Die fristlose Kündigung einer Pflegekraft, die ihre Hauptleistungspflicht als Nachtwache in schwerwiegender Weise verletzt, ist ohne vorherige Abmahnung möglich.

Eingeschlafen im Fernsehsessel

Die seit ca. sechzehn Jahren als Altenpflegerin in einem Seniorenwohnheim tätige Klägerin wurde seit mehreren Jahren ausschließlich als Nachtwache eingesetzt. 

In der Nacht vom 22. auf den 23.04.2014 wurde die Klägerin um 02:00 Uhr schlafend im Aufenthaltsraum eines Seniorenheims in einem Fernsehsessel angetroffen. Ausgestattet war der Fernsehsessel mit einer verstellbaren Rückenlehne und einem Fußteil. In dem von der Klägerin aufgesuchten Aufenthaltsraum brannte kein Licht, die Tür des zum „Ruheraum“ umgestalteten Aufenthaltsraums war verschlossen. 


Erwischt wurde die Klägerin anlässlich eines nächtlichen Kontrollgangs von der Pflegedienst- und Wohnbereichsleitung, die überdies feststellten, dass die Klägerin bevor sie sich zur Ruhe legte, alle Leistungen, die sie während ihre Nachtdienstes zu erledigen hatte, wie Flüssigkeitszufuhr und Lagerungswechsel der Patienten in den Pflegedokumentationen als erledigt und mit ihrem Handzeichen versehen hatte. Um nicht während ihres unverdienten Schlafs gestört zu werden, hatte die Klägerin die Betten zweier Bewohnerinnen, die außer Lage waren allein aufzustehen, so weit von der Wand gerückt, dass es beiden unmöglich war, die Notklingel zu erreichen.

Beweisaufnahme in der ersten Instanz

In der I. Instanz erfolgte eine Beweisaufnahme, in deren Rahmen die 6. Kammer der Arbeitsgerichts Mainz auch einen Ortstermin im Seniorenheim durchgeführt. In diesem Rahmen wurden auch die Räumlichkeiten besichtigt sowie eine Seniorin, die Wohnbereichsleiterin, die Pflegedienstleiterin und die zweite Nachtwache als Zeugen vernommen. 


Nach der Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass die Klägerin ihre arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht als Nachtwache erheblich verletzt hat. Das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme legte das zweitinstanzliche Gericht seiner Entscheidung zu Grunde. 


Aus Sicht der Beklagten sowie auch aus der Sicht des Arbeitsgerichts und des LAG hatte die Klägerin sich vorsätzlich zur Ruhe gelegt und ihre ungestörte Nachtruhe planvoll vorbereitet.


Zu ihrer Entlastung brachte die Klägerin vor, dass sie mit der zweiten Nachtwache vereinbart habe, dass sie für die Zeit von 01:45 bis 02:15 Uhr ihre Pause nehmen werde und während dieser Zeit durch die Nachtwachen-Kollegin vertreten wird. Die Kollegin bestätigte diesen die Klägerin entlastenden Vortrag am 11.07.2014 zwar gegenüber der Klägerin. Im Rahmen der erstinstanzlichen Zeugeneinvernahme erwies sich jedoch, dass die „Bestätigung“ der Kollegin auf Wunsch der Klägerin zustande kam, es aber tatsächlich keine wie von der Klägerin behauptete Pausenabsprache gab. 

Landesarbeitsgericht bestätigt fristlose Kündigung

Das Arbeitsgericht Mainz – Außenkammern Bad Kreuznach – gab mit Urteil vom 10.10.2014, Az:  6 Ca 412/14 der Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 23.04.2014 statt und wies die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 31.10.2014 ab.

Dagegen kam das LAG zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet, da die Klägerin ihre Hauptleistungspflicht als Nachtwache in schwerwiegender Weise verletzt habe. 

Das LAG ging davon aus, dass durch das Verhalten der Klägerin das Vertrauen der Beklagten, dass die Klägerin ihre Pflichten als Nachtwache zuverlässig erfüllt, in unheilbarer Weise zerstört wurde. Es könne der Beklagten nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. 


Im Hinblick auf die Schwere der Verfehlungen der Klägerin hielt das LAG, auch unter Einbeziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, eine Abmahnung für überflüssig und -  abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung -  die außerordentliche Kündigung der Klägerin für gerechtfertigt.

Anmerkung:

Der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen. Denn wer seine pflegerischen Aufgaben in der Art und Weise vernachlässigt und hierdurch auch Leib und Leben der zu betreuenden Senioren*innen gefährdet, der darf sich nicht wundern wenn ein seit vielen Jahren bestehendes Arbeitsverhältnis durch eine fristlose Kündigung seine Beendigung findet.

Anders wäre das Einschlafen zu bewerten gewesen, wenn die Klägerin vom Schlaf „übermannt“ worden wäre, wie in einem andern Fall, den die DGB-Rechtsschutz GmbH für eine Mitarbeiterin der Deutschen Bahn geführt hat.


Die Arbeitnehmerin hatte zwar zu Dienstbeginn ihrer Zugchefin und ihrer Restaurantleiterin mitgeteilt, ihr ginge es nicht gut, sich aber nicht beim zuständigen Service-Center arbeitsunfähig gemeldet. Die Restaurantleiterin ihr hatte zugesagt, sie zu wecken, sobald der Bistrobetrieb es erfordert, was aber nicht geschah.


Das Arbeitsgericht Köln sah die ordentliche Kündigung trotz mehrerer einschlägiger Abmahnungen als unwirksam an, das Einschlafen sei in diesem Fall nicht als Arbeitsverweigerung zu werten.


Einschlafen als Kündigungsgrund?


Hier finden Sie die vollständige Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 16.04.2015 – Az: 5 Sa 637/14