Das wird man ja wohl noch einmal sagen dürfen!? Copyright by luismolinero/Fotolia
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Die gute Nachricht zuerst: das Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der Auffassung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis gelte. Mit der überragenden Bedeutung des Grundrechts wäre es unvereinbar, so das BAG, wenn wir in der betrieblichen Arbeitswelt unsere Auffassungen nur eingeschränkt oder gar nicht äußern dürften. Dabei bestehe der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos sei. Es spiele auch keine Rolle, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten werde.

Aber nicht nur das, was ich sage, ist geschützt. Auch die Form, wie ich mich äußere, schützt das Grundgesetz. Ich darf mich schriftlich äußern, auf Facebook, Xing und Twitter oder mich auf den Marktplatz stellen und meine Meinung frei kundtun, wenn es mir denn gefällt. Dabei muss ich nicht einmal höflich sein. Ich darf meine Ansichten polemisch formulieren oder sogar verletzend.

Das ist jedenfalls der Grundsatz. Aber schon das Grundgesetz bestimmt, dass das Recht, die Meinung frei zu äußern, Schranken hat. Bevor wir auf die Besonderheiten im Arbeitsrecht eingehen, zunächst ein paar allgemeine Ausführungen zum Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.

Ich darf mit der Äußerung meiner Meinung auch etwas bewirken wollen

Die Gedanken sind frei, so heißt es in einem alten Volkslied. Keiner könne sie erraten und kein Kerker erschließen. Und weiter heißt es „Ich denke, was ich will, und was mich beglücket, doch alles in der Still, und wie es sich schicket“. Ist das schon Meinungsfreiheit?

Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) beginnt mit dem Satz: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit garantiert also nicht nur das Recht, eine Meinung zu haben. Die Meinung darf man auch frei äußern und verbreiten. Das gibt mir das Recht, in jeder Form, also auch auf Facebook und Twitter frei kund zu tun, was ich denke.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht sogar noch weiter: Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit schützt nicht nur das Äußern einer Meinung als solche, sondern auch das geistige Wirken durch die Meinungsäußerung. Das betont das BVerfG regelmäßig seit der bekannten „Lüth-Entscheidung“ von 1958. Wir dürfen also nicht nur sagen, was wir denken. Wir dürfen mit unserer Meinung auch etwas bewirken wollen.

Wer Tatsachen verbreitet, äußert damit keine Meinung

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist nach Auffassung des BVerfG der „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft“ und eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt.

Es kommt aber maßgeblich darauf an, dass es sich tatsächlich um eine Meinung handelt, die wir äußern. Wer Tatsachen verbreitet, äußert damit keine Meinung. Wer erklärt, Berlin sei die Hauptstadt von Deutschland, gibt nicht seine Meinung kund, sondern behauptet etwas, von dem er ausgeht, dass es stimmt. Wer also behauptet, Buxtehude sei die Hauptstadt von Deutschland, kann sich dabei nicht auf Meinungsfreiheit berufen. Diese Unterscheidung ist vor allem relevant, wenn falsche Behauptungen anderen einen Schaden zufügen oder sogar einen Straftatbestand erfüllen. Wer öffentlich behauptet, der Holocaust habe nie stattgefunden, kann sich nicht dabei nicht auf ein Grundrecht berufen. Er verbreitet etwas, was nachweislich nicht stimmt und macht sich strafbar.

Das Grundrecht auf freie Äußerung der Meinung ist nicht schrankenlos

Es gibt nach dem Grundgesetz aber auch Schranken, wenn es um darum geht, Meinungen frei zu äußern. Artikel 5 Absatz 2 GG bestimmt, dass die Meinungsfreiheit „… ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“ findet. Allgemeine Gesetze sind dabei alle Gesetze, die allgemein gelten, also insbesondere auch die Vorschriften des Straf- und Zivilrechts.

