Das LAG sagt: „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll und zwar so gut wie er kann“
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Das LAG sagt: „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll und zwar so gut wie er kann“ © Adobe Stock - Von 3d world

 

Für das Lager, in dem Neumann mit vielen anderen arbeitet, gelten zwei Betriebsvereinbarungen. Sie regeln eine Basisleistung von 100 % und Prämien, wenn höhere Leistungen erbracht werden.

 

Quantitative Minderleistung

 

Neumann wird vorgeworfen, dass seine Kollegen im Durchschnitt um mindestens ein Drittel höhere Arbeitsleistung erbringen. Dabei sprechen die Zahlen gegen Neumann, er arbeitet tatsächlich eine geringere Menge als vergleichbare Kollegen. In keinem Monat erreicht er die Basisleistung.

 

Auswertung Warenwirtschaftssystem

 

Nach Personalgesprächen, die nicht zu einer höheren Leistung führen, erteilt die Arbeitgeberin dann im Abstand von zwei Monaten je eine Abmahnung.

Neumann wird vorgeworfen, bewusst seine Arbeitskraft zurückzuhalten und die Arbeiten nicht unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fertigkeiten zu verrichten, mit dem Ergebnis, dass er nur ca. 82 % erreiche, die Vergleichsgruppe 116 %.

 

Keine Steigerung der Leistung

 

Als sich die Arbeitsmenge nicht erhöht, spricht die Arbeitgeberin eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist aus.

 

Neumann erhebt Kündigungsschutzklage und rügt, dass ihm aufwändigere Aufträge auferlegt würden, als den anderen. Auch sei die von der Arbeitgeberin vorgenommene Bildung der Vergleichsgruppe nicht korrekt. Außerdem sei die neue Sprachsteuerung störanfällig. Er spreche zwar gut Deutsch, aber sein Akzent führe zu Problemen.

 

Arbeitgeberin belegt Minderleistung

 

Die Arbeitgeberin legt konkrete Zahlen für acht Monate vor, nach der die Durchschnittsleistungen der Vergleichsgruppe über 110 % liegen und die von Neumann sich zwischen 60,42 % und einmalig 85,14 % bewegen. Die zu kommissionierenden Artikel würden nie bewusst zugeordnet, das sei sogar untersagt. Das liefe systematisch der Reihe nach.

 

Arbeitsgericht Köln erklärt die Kündigung für rechtswirksam

 

Das Arbeitsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Neumann sei es nicht gelungen, die Aussagekraft des Zahlenwerks in Abrede zu stellen und auch nicht Umstände darzulegen, warum er nur eine deutlich geminderte Leistung habe erbringen können, obwohl er seine Leistungsfähigkeit ausgeschöpft habe. Die erteilten Abmahnungen hätten ihre Warnfunktion erfüllt.

 

Neumann lässt sich das nicht gefallen und greift das Urteil mit einer Berufung an, indem er im Wesentlichen die gleichen Argumente vorbringt.

 

Grundsätze bei verhaltensbedingten Vorwürfen

 

Eine Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn der Beschäftigte seine vertraglichen Haupt-oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist.

 

Auch auf Pflichtverletzung beruhende Schlechtleistungen können demnach eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Die Leistungspflicht orientiert sich dabei an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, wobei es ihm nicht gestattet ist, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig nach seinem Belieben zu bestimmen.

 

Arbeitnehmer*innen müssen arbeiten, so gut sie können

 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) bestätigt die Wirksamkeit der Kündigung und führt dazu aus:

Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll und zwar so gut wie er kann“.

 

Das heißt, er muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Das klingt ziemlich theoretisch - wer muss denn dabei was beweisen?

 

Was das LAG zur Beweislast sagt

 

Der Arbeitgeber kann nur die objektiven Kriterien heranziehen. Wenn jemand unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft. Immer ist jemand das Schlusslicht der Gruppe. Jedoch ist das deutliche und längerfristige Unterschreiten des Durchschnittswerts meist der einzige Hinweis für den Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer seine Reserven nicht ausschöpft, die er mit zumutbarer Anstrengung nutzbar machen könnte.

Der Arbeitgeber muss also darlegen, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist. Das ist hier bei der belegten langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung geschehen.

 

Dann ist der Ball beim Arbeitnehmer. Dieser muss darlegen, dass er trotz deutlich unterdurchschnittlicher Leistung seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft.

Gründe können z.B. Krankheit sein oder auch betriebliche Gründe, für die er nichts kann.

 

Behauptung reicht für das Gericht nicht

 

Neumanns alleinige Behauptung, er schöpfe seine Leistungspflicht aus, reiche nicht, so das LAG. Seine Angaben zur Zuordnung der Aufträge seien zu pauschal, es fehlten konkrete Beispiele. Auch der reine Verweis auf seine Alter (48 Jahre) ohne nähere Erläuterung, inwiefern eine Schwächung vorliegen soll und welche Elemente der Tätigkeit betroffen seien, genüge nicht. Seine Angaben zur Sprachsteuerung fänden sich in den Zahlen auch nicht wieder, denn seine Leistung sei vor und nach der Einführung gleichbleibend niedrig gewesen.

 

LAG hält Kündigung für verhältnismäßig

 

Bei Vertragsverletzungen, die auf steuerbaren Verhalten von Arbeitnehmer*innen beruhen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen positiv beeinflusst werden kann. Daher setzen Kündigungen wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Davon hat Neumann zwei erhalten, in Abständen von zwei Monaten, ohne dass sich seine Leistung änderte.

 

Mit dieser Begründung ging hier die Interessenabwägung zulasten von Neumann aus. Die Kündigung wurde bestätigt. Das LAG hat die Revision nicht zugelassen, eine Nichtzulassungsbeschwerde wurde verworfen.

 

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 3. Mai 2022 - 4 Sa 548/21

 

Das sagen wir dazu:

Weniger leistungsfähig als andere zu sein ist ein sensibles Thema. Viele Beschäftigte berichten darüber, dass immer mehr geleistet werden soll, der Druck und psychische Erkrankungen nehmen zu. Auch Krankheiten können dazu führen, dass das Arbeitsergebnis in der Masse nicht stimmt.

 

Neumann hat lediglich hilflos behauptet, er schöpfe seine Leistungsfähigkeit aus. Das reichte hier nicht. Es kommt in solchen Fällen aber immer auf den jeweiligen Einzelfall an.