© Adobe Stock - Von:Talaj
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Neumann ist Wachmann und schon über 10 Jahre in einem Bewachungsunternehmen beschäftigt. Die Einsätze laufen meist mehrjährig und Neumann ist dann immer im gleichen Objekt eingesetzt.

 

Jahrelang war sein Engagement von Kunden und seinem Arbeitgeber geschätzt. Doch dann hat er es angeblich übertrieben. Er wurde zum Unruhestifter erklärt, weil er mehrfach auf für ihn untragbare Verfehlungen eines Kollegen hingewiesen hat.

 

Hausverbot durch Kunden

 

Neumann war bekannt dafür, dass er sich kümmert, damit Bewachungsaufträge gut ausgeführt werden. Dann der Vorwurf vom Kunden, er habe Unterschriftslisten gegen den eigenen Kollegen gesammelt. Das reiche dem Kunden jetzt. Für Neumann völlig überraschend wurde ihm die Zugangsberechtigung entzogen.

Sein Arbeitgeber hatte ihn zuvor nicht gewarnt, dass er die Füße stillhalten müsse. Keine Ermahnung, keine Abmahnung wurde erteilt. Auch der Kunde hatte ihn nicht gewarnt. Anscheinend geht es allen Beteiligten manchmal nur darum, sofort Ruhe einkehren zu lassen, statt das Problem zu lösen.

 

Unangemessenes Angebot vom Arbeitgeber

 

Der Arbeitgeber zeigte wenig Bereitschaft, sich für Neumann einzusetzen. Und das obwohl der jedes Jahr einen persönlichen Dankesbrief erhalten hat, in dem seine Leistung und sein Einsatz hochgelobt wurden. Der Kunde wurde lediglich angeschrieben und gefragt, ob er sich das mit dem Hausverbot nicht noch mal überlegen wolle.

 

Neumann sollte dann 50 km pro Tag weiter fahren als zuvor und das für ein Drittel des bisherigen Stundenlohnes. Das sah Neumann nicht ein.

 

Kündigung bei unbezahlter Freistellung

 

Der Arbeitgeber kündigte unter Einhaltung der Kündigungsfrist und stellte Neumann unbezahlt frei.

 

Eine Freistellung während der Kündigungsfrist ist nicht ungewöhnlich, oft unwiderruflich mit dem Hinweis, dass Urlaub und evtl. Überstunden angerechnet, also dadurch verbraucht werden.

Aber unbezahlt Freistellen, das ist schon ungewöhnlich und hat die Wirkung wie eine fristlose Kündigung. Zum Glück hat die Agentur für Arbeit direkt Arbeitslosengeld gewährt.

 

Klage gegen Kündigung und Lohnklage

 

Neumann erhob Kündigungsschutzklage und verlangte Lohn für die Dauer der Kündigungsfrist.

 

Das Arbeitsgericht Aachen sah schnell das hiesige Dilemma. Der Arbeitgeber hatte noch nicht mal eine Abmahnung erteilt. Und nur, weil der Kunde ein Hausverbot gegenüber Neumann ausgesprochen hat, sei das kein Grund, der eine Kündigung rechtfertigt.

 

Auf der anderen Seite habe Neumann auch keinen Lohnanspruch, denn der Arbeitgeber sei nicht in Annahmeverzug, weil Neumann außer Stande sei, die Arbeitsleistung zu bewirken. Es sei neben dem Leistungswillen auch die Leistungsfähigkeit erforderlich. Es sei unerheblich, ob das Unvermögen auf tatsächlichen Umständen (z.B. gesundheitliche Gründen) beruhe oder die Ursache im Rechtlichen liege.

 

Einsatzverbot ist Unvermögen

 

Neumann sei rechtlich durch das Hausverbot daran gehindert, an die Arbeitsstelle zu gelangen und die dort geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

 

Andere gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit gab es in diesem Zeitraum nicht, damit war die Arbeitsleistung rechtlich Unvermögen.

 

Kein alleiniges oder überwiegendes Verschulden des Arbeitgebers

 

Ein Vergütungsanspruch kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 19.8.2015, 5 AzR 975/13) gem. § 326 BGB auch bei Unvermögen erhalten bleiben, wenn der Arbeitgeber für die Unmöglichkeit allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.