Eine Meinungsäußerung kann auch die Grundrechte anderer verletzen. Zwar sind Grundrechte selbst keine „allgemeinen Gesetze“ im Sinne des Artikels 5. Die gesamte Staatsgewalt ist aber nach dem Grundgesetz an alle Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden. Das gilt auch für Gerichte, wenn sie Gesetze auslegen und anwenden. Wird also etwa im Rahmen eines Strafverfahrens oder eines Schadensersatzprozesses geprüft, ob eine Meinung erlaubt ist, spielt oft eine Rolle, inwieweit die Grundrechte anderer betroffen sind.

Grundrechte können im Einzelfall miteinander konkurrieren

Es kann Fälle geben, in denen Grundrechte gleichsam miteinander konkurrieren. Wenn man auf Facebook postet, ein bestimmter Politiker sei dumm, permanent überfordert und für öffentliche Ämter völlig ungeeignet, wird sich dieser wenig erfreut zeigen. Wenn er gegen die Äußerung vorgeht, kann auch er sich auf Grundrechte berufen, auf die Würde des Menschen aus Artikel 1 GG und auf die allgemeinen Persönlichkeitsrechte aus Artikel 2 GG.

Die Gerichte müssen dann für diesen Einzelfall die Grundrechte gegeneinander abwägen. Die Rechtswissenschaft hat hier das Prinzip der sogenannten „praktischen Konkordanz“ entwickelt, das nicht ganz unkompliziert ist. Stehen zwei Grundrechte im Widerstreit, müssten beide nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG „mit dem Ziel der Optimierung“ zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dabei käme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu. Wichtig dabei sei auch, dass die Grundrechte in ihrer Substanz nicht angetastet würden.

Besonders Interessierte können die Argumentation des BVerfG in der „Mutzenbacher-Entscheidung“ von 1990 nachlesen BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130-155

Und in der Entscheidung „anachronistischer Zug“ von 1984 BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1984 - 1 BvR 816/82 -, BVerfGE 67, 213-231

 

Das Ziel darf nicht sein, die Würde des Menschen anzutasten

Eine Abwägung ist allerdings nicht angebracht, wenn die Grundrechte nicht gleichwertig sind. Die Würde des Menschen, die zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist und die unantastbar ist, geht jedem anderen Grundrecht vor. Dieses Recht darf niemand relativieren und einschränken, auch nicht durch „praktische Konkordanz“ mit anderen Grundrechten. Niemandem ist es nach unserer Rechtsordnung also erlaubt, die Würde eines anderen Menschen auch nur anzutasten.

Vergleiche hierzu unseren Artikel „Die Würde des Menschen - 70 Jahre Grundgesetz“
Jetzt wird nicht jeder stets über „praktische Konkordanz“ oder „höherrangigem Recht“ nachdenken, wenn er eine Meinung äußern will. Entscheidend ist, dass man trotz der garantierten Meinungsfreiheit nicht alles ungeschützt äußern sollte, schon gar nicht in den sozialen Medien. Zwar darf ich durchaus Urteile über andere Menschen oder deren Verhalten äußern. Das Urteil darf auch polemisch oder sogar verletzend sein. Die Grenze desjenigen, was erlaubt ist, ist auf jeden Fall überschritten, wenn es das Ziel der Meinungsäußerung ist, andere Menschen herabzuwürdigen, zu beleidigen, gering zu schätzen oder zu schmähen.

 

Wenn ich etwas öffentlich poste, erfährt es vielleicht auch mein Arbeitgeber

Gerade in Zeiten der sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder Instagram wird die eigene Meinung oft öffentlich präsentiert. Darf ein Arbeitgeber Konsequenzen ziehen, wenn ihn eine Meinung eines seiner Beschäftigten nicht passt? Nun, auch hier kommt es, wie so oft, auf den Einzelfall an.

Es gibt eine Reihe von Entscheidungen, die der Arbeitgeber treffen kann, ohne dass der Beschäftigte oder irgendjemand anderes zustimmen muss. Er kann grundsätzlich im Rahmen seines Direktionsrechts Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Das gilt nur dann nicht, soweit diese Arbeitsbedingungen durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. „Billiges Ermessen“ schützt den Arbeitnehmer dabei nur vor reiner Willkür.

