Klar und deutlich vermittelte der Arbeitgeber seine Auffassung zur Kündigungsfrist des Klägers, setzte sich damit aber nicht durch. © Adobe Stock: stokkete
Klar und deutlich vermittelte der Arbeitgeber seine Auffassung zur Kündigungsfrist des Klägers, setzte sich damit aber nicht durch. © Adobe Stock: stokkete

Ob Gesetzestexte, Tarifverträge oder Arbeitsverträge - das Abfassen von vertraglichen Regeln ist eine hohe Kunst. Vereinbarungen sollten sprachlich präzise sein, um nicht uferlose Interpretationsmöglichkeiten zu lassen. Gleichzeitig sollten Sie im nötigen Maß abstrakt sein, um bei Vertragsschluss nicht bedachte Einzelfälle darunter einordnen zu können. Das tückische: Sprachliche Ungenauigkeit schafft Rechtsunsicherheit, wie ein Fall vor dem Arbeitsrecht Hannover gezeigt hat.

 

Der Kläger, seit über 20 Jahren für seinen Arbeitgeber tätig, hatte seinen Arbeitsvertrag so verstanden, dass er mit einer Frist von vier Wochen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden kann. Sein Arbeitgeber verstand die Regel im Arbeitsvertrag anders und war der Auffassung, dass die Kündigungsfrist sieben Monate beträgt. Allein die erwiesene Mehrdeutigkeit brachte das Arbeitsgericht zum Ergebnis, dass der Kläger Recht bekam, denn: Zweifel bei der Auslegung gehen zulasten des Arbeitgebers als Verwender der vertraglichen Klauseln.

 

Arbeitsvertragliche Regelung war mehrdeutig

 

Damit, dass die arbeitsvertragliche Regelung in dem Arbeitsvertrag des Klägers zu einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsrecht führen würde, hat der Arbeitgeber wohl nicht gerechnet. Für ihn schien klar, wie der entsprechende Passus im Arbeitsvertrag zu verstehen sei. Dort wurde folgendes vereinbart:

 

„Nach Ablauf der Probezeit können beide Parteien den Arbeitsvertrag unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfristen kündigen. Soweit die […] Tarifverträge keine Kündigungsfristen bestimmen, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Eine Verlängerung der für die Firma maßgeblichen Kündigungsfristen gilt auch für den Mitarbeiter.“

 

Im Manteltarifvertrag der Branche hieß es:

 

„[…] Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten, soweit im Tarifvertrag nichts anderes bestimmt ist, die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Die Kündigungsfrist kann durch schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verlängert werden […].“

 

Der Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kläger erst mit einer Frist von sieben Monaten aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden könne. Argumentation: Der Arbeitsvertrag verweist auf den Tarifvertrag und der Tarifvertrag verweist auf die gesetzlichen Kündigungsfristen. Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt (§ 622 BGB). Ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder Ende eines Kalendermonats kündigen. Für Arbeitgeber verlängert sich die Kündigungsfrist je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit.

 

Für den Kläger ergibt sich bei einer Betriebszugehörigkeit von über 20 Jahren eine Kündigungsfrist von sieben Monaten. Nach der Regelung im BGB jedoch aufgrund des eindeutigen Wortlauts nur für den Arbeitgeber. Dieser war jedoch vor Gericht der Auffassung, dass die obige Formulierung im Arbeitsvertrag „eine Verlängerung der für die Firma maßgeblichen Kündigungsfristen gilt auch für die Mitarbeiter“ sich genau auf diese Regelung im BGB bezieht und die verlängerten Fristen auch für den Kläger gelten sollten.

 

Wer ungenaue Formulierungen nutzt, trägt auch das Risiko

 

Das verstand der Kläger anders und wurde darin auch vom Arbeitsgericht Hannover bestätigt. Nach Ansicht des Gerichts fehle es an einer konkreten und eindeutigen Bezugnahme auf die Regelung im BGB bzw. auf die gesetzlichen Kündigungsfristen. Die Formulierung „Eine Verlängerung […]“ sei so allgemein gehalten, dass nicht klar bestimmt werden könne, ob damit tatsächlich die gesetzlichen Kündigungsfristen aus dem BGB gemeint sein sollen. Es könnte auch eine außerhalb des Arbeitsvertrags vereinbarte, längere Kündigungsfrist gemeint sein. Ansonsten wäre die Formulierung „Die Verlängerung […]“ präziser und eindeutiger gewesen. Diese Formulierung wurde jedoch gerade nicht gewählt.

 

Aber auch ohne dieses Auslegungsergebnis wäre das Arbeitsgericht Hannover zur gleichen Entscheidung gekommen, denn: Regelungen in Arbeitsverträgen stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Diese müssen klar und unmissverständlich formuliert sein. Sind sie dies nicht, so gibt es eine gesetzliche Bestimmung, wonach Zweifel bei der Auslegung von mehrdeutigen Formulierungen zulasten des Verwenders gehen. Dies ist bei Arbeitsverhältnissen stets der Arbeitgeber.

 

Kurzum: die entsprechende Regel ist zugunsten des Arbeitnehmers zu interpretieren.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Hannover.