Mit Schreiben vom 31. Oktober 2019 wurde einer bei einem Sozialgericht (SG) in Schleswig-Holstein seit 01. Januar 2006 beschäftigten Serviceangestellten fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Begründet wurde die Kündigung weil sie an vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen teilweise erheblich verspätet die Arbeit aufnahm. Die in der Poststelle des Gerichts eingesetzte Angestellte war an den vier Tagen die einzige Mitarbeiterin. Ihre verspäteten Arbeitsaufnahmen begründete sie mit Schlafmangel.

Angestellte erhebt Klage beim Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht Flensburg hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Urteil festgestellt, dass die fristlose Kündigung vom 30. Oktober 2019 unwirksam ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Die fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei wirksam. Die Klägerin sei am 25. und 28. Oktober vorwerfbar verspätet zur Arbeit erschienen. Ihre Einlassung, sie habe ein Schlafmittel genommen und den Wecker nicht gehört, entlaste sie nicht. Sie sei wegen ihrer Verspätungen zuvor auch am 23. Oktober durch den Geschäftsleiter abgemahnt worden. Von der entsprechenden Aussage des als Zeugen vernommenen Geschäftsleiters sei die Kammer überzeugt. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sei die ordentliche Kündigung durch das beklagte Land berechtigt.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte die Klägerin beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein Berufung ein

LAG: Ordentliche Kündigung wegen verspäteter Arbeitsaufnahme wirksam

Das LAG bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Die wiederholten Verspätungen der Klägerin rechtfertigen nach Auffassung der Berufungsrichter*innen die noch im Streit stehende ordentliche Kündigung. Die Klägerin habe ihre Verpflichtung zur pünktlichen Arbeitsaufnahme verletzt. Der von der Klägerin angeführte Schlafmangel, so das LAG, sei nicht geeignet die Verspätungen zu entschuldigen. Denn diese seien ihren privaten Lebensumständen zuzurechnen und nicht geeignet die Pflichtverletzungen zu beseitigen.

Fehlendes Unrechtbewusstsein erfordert keine Abmahnung

Nach Ansicht des LAG bedurfte die Kündigung keiner Abmahnung. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin offenkundig nicht ernsthaft gewillt gewesen sei, sich vertragsgerecht zu verhalten. Zunächst sprächen hierfür die erheblichen Verspätungen der Klägerin an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Sie habe keine Maßnahmen ergriffen, erneutes Verschlafen zu verhindern, obwohl sie bereits nach der ersten Verspätung auf die Pflichtverletzung seitens der Beklagten hingewiesen worden sei. Überdies habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung sich dahingehend erklärt, dass es nicht so schlimm sei, wenn sie zu spät komme. Denn es führe nicht zu betrieblichen Störungen, wenn die Post mal liegen bleibe. Hieraus ergebe sich für das Gericht ein bei der Klägerin vorliegendes fehlendes Unrechtsbewusstsein, was eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung überflüssig mache.

Hier geht es zur vollständigen Entscheidung des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.08.2021- 1 Sa 70 öD/21 -

Das sagen wir dazu:

Dumm gelaufen!

Die seit über 13 Jahren bei einem Sozialgericht als Serviceangestellte gab grundsätzlich ausreichend Anlass für eine ordentliche Kündigung, die aber ohne einer vorausgegangen einschlägigen Abmahnung sicherlich nicht wirksam gewesen wäre.

Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, aus welchen Gründen auch immer, meinte zu Protokoll geben zu müssen, dass durch ihre diversen Verspätungen es nicht zu betrieblichen Störungen führe, wenn die Post mal liegen bleibe, gab sie zu erkennen, dass ihr das notwendige Unrechtsbewusstsein fehle.

Wem aber das Unrechtsbewusstsein fehlt, bei dem dürfen auch Abmahnungen keine Änderungen der Verhaltensweisen zu erwarten sein. Hiervon gingen offenkundig die Richter*innen beider Instanzen aus.

Rechtliche Grundlagen