Der Arbeitgeber entscheidet letztlich auch darüber, wer in seinem Unternehmen beruflich vorankommt. Selbst Kündigungen des Arbeitsverhältnisses sind einseitige Erklärungen des Arbeitgebers, die wirksam werden, wenn der betroffene Beschäftigte sie empfängt. Glücklicherweise schützt in Deutschland das Kündigungsschutzgesetz Arbeitnehmer*innen vor sozialwidrigen Kündigungen, wenn es denn anzuwenden ist.

Alle Entscheidungen, die der Arbeitgeber allein trifft, die aber einen oder mehrere Beschäftigte betreffen, unterliegen aber dem Diskriminierungsverbot. Ein Anspruch eines Beschäftigten auf Entschädigung oder Schadensersatz nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann etwa bestehen, wenn er wegen seiner Weltanschauung benachteiligt wird. Ist das aber schon schwer zu beweisen, wird es fast unmöglich sein, ihm nachzuweisen, dass er einen Beschäftigten permanent benachteiligt, weil er mit seinen kritischen Meinungen nicht hinter dem Berg hält.

 

Darf ein Arbeitgeber einem Beschäftigten kündigen, weil er eine Meinung geäußert hat?

In Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Kündigt ein Arbeitgeber einem Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht, braucht er einen Kündigungsgrund. Den benötigt er aber nur, wenn der*die gekündigte Arbeitnehmer*in innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhebt. Ob die Kündigung dann wirksam ist, hängt von vielen Dingen ab. An dieser Stelle wollen wir uns hauptsächlich damit beschäftigen, ob und wann eine Meinung, die ein*e Arbeitnehmer*in ausspricht, einen Kündigungsgrund darstellen kann. Im Kündigungsschutzverfahren muss der Arbeitgeber den Kündigungsgrund konkret darlegen und im Zweifel auch beweisen.

Es kommt dabei aber vor allem darauf an, ob eine Meinung, die ein Beschäftigter öffentlich geäußert hat, objektiv betrachtet das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber in Zukunft nachhaltig stören wird. Ob ein Arbeitgeber zurecht kündigen darf, hängt nämlich allein davon ab, was er für die Zukunft erwarten kann, wenn er den Sachverhalt objektiv beurteilt.

Vom Grundsatz her können Arbeitnehmer*innen auch im Arbeitsverhältnis ihr Recht aus Artikel 5 GG frei ausüben. Begrenzt wird das Recht nur durch die allgemeinen Gesetze und die Grundrechte anderer. Arbeitnehmer*innen dürfen sich sogar kritisch mit den Verhältnissen im Betrieb auseinandersetzen und ihre Meinung insoweit betriebsöffentlich äußern. Aber auch hier gilt: Ziel darf nicht sein, den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Arbeitskolleg*innen herabzuwürdigen, zu schmähen oder zu beleidigen. Diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen können durchaus ein Grund für eine Kündigung sein. Das gilt aber nicht, wenn die Kritik im vertrauten Kollegenkreis geäußert wird und der betreffende Beschäftigte darauf vertrauen konnte, dass die Kritik diesen Kreis nicht verlässt.

Das Recht, die Meinung frei zu äußern wird aber auch durch Grundrechte des Arbeitgebers begrenzt. Das Recht eines Beschäftigten aus Artikel 5 GG steht dabei insbesondere in Konkurrenz zum Grundrecht des Arbeitgebers auf die freie Ausübung seines Berufs, das ihm durch Artikel 12 GG garantiert wird, eventuell auch zum Recht auf Eigentum, in Artikel 14 GG geregelt. In der Folge wollen wir schauen, wie Gesetz und Rechtsprechung mit diesem Spannungsfeld umgehen.

 

Der Betriebsrat darf sich nicht parteipolitisch betätigen

Eine Besonderheit besteht in Bezug auf die Meinungsfreiheit für den Betriebsrat als Gremium. Gemäß § 74 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) darf er sich nicht parteipolitisch betätigen. Das bezieht sich nach der Rechtsprechung des BAG nicht nur auf politische Parteien, sondern vielmehr auf alle politischen Gruppierungen.

