Der Arbeitgeber kann eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung nicht ohne Weiteres auf den Wegfall einer Hierarchieebene stützen. In solchen Fällen gelten erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast.

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?


Der Betriebsrat hatte der Kündigung mit der Begründung widersprochen, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers nicht weggefallen seien.

In der Kündigungsschutzklage vertritt der Kläger die Auffassung, dass kein dringendes betriebliches Erfordernis für seine Entlassung vorliege. Sein Arbeitsplatz sei bei im Wesentlichen gleich bleibenden Aufgaben lediglich neu besetzt worden. Eine Verlagerung bisher durch ihn erledigter Aufgaben auf andere Arbeitnehmer sei nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen.

Der beklagte Arbeitgeber rechtfertigt die Kündigung mit der unternehmerischen Entscheidung, Produktionsstandorte zusammenzulegen sowie Funktionen und Zuständigkeiten zu bündeln. Die Stelle des Klägers sei dabei weggefallen, deshalb sei er nicht verpflichtet, den Kläger weiter zu beschäftigen.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Das BAG hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht wirksam aufgelöst wurde. Zur Begründung führt das Gericht im Wesentlichen aus, dass die ordentliche Kündigung mangels eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sei.
Insbesondere liege keine hinreichende innerbetriebliche, organisatorische Maßnahme des Arbeitgebers vor. Zwar prüfe das Gericht nicht die hinter einer solchen Maßnahme stehende unternehmerische Entscheidung, wohl aber deren tatsächliche Umsetzung.
Im hier zu entscheidenden Fall sei es dem Arbeitgeber nicht gelungen, überzeugend zu verdeutlichen, ob und wie seine zur Begründung der Entlassung angeführten Entscheidung konkret umgesetzt werde.
Er habe nicht hinreichend konkret erläutert, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen sollen.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. So oder in ähnlicher Form werden alle fast alle Urteile eingeleitet, die sich mit einer betriebsbedingten Kündigung befassen. Der zentrale Gedanke, der dieser Formel zugrunde liegt, ist, dass die Kündigung selber nur die Folge einer unternehmerischen Entscheidung ist. Die Kündigung selber kann daher nicht die unternehmerische Entscheidung selbst sein. Das BAG billigt dem Unternehmer sodann zwar ein großes Maß an Freiheit zu, sein Unternehmen zu gestalten und die Konsequenzen für die Anzahl der Arbeitsplätze zu bestimmen. Fallen aber unternehmerische Entscheidung und Kündigungsentschluss praktisch zusammen, wie etwa bei Schließung einer Abteilung mit nur einem Arbeitnehmer, dann steigen die Anforderungen an den Arbeitgeber, die sachliche Rechtfertigung oder die Zweckmäßigkeit der Maßnahme darzulegen.
Auch wenn Arbeitsplätze abgebaut werden, kann der Umfang der Begründungspflicht für den Arbeitgeber daher sehr unterschiedlich sein. Aus diesem Grunde ist Betriebsräten immer wieder davon abzuraten, im Interessenausgleiche durch die Vereinbarung einer Namensliste die Möglichkeiten in einer Kündigungsschutzklage, leichtfertig zu verschlechtern. Wird durch den Abschluss einer solchen Namensliste das Vorliegen der unternehmerischen Entscheidung vermutet, sinken die Erfolgsaussichten gegen eine solche Kündigung dramatisch.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.05.2012, 5 AZR 124/11