt. Da im Labor auch zwei erfahrene Kollegen nicht einmal mit Kittel arbeiteten, habe die Klägerin den Eindruck gewonnen, dass die Arbeit jedenfalls in diesem Labor völlig ungefährlich und nicht fruchtschädigend sei. Es habe keine Hinweise auf eine Gesundheitsgefährdung gegeben.

 

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Klägerin auf Grund ihrer Ausbildung in Spanien sehr wohl gewusst haben musste, dass die Stoffe, mit welchen sie arbeiten sollte, gefährlich seien. Sie habe auch eine allgemeine Sicherheitsunterweisung erhalten.

 

Die Kündigung ist wegen Verstoßes gegen § 17 MuSchG unwirksam

 

Nach§ 17 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist.

 

Etwas anderes gelte nur, wenn eine Ausnahmegenehmigung durch die oberste Landesbehörde für den Arbeitsschutz vorliege, so bestimme es § 17 Abs. 2 MuSchG. Das sei nicht der Fall, so das Arbeitsgericht.

 

Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis auch nicht wirksam angefochten. Es spiele dabei keine Rolle, ob der Arbeitgeber den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten habe oder ob es sich nicht doch um eine Anfechtung wegen Irrtums handele. Über beides war im Verfahren diskutiert worden. Die Anfechtungserklärung habe die Beklagte nämlich erst weit außerhalb der gesetzlichen Frist abgeschickt.

 

Nach § 121 Abs. 1 BGB ist eine Anfechtung nur dann rechtzeitig erfolgt, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern unverzüglich erklärt wird. Die Beklagte habe mit der Anfechtung 20 Tage gewartet, was eindeutig zu spät sei.

 

Eine arglistige Täuschung lag nicht vor

 

Die Beklagte sei auch nicht zur Anfechtung berechtigt gewesen, da eine arglistige Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB nicht vorliege.

 

§ 123 Abs. 1 BG lautet:

 

„Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten“.

 

Sei eine Täuschung für den Abschluss eines Vertrages ursächlich, dürfe der Arbeitgeber den Vertrag anfechten, erläutert das Gericht. Die Beantwortung einer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage könne eine derartige Täuschung darstellen. Das Verschweigen von Tatsachen, nach denen nicht gefragt werde, stelle demgegenüber nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht bestehe.

 

Arglistig sei die Täuschung, wenn die Täuschende wisse oder billigend in Kauf nehme, dass ihre Behauptung nicht der Wahrheit entspreche und eine unterlassene Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber hervorrufen könne. Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genüge insoweit nicht.

 

Die Klägerin täuschte nicht arglistig

 

Eine Offenbarungsverpflichtung habe die Klägerin bei Vertragsschluss auch in Anbetracht der nur befristet in Aussicht genommenen 6-monatigen Anpassungsqualifizierung nicht getroffen. Dem stehe schon der Schutz vor Diskriminierung entgegen.

 

Die Nichteinstellung einer schwangeren Bewerberin aus diesem Grund führe zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechtes im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Selbst die Beklagte nehme für die Anbahnung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses eine Offenbarungspflicht nicht an. Für ein befristetes Arbeitsverhältnis gelte aber nichts anderes, denn europäisches Recht wolle jede Benachteiligung wegen des Geschlechts unabhängig von den Interessen eines Arbeitgebers verhindern.

 

Eine Offenbarungspflicht bestehe nur sofern es der Klägerin lediglich darum gegangen wäre, den formalen Status als Arbeitnehmerin zu erhalten mit dem ausschließlichen Ziel, finanzielle Vorteile zu erlangen. Verlange man eine weitere Offenbarungspflicht, würde der Schutz vor geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Einstellung unzulässig und europarechtswidrig verkürzt.

 

Der EuGH hat sich auch mit der Offenbarungspflicht befasst

 

Dazu habe der EuGH entschieden, der finanzielle Nachteil der einem Arbeitgeber im Falle der Einstellung einer Schwangeren während deren Mutterschaftsurlaub bzw. dadurch entstehe, dass die Arbeitnehmerin während der Dauer ihrer Schwangerschaft nicht auf dem betreffenden Arbeitsplatz beschäftigt werden dürfe, rechtfertige nicht die Verweigerung einer Einstellung wegen Schwangerschaft.

 

Weiter schreibt der EuGH:

 

„An dieser Auslegung ändert es nichts, dass der Arbeitsvertrag auf bestimmte Zeit geschlossen wurde. Da nämlich die Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt und zwar unabhängig von der Art und dem Umfang des wirtschaftlichen Schadens, der dem Arbeitgeber durch die schwangerschaftsbedingte Fehlzeit entsteht, ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Entlassung diskriminierenden Charakter hat, unerheblich, ob der Arbeitsvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen wurde. In beiden Fällen beruht die Unfähigkeit der Arbeitnehmerin, den Arbeitsvertrag zu erfüllen, auf der Schwangerschaft. Außerdem ist die Dauer eines Arbeitsverhältnisses höchst ungewiss. Selbst die Dauer - als solche ganz unterschiedlich - eines befristeten Arbeitsverhältnisses steht nicht von vornherein fest, da es erneuert oder verlängert werden kann.“

 

Die Argumente der Beklagten liefen ins Leere

 

Die Klägerin habe sich den Status einer Arbeitnehmerin und damit eine Krankenversicherung erschleichen wollen, meinte die Beklagte. Diese Aussage war für das Arbeitsgericht nicht überzeugend. Auch für die Annahme einer Offenbarungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht sah das Gericht keinen Grund.

 

Weil eine Offenbarungspflicht nicht bestanden habe, komme auch eine Anfechtung des Arbeitsvertrages durch die Beklagte wegen arglistiger Täuschung nicht in Betracht.

 

Die Klägerin erhielt daraufhin ihre Vergütung für die vertraglich vereinbarte Laufzeit der Qualifizierungsmaßnahme von sechs Monaten. Der Wermutstropfen: die Maßnahme ist beendet und damit auch die gewünschte Qualifizierung. Das lässt sich aber sicher später noch einmal nachholen. Ein Grund, sich über das Prozessergebnis insgesamt zu freuen!

 

Rechtliche Grundlagen

§ 17 MuSchG

§ 17 Kündigungsverbot
(1) Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig
1. während ihrer Schwangerschaft,
2. bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und
3. bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung,
wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft.
(2) Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der Schriftform und muss den Kündigungsgrund angeben.
(3) Der Auftraggeber oder Zwischenmeister darf eine in Heimarbeit beschäftigte Frau in den Fristen nach Absatz 1 Satz 1 nicht gegen ihren Willen bei der Ausgabe von Heimarbeit ausschließen; die §§ 3, 8, 11, 12, 13 Absatz 2 und § 16 bleiben unberührt. Absatz 1 gilt auch für eine Frau, die der in Heimarbeit beschäftigten Frau gleichgestellt ist und deren Gleichstellung sich auch auf § 29 des Heimarbeitsgesetzes erstreckt. Absatz 2 gilt für eine in Heimarbeit beschäftigte Frau und eine ihr Gleichgestellte entsprechend.