Allerdings betont das BAG auch, dass dem Betriebsrat Äußerungen allgemeinpolitischer Art, die eine politische Partei, Gruppierung oder Richtung weder unterstützen noch sich gegen sie wenden, nicht untersagt sind. Auch das BetrVG erlaubt dem Betriebsrat ausdrücklich Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art zu behandeln, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen.

Für Interessierte:
BVerfG „Wahlwerbung“, Beschluss vom 28. April 1976 - 1 BvR 71/73 -, BVerfGE 42, 133-143
BAG, „Meinungsfreiheit“, Urteil vom 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 -, juris
BAG, „Parteipolitische Betätigung“, Beschluss vom 17. März 2010 - 7 ABR 95/08 -, BAGE 133, 342-353



Im Arbeitsverhältnis haben beide Vertragsparteien eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme

Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) folgert die Rechtsprechung arbeitsvertragliche Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme in einem Arbeitsverhältnis (§ 241 BGB). Hierbei handelt es sich um ein allgemeines Gesetz, das im Lichte der Werteordnung auszulegen ist, die von den Grundrechten bestimmt wird.

Der Arbeitgeber ist etwa verpflichtet, Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer*innen zu schützen. Er darf sie nicht maßregeln und muss sie vor Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen. Aber auch Arbeitnehmer*innen müssen auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen. Ein Kündigungsgrund kann etwa vorliegen, wenn ein Beschäftigter Meinungen auf einer Betriebsversammlung äußert oder sie im Betrieb öffentlich postet, wenn dadurch der Betriebsfrieden ernsthaft gestört wird. Das Recht, seine Meinung frei zu äußern, berechtigt zwar einen Beschäftigten öffentlich im Betrieb Maßnahmen des Arbeitgebers zu kritisieren. Er darf auch seine politischen Auffassungen kund tun, selbst wenn sie anderen Beschäftigten oder dem Arbeitgeber nicht gefallen.

 

Die Äußerung einer Meinung darf den Betriebsfrieden nicht ernsthaft stören

Die Rechte des Arbeitgebers werden aber dann verletzt, wenn der Betriebsfrieden durch das Auftreten des Beschäftigten in ernstlicher Weise gestört wird. Für eine Kündigung reicht es jedoch nicht, dass dieser lediglich durch eine Meinungsäußerung gestört werden könnte. Die Rechtsprechung verlangt, dass die Störung schon konkret da ist, was der Arbeitgeber in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess auch darlegen und im Zweifel beweisen muss.

Ein Recht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, kann aber für den Arbeitgeber auch bestehen, wenn ein Arbeitnehmer durch eine Meinungsäußerung seine Pflicht zur Loyalität verletzt. In der Regel dürfte aber die Freiheit, die Meinung zu äußern, höher zu bewerten sein als das Recht des Arbeitgebers aus Artikel 12. Es führt zu weit, wenn man einfachen Beschäftigten eine Kritik an der Unternehmenspolitik verwehren würde, weil sie bereits dadurch bekanntgeben würden, sie seien nicht loyal. Anders sieht es aus, wenn Führungskräfte oder gar leitende Angestellte Kritik an der Unternehmenspolitik üben.

Für eine Kündigung kann auch relevant sein, wie sich Beschäftigte gegenüber Kund*innen äußern. Die Pflicht, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, wird unter Umständen erheblich verletzt, wenn etwa eine Verkäuferin sich negativ zum eigenen Warensortiment äußert, etwa mit den Worten „das Zeug würde ich selbst nicht kaufen“.

 

Auch in der Freizeit dürfen Arbeitnehmer*innen die Interessen des Arbeitgebers nicht völlig egal sein

Zu einer Kündigung kann es aber auch kommen, wenn die/der Arbeitnehmer*in eine Kritik öffentlich außerhalb des Betriebes in der Freizeit äußert.

Nach der Rechtsprechung besteht die Pflicht der/des Arbeitnehmer*in, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, nämlich auch außerhalb des Betriebes fort. Sicherlich geht es Arbeitgebern grundsätzlich nichts an, wie ihre Beschäftigten ihre Freizeit verbringen, mit wem sie verkehren und welche politische Meinung sie vertreten. Auch kann der Arbeitgeber nicht unbedingt verlangen, dass seine Beschäftigten auch als Privatpersonen in der Öffentlichkeit immer so seriös auftreten müssen, wie es das angebliche Image des Unternehmens verlangt.

