Auch in der Insolvenz müssen sich Arbeitnehmer*innen nicht alles gefallen lassen Copyright by Adobe Stock / shockfactor.de
Auch in der Insolvenz müssen sich Arbeitnehmer*innen nicht alles gefallen lassen Copyright by Adobe Stock / shockfactor.de

Nach einer 30-jährigen Beschäftigung der Klägerin geriet deren Arbeitgeberin in Insolvenz. Der Insolvenzverwalter kündigte ihr Arbeitsverhältnis ebenso wie dasjenige einer Vielzahl anderer Beschäftigter. Wer eine Kündigung erhielt, ergab sich aus einem Interessenausgleich, den der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat des Unternehmens abgeschlossen hatte. Zu diesem Interessenausgleich gehörte auch eine Liste, in welcher namentlich die Beschäftigten aufgeführt waren, deren Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte.

Erfolgreiche Vertretung der Klägerin durch den DGB Rechtsschutz

Die Klägerin zog vor Gericht. Stefan Kirsch, Rechtsschutzsekretär des DGB Rechtsschutzes in Heilbronn, vertrat sie in diesem Verfahren. Er stützte seine Klage insbesondere darauf, dass im Unternehmen keineswegs alle Tätigkeiten eingestellt worden waren. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei auch nicht weggefallen. Im Übrigen könne die Klägerin auch auf anderen Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Trotz Namensliste müsse der Insolvenzverwalter die Regeln der Sozialauswahl bei einer Kündigung beachten.


Die Sozialauswahl muss auch in der Insolvenz richtig durchgeführt werden

Ob dringende betriebliche Gründe für die Kündigung der Klägerin bestanden, ließ das Arbeitsgericht Mannheim in seiner Entscheidung offen. Es gab der Klägerin schon insofern recht, als der Insolvenzverwalter die Sozialauswahl fehlerhaft durchgeführt habe.

Zwar könne die Sozialauswahl bei einem Interessenausgleich mit Namensliste nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten überprüft werden. Dabei spielten auch nur grobe Fehler eine Rolle.


Arbeitnehmer haben ein Auskunftsrecht

Wolle ein Arbeitnehmer sich auf eine fehlerhafte Sozialauswahl beziehen, müsse er zunächst darlegen, inwiefern der Arbeitgeber Fehler bei der Sozialauswahl gemacht habe. Das könne er natürlich nur dann machen, wenn er über die erforderlichen Informationen verfüge. Habe er diese Informationen nicht, könne er den Arbeitgeber verpflichten, hierzu im Prozess Auskünfte zu geben.

Dabei könne der Arbeitnehmer nicht verlangen, dass ihm eine vollständige Auflistung der Sozialdaten aller objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer vorgelegt werde. Der Insolvenzverwalter müsse aber mitteilen, auf welchen Bereich der Organisation er die Sozialauswahl in betrieblicher Hinsicht erstreckt habe. Er müsse außerdem angeben, welche Arbeitnehmer er mit dem klagenden Arbeitnehmer als vergleichbar ansehe. Schließlich habe er die Pflicht, die betrieblichen Interessen offenzulegen, die für seine Kündigung maßgeblich waren.


Gibt der Arbeitgeber keine Auskunft, hat das rechtliche Konsequenzen

Gebe der Arbeitgeber keine vollständige Auskunft, könne der Arbeitnehmer seiner Pflicht im Prozess, sich mit den Gründen für die Kündigung auseinanderzusetzen, nicht nachkommen. In diesen Fällen sei es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer im Prozess behaupte, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er im Betrieb vorhanden.

Mit Hilfe ihres Prozessbevollmächtigten hatte die Klägerin des Verfahrens genau dies getan. Sie gab an, es seien sozial stärkere Arbeitnehmerinnen als sie vorhanden, die Sozialauswahl sei damit willkürlich und fehlerhaft.


Der Insolvenzverwalter hatte nur den Interessenausgleich und die Namensliste vorgelegt

Das Gericht stellte hierzu fest, der Insolvenzverwalter sei im Verfahren seiner Auskunftspflicht nicht nachgekommen. Er habe nur den Interessenausgleich mit Namensliste vorgelegt. Dieser enthalte keine Angaben zu Sozialdaten der Mitarbeiter. Näheres habe der Insolvenzverwalter auch auf das Verlangen der Klägerin, nähere Auskünfte zu erteilen, nicht offengelegt.

Damit sei die Sozialauswahl fehlerhaft, genauso wie es die Klägerin im Verfahren vorgetragen hatte. Der Insolvenzverwalter habe weder vorgetragen, auf welchen Organisationsbereich seines Unternehmens er die Sozialauswahl in betrieblicher Hinsicht erstreckt habe. Er habe außerdem nicht angegeben, welche Arbeitnehmer er mit der Klägerin als vergleichbar ansehe. Die Sozialdaten der vergleichbaren Arbeitnehmer habe er ebenfalls nicht genannt und schließlich habe er nicht erläutert, weshalb er einige „Leistungsträger“ von der Sozialauswahl ausgenommen habe.


Betriebliche Gründe spielten bei der Entscheidung keine Rolle mehr

Aufgrund dessen hielt das Arbeitsgericht die ausgesprochene Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Ob betriebliche Gründe für die Kündigung gegeben waren, konnte es in dieser Situation ausdrücklich offen lassen.

 

 

Das sagen wir dazu:

In der Insolvenz erscheint vieles aussichtslos. Dieser Fall zeigt jedoch, dass es sich durchaus lohnen kann, nach Fehlern des Insolvenzverwalters zu suchen. Sicher wird der überlegen, wie er sich zu einem späteren Zeitpunkt von der Beschäftigten lösen kann. Einige Monate hat diese dann allerdings nach einer 30-jährigen Betriebszugehörigkeit sicher gewonnen. Wenn sie Glück hat, ist doch noch so viel Geld da, dass sie in diesem Zeitraum bezahlt werden kann. Das ist in Insolvenzen natürlich nicht immer so. Manch einer ist aber schon froh, wenn nur etwas mehr an Geld fließt, das die Situation und die Arbeitsplatzsuche erleichtert.