Schwangere müssen vor Kündigungen besonders geschützt werden. Copyright by Adobe Stock/ contrastwerkstatt
Schwangere müssen vor Kündigungen besonders geschützt werden. Copyright by Adobe Stock/ contrastwerkstatt

Wann gelten die Regeln des Mutterschutzgesetzes? Bereits dann, wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben worden ist, oder doch erst, wenn die Arbeitnehmerin ihre Tätigkeit beginnt? Über solch einen Fall musste das Bundesarbeitsgericht entscheiden.
 

Nach Unterschrift unter den Arbeitsvertrag Schwangerschaft festgestellt

Anja S., Rechtsanwaltsfachangestellte, unterschrieb im Dezember 2017 einen Arbeitsvertrag mit einer Rechtsanwaltskanzlei. Es wurde vereinbart, dass sie am 1. Februar 2018 die Arbeit beginnen sollte.
 
Im Januar 2018 wurde bei ihr eine Schwangerschaft festgestellt. Außerdem erhielt sie wegen einer Vorerkrankung ein komplettes Beschäftigungsverbot. Als sie  ihre Arbeitgeberin darüber informierte, kündigte diese das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung.
 

Wann beginnt der Kündigungsschutz?

Anja S. war damit nicht einverstanden und ging vor Gericht. Schließlich gab es nach den Regelungen des Mutterschutzgesetzes ein Kündigungsverbot für Schwangere. Ihre Arbeitgeberin war aber der Auffassung, dass eigentlich noch gar kein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und Anja S. bestanden habe.
 
Der Kündigungsschutz für Schwangere greife erst ab Aufnahme der Tätigkeit ein  - und damit erst ab 1. Februar 2018. Eine andere Auslegung der gesetzlichen Regelung sei ein unzulässiger Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers.
 

Bundesarbeitsgericht: Schutz der Schwangeren geht vor

Das Landesarbeitsgericht und anschließend das Bundesarbeitsgericht gaben Anja S. jedoch Recht. Das Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz bezwecke den Gesundheits- und Existenzsicherungsschutz der werdenden Mutter. Eine Schwangere solle nicht durch wirtschaftliche Existenzängste belastet werden.
 
Es sollen auch seelische Zusatzbelastungen durch einen Kündigungsschutzprozess vermieden werden. Das könne aber nur dann gewährleistet werden, wenn die Kündigung eines Arbeitsvertrages bereits dann unzulässig ist, wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben worden ist. Wann die Schwangere ihre Arbeit tatsächlich beginnen sollte, sei unwichtig. Der Schutz der Familie gehe der Berufsfreiheit des Arbeitgebers vor.
 
Ergebnis: die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, sodass Anja S. ihre Arbeit nach Ablauf des Mutterschutzes und gegebenenfalls einer anschließenden Elternzeit bei ihrer Arbeitgeberin wieder aufnehmen kann.
 
Hier geht es zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 2020-2 AZR 498/19
 
 
Lesen Sie hierzu auch:
 
Mutterschutz geht vor Urlaub - DGB Rechtsschutz GmbH

Gekündigt und schwanger  - was nun ? - DGB Rechtsschutz GmbH

Entschädigung für werdende Mutter - DGB Rechtsschutz GmbH

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zu begrüßen. Sie hat klargestellt, dass der Kündigungsschutz für Schwangere nicht erst dann greift, wenn die Schwangere ihre Arbeit bei dem Arbeitgeber aufgenommen hat.

Es ging nämlich um die Auslegung des Begriffs „Beschäftigungsverhältnis“, der in einer Regelung des Mutterschutzgesetzes auftaucht. Danach soll dieses Gesetz für Frauen in einer Beschäftigung im Sinne des 4. Sozialgesetzbuchs gelten. Viele Arbeitgeber legen diese Vorschrift so aus, dass die werdende Mutter ihre Tätigkeit aufgenommen haben muss, bevor das Mutterschutzgesetz seine Wirkung entfaltet.

Das Bundesarbeitsgericht hat aber erfreulicherweise klargestellt, dass der Abschluss eines Arbeitsvertrages ausreichend ist und es nicht darauf ankommt, ob die Arbeitnehmerin ihre Tätigkeit erst später beginnt. Es folgt damit auch dem Europäischen Gerichtshof, der bereits 2010 festgestellt hat, dass das Kündigungsverbot gegenüber einer Schwangeren während der gesamten Schwangerschaft besteht.

Für den Arbeitgeber und die werdende Mutter hat das weitreichende Folgen, da die Schwangere während des Beschäftigungsverbotes Anspruch auf Mutterschutzlohn und später auf Mutterschaftsgeld hat. Umso wichtiger ist es, sich gegen unrechtmäßige Kündigungen des Arbeitgebers zu wehren.

Rechtliche Grundlagen

Mutterschutzgesetz

§ 17 Kündigungsverbot

(1) Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig
1.
während ihrer Schwangerschaft,
2.
bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und
3.
bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung,
wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn die Überschreitung auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers, die er im Hinblick auf eine Kündigung der Frau trifft.
(2) Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft, nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären. Die Kündigung bedarf der Schriftform und muss den Kündigungsgrund angeben.