Der Arbeitgeber könnte eine Kündigung aber dann begründen, wenn das Verhalten des Beschäftigten in seiner Freizeit das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Dabei ist auch wieder entscheidend, welche Position der Beschäftigte im Unternehmen einnimmt. Wer in herausgehobener Stellung tätig ist, wird in der Öffentlichkeit eben oft auch nicht als Privatperson wahrgenommen, sondern als „der von“ diesem oder jenem Unternehmen.

Im Normalfall wird eine einmalige politische Äußerung kaum eine Kündigung rechtfertigen, selbst wenn das Arbeitsverhältnis mittelbar betroffen ist. So hat das LAG Nürnberg in einer Entscheidung von 2017 die Kündigung eines Beschäftigten, der bei einer politischen Demonstration des rechten Spektrums seinen Dienstausweis öffentlich getragen hat, nicht für gerechtfertigt gehalten. Zwar hatte das LAG grundsätzlich hier einen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme gesehen. In diesem Fall hätte aber eine Abmahnung als milderes Mittel ausgereicht, meinte das LAG.

Anders verhält es sich aber, wenn ein Beschäftigter in seiner Freizeit regelmäßig und auf Dauer politisch in einer Partei oder einer anderen politischen Vereinigung tätig ist. Aus diesem Umstand kann der Arbeitgeber schließen, dass der betreffende Beschäftigte eine politische Haltung hat. Jetzt geht eine solche Haltung prinzipiell dem Arbeitgeber zwar nichts an. Relevant für das Arbeitsverhältnis in Zukunft kann aber sein, wenn durch die politische Haltung der Betriebsfrieden ernsthaft gestört wird.

 

Bei Beschäftigten von Tendenzbetrieben ist das Recht auf Meinungsäußerung deutlicher eingeschränkt.

In einer besonderen Position sind Beschäftigte in sogenannten „Tendenzbetrieben“. Das sind Betriebe, die nicht in erster Linie wirtschaftliche Ziele im Auge haben, sondern weltanschauliche oder politische. Aber auch Unternehmen, deren Zweck vor allem Berichterstattung oder Meinungsäußerung ist, gehören dazu. Das ist gesetzlich in § 118 BetrVG geregelt.

In erster Linie sind es also Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Presseunternehmen, die Tendenzbetriebe betreiben. In Tendenzbetrieben gelten gesteigerte Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten. Das gilt aber hauptsächlich für die sogenannten Tendenzträger, also Beschäftigte, deren Aufgabe nach dem Arbeitsvertrag gerade darin besteht, die weltanschauliche oder politische Tendenz des Unternehmens nach außen zu vertreten.

Die Stellung als Tendenzträger hat Auswirkungen auf die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten. Ein Tendenzträger ist verpflichtet, sowohl bei der Arbeitsleistung als auch im außerdienstlichen Bereich nicht gegen die Tendenz des Unternehmens zu verstoßen. So etwas macht etwa ein Gewerkschaftssekretär, der öffentlich rassistische oder antisemitische Auffassungen vertritt. Gewerkschaften sind von ihrem Selbstverständnis her traditionell für Demokratie und Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz.

Siehe hierzu unseren Artikel „Wofür Gewerkschaften stehen“

Rechtsprechung des BAG zu Tendenzbetrieben:
BAG, „Tendenzbetrieb 1“, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 -, juris
BAG, „Tendenzbetrieb 2“, Beschluss vom 20. April 2010 - 1 ABR 78/08 -, BAGE 134, 62-71


Zum Thema allgemein:
BAG, „Kündigung wegen ehrverletzender Äußerungen“, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 -, juris
BAG, „politische Äußerung und Betriebsfrieden“, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 -, juris

Rechtliche Grundlagen

Artikel 5 Grundgesetz

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Artikel 12 Grundgesetz

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

§ 241 Bürgerliches Gesetzbuch
Pflichten aus dem Schuldverhältnis

1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.