Nicht immer ist der Insolvenzverwalter zu verklagen, Hans-Martin Wischnath
Nicht immer ist der Insolvenzverwalter zu verklagen, Hans-Martin Wischnath

Nicht in jedem Fall sind Kündigungsschutzklagen gegen den Insolvenzverwalter zu richten - Keine Passivlegitimation des Insolvenzverwalters für Kündigungsschutzklage nach Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO.

 

Nach § 80 Abs. 1 InsO geht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Insolvenzverwalter über. Eine Kündigungsschutzklage ist dann gegen den Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes zu richten. Dies gilt auch dann, wenn die Kündigung noch vom Insolvenzschuldner erklärt wurde.

Übt der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber eine selbständige Tätigkeit aus und gibt der Insolvenzverwalter diese nach § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei, fällt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit Wirksamwerden der Freigabeerklärung auch über die zu diesem Zeitpunkt bereits begründeten Arbeitsverhältnisse an den Schuldner zurück. Ab dann ist der Schuldner und nicht mehr der Insolvenzverwalter passiv legitimiert für eine Kündigungsschutzklage.

Der Kläger war seit 6. Mai 2010 beim Schuldner, der als Einzelunternehmer einen Kurier- und Kleinsttransportbetrieb führte, als Kraftfahrer beschäftigt. Am 15. Mai 2010 kündigte der Schuldner das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich. Am 20. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Einen Tag später erklärte der Beklagte gegenüber dem Schuldner, dass er die von ihm ausgeübte selbständige Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigebe.

Unter Datum vom 1.6.2010 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht Klage ein und wollte gegenüber dem beklagten Insolvenzverwalter festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht fristlos, sondern ordentlich beendet wurde. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. In seiner Entscheidung vom 21.11.2013 kam das BAG zu dem Ergebnis, dass das LAG die Klage zu Recht mangels Passivlegitimation des Insolvenzverwalters abgewiesen hat, da der Kläger die Feststellungsklage gegen seinen früheren Arbeitgeber, den Einzelunternehmer, hätte richten müssen.

Wenn der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit ausübt, die der Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei gegeben hat, fällt nach der BAG – Entscheidung vom 21.11.2013 die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit Wirksamwerden der Freigabeerklärung an den Schuldner zurück, sodass nunmehr der Schuldner und nicht mehr der Insolvenzverwalter passiv legitimiert für eine Kündigungsschutzklage ist.

Rechtliche Grundlagen

Praxistipp

Da nicht in jedem Fall bekannt ist, ob der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit ausübt, die der Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei gegeben hat, empfiehlt es sich im Zweifelsfall Insolvenzverwalter und Schuldner zu verklagen, um nicht Gefahr zu laufen, dass mangels Passivlegitimation des Insolvenzverwalters die Klage abgewiesen wird.