 

Neumann hatte sich im Verfahren vergeblich darauf berufen, dass sein Arbeitgeber einfach alles hat laufen lassen, und es durch diese Untätigkeit zu der Eskalation gekommen ist. Es konnte nicht bewiesen werden, dass der Arbeitgeber dem Kunden umfänglich die Arbeitgeberrechte übertragen hätte. Und in diesem Dreiecksverhältnis Neumann, Kunde, Arbeitgeber könne ein überwiegendes Verschulden des Arbeitgebers nicht angenommen werden, so das Gericht.

 

Unbefriedigendes Ergebnis

 

Das Gericht drängte in allen drei Terminen auf eine gütliche Einigung, denn das rechtliche Ergebnis –Kündigung unwirksam, kein Lohnanspruch - sei doch für keine Partei befriedigend.

 

Der Arbeitgeber war aber noch nicht einmal bereit Neumann für die Dauer der Kündigungsfrist zu vergüten.

 

Neumann verklagt Kunden auf Schadensersatz

 

Neumann hatte zuvor, aufgrund der Äußerungen der Richterin im Termin, gegenüber dem Kunden als Dritten schon Ansprüche geltend gemacht. Wenn nämlich der Kunde durch das Haus- und damit Einsatzverbot vertragliche Rücksichtnahmepflichten verletzt hat, könnte der Kläger seinen Lohn im Schadensersatzverfahren gegenüber dem Dritten durchsetzen.

Weil diese Streitigkeit im engen Zusammenhang mit der Streitigkeit mit seinem Arbeitgeber besteht, kann dies Verfahren auch vor dem Arbeitsgericht geführt werden.

 

Weitere Prozesse führen zu Prozessarbeitsverhältnis

 

Der Arbeitgeber hatte zum Ende der Kündigungsfrist neue gleichwertige Aufträge erhalten und groß über die Agentur für Arbeit Personal gesucht. Da Neumann für diese Zeiträume Lohn eingeklagt hat, hat er ihn dann im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses beschäftigt. Für die Dau­er des Pro­zes­ses konnte Neumann also weiter ar­bei­ten. Durch die neuen Stellen war es dem Arbeitgeber zu riskant geworden, dass nunmehr Annahmeverzugslohn zugesprochen würde, ohne dass er eine Arbeitsleistung davon hatte.

 

Neumann war damit zufrieden, dass man ihn weiterbeschäftigen wolle. Nur, was mit den 9 Monaten passieren sollte, in denen er nicht eingesetzt wurde und Arbeitslosengeld bezog, darüber konnte keine Einigung erzielt werden.

 

Beide Parteien legen Berufung ein

 

Das Arbeitsgericht hatte es richtig vorhergesehen: beide Seiten wollten das Urteil nicht akzeptieren und legten Berufung ein.

 

Viele Seiten Papier wurden gefüllt, denn beide Seiten hoben den Teil des Urteils bei dem sie gewonnen haben, als richtig hervor, den anderen Teil als rechtsfehlerhaft.

  

Termin vor dem LAG Köln

 

Das Landesarbeitsgericht bewies am Verhandlungstag Geschick dafür, die beiden Parteien zusammenzuführen.

Neumann wollte gerne auf dem Job bleiben, die Firma wollte es auch. Neumanns Angst war, er müsse bei einem Vergleich Arbeitslosengeld zurückzahlen.

 

Das Gericht erörterte, dass es wohl beide Berufungen zurückweisen würde und wohl auch keinen Annahmeverzug bis zur Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses sehe. Andererseits solle der Kläger nicht leer ausgehen, sondern ein Gehalt als Schadensersatz erhalten und auch noch seinen alten Urlaub behalten. Dies unter der Prämisse, dass die Schadensersatzklage gegen den Kunden zurückgenommen werde und er als Fachkraft beim jetzigen Einsatzort weiterbeschäftigt wird. Darauf einigten sich die Parteien.

Das sagen wir dazu:

Es kommt zum Glück im Arbeitsrecht selten vor, dass ein Urteil keiner Seite passen kann.

 

Der Sachverhalt zeigt wieder, wie schnell aus einem guten, engagierten Arbeitnehmer ein Unruhestifter wird, dem man noch nicht einmal die Kündigungsfrist bezahlen will. Und hier kehrte sich das Ganze dann noch mal, weil man in dem neuen Objekt Neumann wieder gerne haben wollte.