Arbeitgeber haftet wegen Verletzung der nachvertraglichen Fürsorgepflicht auf Schadensersatz.
Arbeitgeber haftet wegen Verletzung der nachvertraglichen Fürsorgepflicht auf Schadensersatz.

Der Arbeitgeber muss seinem ehemaligen Arbeitnehmer den Lohn zahlen, den er wegen seines unfairen Einsatzes nicht erhalten hatte.

Man sieht sich immer zweimal im Leben

Der Kläger war seit dem März 2013 bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen gerichtlichen Vergleich zu Mitte Januar 2014, nachdem der Arbeitgeber zuvor eine Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens und fehlender Krankmeldung ausgesprochen hatte.

Ab dem März 2014 war der Kläger ebenfalls als Leiharbeitnehmer bei der Firma F. GmbH tätig, wo er auf der Baustelle der Firma R. eingesetzt wurde. Auf dieser Baustelle war als Bauleiter ein Mitarbeiter der Beklagten tätig.

In der letzten Märzwoche war der Niederlassungsleiter der Beklagten auf der Baustelle der Firma R. Er forderte von der Firma R., dass der Kläger von der Baustelle abgezogen wird. Die Firma R. veranlasste daraufhin die Arbeitgeberin des Klägers, diesen von der Baustelle abzuziehen.

Alter Arbeitgeber übt Druck aus

Die Firma R, bei der der Kläger eingesetzt war, bestätigte dies in einem Brief an die Beklagte. Diese habe in Person des Niederlassungsleiters gedroht, sollte der Kläger am nächsten Tag noch auf der Baustelle tätig sein, würden die von der Beklagten überlassenen Mitarbeiter umgehend die Baustelle verlassen.

Als Grund für diese Maßnahme nannte der Niederlassungsleiter einen Arbeitsgerichtsprozess, den die Beklagte mit dem Kläger geführt habe. Die Mitarbeiter der Beklagten würden deshalb nicht mit dem Kläger zusammenarbeiten dürfen.

Zu den von der Beklagten überlassenen Mitarbeitern zählte auch der Bauleiter. Da wenige Tage später eine Sachverständigenabnahme anstand, für die man auf diesen angewiesen sei, habe man den Kläger umgehend abgemeldet. Wäre der Bauleiter der Beklagten abgezogen worden, wäre dadurch ein hoher finanzieller Schaden entstanden.

Kläger fordert Differenzlohn

Nachdem er von der Baustelle abgezogen worden war, wurde der Kläger bei seiner Arbeitgeberin eine Woche lang nicht eingesetzt. Wäre der Kläger in dieser Zeit weiter auf der Baustelle beschäftigt gewesen, hätte er in dieser Zeit Lohn erhalten.

Ihm wären auf seinem Arbeitszeitkonto für März und im April 2014 insgesamt 15 Stunden gutgeschrieben worden. Dies entspricht einem Betrag von 385 €, da der Kläger einen Stundenlohn von 11 € hatte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zunächst abgewiesen, in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht hatte der Kläger nun Erfolg.

Nachwirkende Fürsorgepflicht

Der Anspruch ergebe sich aus der Nachwirkung der Fürsorgepflicht, die in engen Grenzen bei jedem Arbeitsverhältnis bestehe. Denn grundsätzlich endeten die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dessen Beendigung.

Dennoch müsse der Arbeitgeber im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers bedenken. Der Umfang dieser Fürsorgepflicht sei dabei im Einzelfall aufgrund einer eingehenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen.

Insbesondere habe der Arbeitgeber auf die Belange der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen und sie möglichst vor Schaden zu bewahren. Er dürfe zum Beispiel keine Vereinbarungen mit einem anderen Arbeitgeber schließen, die das Fortkommen des Arbeitnehmers unmittelbar hindern.

LAG gibt Kläger Recht

Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte nicht verlangen dürfen, dass die Firma R den Kläger von der Baustelle abzieht. Ein sachlicher Grund sei schon deshalb nicht plausibel, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Intervention schon seit zwei Wochen auf der Baustelle beschäftigt war, ohne dass es in dieser Zeit zu irgendwelchen Problemen gekommen sei.

Gegen einen berechtigtes Interesse spreche zudem, dass die Beklagte den Abzug unmittelbar vor der Sachverständigenabnahme für das Bauvorhaben verlangt habe. Da der Mitarbeiter der Beklagten als Bauleiter hierfür zwingend benötigt wurde, habe die Firma R keine andere Wahl gehabt, als den Kläger auf dieser Baustelle nicht mehr einzusetzen.

Schließlich habe die Beklagte selbst den Zusammenhang zwischen ihrer Forderung und dem Arbeitsgerichtsprozess mit dem Kläger hingewiesen. Dies lege die Vermutung nahe, dass die Verärgerung darüber, dass die Beklagte mit ihrer außerordentlichen Kündigung nicht durchgekommen war, ein wesentliches Motiv sei.

Anmerkung

Es gibt für Arbeitgeber viele Möglichkeiten, dem ehemaligen Beschäftigten auch nach dessen Ausscheiden das Leben schwer zu machen. Das fängt beim Zeugnis an, das bewusst schlecht formuliert ist und die Chancen bei der Bewerbung mindert, geht über die Arbeitgeberbescheinigung, die nicht ausgestellt wird und die Auszahlung des Arbeitslosengeldes verzögert bis hin zur Nichtauszahlung ausstehender Lohnzahlungen und Urlaubsabgeltung.

All dies muss man sich nicht gefallen lassen und kann die ausstehenden Forderungen mit Hilfe seiner Gewerkschaft und der DGB Rechtsschutz GmbH einfordern und zur Not auch einklagen.

Wenn der Arbeitgeber außerdem Druck auf andere ausübt, um zu verhindern, dass der Arbeitnehmer woanders Fuß fasst, dann macht sich der Arbeitgeber sogar schadensersatzpflichtig, wie der vorliegende Fall zeigt. Wenn also in ähnlicher Form nachgetreten wird, dann sollte man nicht zögern, auch gegen diese Form der Schikane vorzugehen und seinen Schadensersatz einzuklagen.

Hier das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 14.04.2016, 7 Sa 340/15 im Volltext


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Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.Pflichten aus dem Schuldverhältnis