Ganz so siegessicher konnte sich der Arbeitgeber im Schweriner Prozess nicht in Position bringen. © Adobe Stock: cherdchai
Ganz so siegessicher konnte sich der Arbeitgeber im Schweriner Prozess nicht in Position bringen. © Adobe Stock: cherdchai

Jörg Szepoks aus dem DGB Rechtschutzbüro Schwerin setzte sich ohne große Schwierigkeiten beim Arbeitsgericht durch. Sein Mandant hatte nach zweijähriger Beschäftigungszeit in der Weihnachtszeit eine Kündigung erhalten. Wenige Tage zuvor war er erst aus der Elternzeit zurückgekehrt.

 

Sein Arbeitgeber, der hochgradig automatisiert milchalternative Produkte herstellt, unterhält drei Produktionsabteilungen, die Herstellung, die Abfüllung und die Palettierung. Die Herstellungsabteilung wiederum gliedert sich in drei weitere Unterbereiche. Der Kläger arbeitet im Bereich Technik und ist übergreifend in allen Bereichen eingesetzt. Er reagiert, wenn Anlagenbediener:innen einer Produktions- oder Verpackungsanlage ihn alarmieren, um einen von der Anlage angezeigten Fehler zu beheben.

 

Wartung und Instandhaltung sind Hauptaufgabe des Klägers

 

Darüber hinaus hat der Kläger die Aufgabe, sämtliche Anlagen vorbeugend instand zu halten und zu warten. Neben dem Kläger sind weitere zehn Mitarbeiter:innen einschließlich des Leitungspersonals im Bereich Technik beschäftigt.

 

Im Juli 2022 traf die Beklagte die Entscheidung, die wöchentliche Produktionsmenge um mehr als ein Drittel herabzusetzen. In der 3. Kalenderwoche 2023 lag das Produktionsvolumen sogar nur bei der Hälfte der bisherigen Produktionsmenge. In der 4. Kalenderwoche war das Ziel erreicht. In der in der 7. Kalenderwoche lag es dann jedoch wieder über dem vorgegebenen Ziel. Letzteres Ergebnis veröffentlichte die Beklagte ausweislich eines betriebsöffentlichen Aushangs auch als anzustrebende Abfüllleistung und Wochenmenge.

 

Während der Elternzeit entschloss sich der Arbeitgeber zur Kündigung

 

Der Arbeitgeber hörte den Betriebsrat Anfang Dezember 2022 zur Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat versagte die Zustimmung unter Hinweis darauf, dass der Mann sich zum Zeitpunkt der Anhörung noch in Elternzeit befunden hatte, die weiteren Mitarbeiter im Bereich der Technik über ein erhebliches Stunden-Guthaben verfügten und der Kläger eine höhere Betriebszugehörigkeit als vergleichbare Mitarbeiter aufweist. Zudem waren die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers nach Ansicht des Betriebsrates nicht berücksichtigt worden.

 

Dennoch erhielt der junge Mann die Kündigung. Die konnte einer rechtlichen Prüfung jedoch nicht standhalten, weil dem Arbeitgeber dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes nicht zur Seite standen.

 

Betriebliche Erfordernisse können sich aus innerbetrieblichen Umständen, etwa Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion oder durch außerbetriebliche Gründe, etwa Auftragsmangel oder Umsatzrückgang, ergeben, so das Arbeitsgericht. In der Regel entsteht dabei das inner- oder außerbetrieblich veranlasste Erfordernis für eine Kündigung nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usw.), sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche oder technische Entwicklung veranlasste, freie unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers.

 

Die Prüfung durch das Arbeitsgericht ist nur eingeschränkt möglich

 

Prüfen darf das Arbeitsgericht dabei nur die Frage, ob die herangezogenen, betrieblich erforderlichen inner- oder außerbetrieblichen Gründe tatsächlich vorliegen und ob sie zum Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses einzelner Arbeitnehmer:innen geführt haben.

 

Die Unternehmerentscheidung selbst unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Sie darf lediglich darauf überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Auch ihre wirtschaftliche, technische und organisatorische Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit sind nicht Gegenstand der Prüfung. Das ist herrschende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

 

In seiner weiteren Urteilsbegründung stützt sich das Arbeitsgericht Schwerin auf die ständige Rechtsprechung. Reduziert sich danach die Organisationentscheidung zur Personalreduzierung praktisch auf die Kündigung als solche, kommt also die Organisationentscheidung dem Entschluss zur Kündigung selbst nahe oder deckt sie sich mit ihm, sind diese beiden Entscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden.

 

Es bedarf einer zusätzlichen Begründung durch den Arbeitgeber

 

Diese Nähe zum bloßen Kündigungsentschluss stellt erhöhte Anforderungen an den Tatsachenvortrag des Arbeitgebers, so das Arbeitsgericht weiter. Seien die Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich, könne nicht von vorne herein vermutet werden, dass die Unternehmerentscheidung aus sachlichen Gründen erfolgt sei.

 

In diesen Fällen muss der Arbeitgeber also darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten – im Fall des Klägers die Wartung und Instandsetzung der Maschinen – zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess dazu konkrete Angaben machen.

 

Dieser strengere Maßstab soll insbesondere dann gelten, wenn sich die Unternehmerentscheidung letztlich auf den Wegfall eines einzelnen, konkreten Arbeitsplatzes zurückführen lässt. Die Beklagte habe dem nicht genügt, entschied das Gericht, denn die unternehmerische Entscheidung sei Mitte 2022 getroffen worden und es habe sich Anfang 2023 gezeigt, dass die Produktionsmenge nicht in dem Maße gesenkt worden sei, wie ursprünglich vorgegeben war.

 

Der Arbeitgeber konnte nicht liefern

 

Die Unternehmerentscheidung war damit aus Sicht der erkennenden Kammer nicht nachhaltig umgesetzt. Sie äußert auch einen erheblichen Zweifel daran, dass der Arbeitskräftebedarf im Bereich, in dem der Kläger eingesetzt ist, im unmittelbaren Zusammenhang mit oder in Abhängigkeit von der wöchentlichen Produktionsmenge steht.

         

Schließlich habe die Beklagte auch die Sozialauswahl nicht korrekt vorgenommen, denn es gab einen Mitarbeiter der keine Unterhaltspflichten hatte und noch nicht so lange beschäftigt war wie der Kläger.