Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber können Arbeitsverhältnisse kündigen. Hierbei handelt es sich nämlich um Dauerschuldverhältnisse und die können in einem Rechtsstaat grundsätzlich immer gekündigt werden. Ob die Kündigung durch den Arbeitgeber wirksam ist, wird gegebenenfalls in einem Kündigungsschutzverfahren entschieden, wenn die/der Arbeitnehmer*in rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhebt. Arbeitet der Beschäftigte in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmer*innen und besteht das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate, benötigt der Arbeitgeber einen Grund für die Kündigung. In einem Arbeitsgerichtsverfahren muss er dann nachweisen, dass es den Grund tatsächlich gibt. Kündigen darf er nur, wenn er einen betriebsbedingten, verhaltensbedingten oder personenbedingten Grund hat, den unser Recht als Kündigungsgrund akzeptiert. Hat er einen solchen nicht, gilt die Kündigung als sozial nicht gerechtfertigt und ist unwirksam.
Bei einer Kündigung kommt es stets auf eine Prognose an
Eine Kündigung, die der Arbeitgeber mit einem Verhalten des Beschäftigten begründet, ist dann gerechtfertigt, wenn der Beschäftigte rechtswidrig gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen hat. Zudem kommt es darauf an, ob das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit eine andere, weitere Störung zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. So sagt es das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung. Es kommt also maßgeblich darauf an, ob der Beschäftigte sich in einer Weise verhalten hat, die darauf schließen lässt, dass er in Zukunft das Arbeitsverhältnis mit Verhaltensweisen beeinträchtigen wird, die der Arbeitgeber nicht zu akzeptieren braucht.
Eine Kündigung ist nämlich keine Strafe. Und deshalb prüft das Arbeitsgericht in diesem Fall auch nicht, ob die/der Arbeitnehmer*in bestraft werden muss. Es geht um Prognosen. Und die sind vor allem dann schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen, wie bereits Mark Twain seiner Zeit treffend formuliert hat. Die Gerichte bedienen sich daher eines kleinen Kniffs: nachweisen muss der Arbeitgeber nicht, dass ein Beschäftigter in Zukunft sich in der einen oder anderen Weise vermutlich verhalten wird. Nachweisen muss er nur, dass sein Vertrauen insoweit beeinträchtigt ist. Ist dieses in einem besonders schweren Maße beeinträchtigt, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis sogar ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Und das selbst dann, wenn er das Arbeitsverhältnis ordentlich gar nicht mehr kündigen kann, etwa weil ein Tarifvertrag einen besonderen Kündigungsschutz regelt.
Auch außerdienstliches verhalten kann eine Kündigung rechtfertigen
Prüft ein Gericht, ob ein Grund für eine verhaltensbedingte oder gar eine fristlose Kündigung vorliegt, geht es zunächst einmal um einen Grund „an sich“. Sodann muss es noch die Interessen der beiden Vertragsparteien gegeneinander abwägen.
Eine Frage, die die Gerichte und auch uns als Prozessvertreter immer wieder beschäftigt: kann das Vertrauen des Arbeitgebers in die/den Arbeitnehmer*in auch dann durch ein außerdienstliches Verhalten soweit gestört sein, dass es zu einer Kündigung berechtigt? Stellt also etwa eine Straftat, die ein*e Arbeitnehmer*in in der Freizeit begangen hat, einen Grund „an sich“ dar, das Arbeitsverhältnis zu kündigen?
Die Rechtsprechung ist sich grundsätzlich einig, dass auch außerdienstliches Verhalten eine Kündigung rechtfertigen kann. Das folgt aus einer Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Gemäß § 241 Absatz 2 BGB kann ein Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Das BAG folgert aus dieser Vorschrift: besteht ein Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zur Tätigkeit und sind dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt, kann eine außerhalb des Dienstes begangene Straftat ein Kündigungsgrund sein. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer die Straftat zwar außerdienstlich, aber unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begangen hat. Fehlt dagegen ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, liegt eine Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig nicht vor.
Wer seine Gehaltsabrechnung fälscht, begeht Urkundenfälschung
Unsere Kolleg*innen in Ulm vertraten kürzlich einen Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Augsburg, in dessen Fall es um eine gefälschte Gehaltsabrechnung ging. Diese soll der Beschäftigte einer Bank im vorgelegt haben, als er einen Kredit beantragte. Zugleich hatte er die Bank bevollmächtigt, Auskünfte über die Höhe der Lohn-, Gehalts- und sonstigen Entgeltansprüche beim Arbeitgeber einzuholen. Der Arbeitnehmer war allerdings bereits seit längerer Zeit arbeitsunfähig krank und bezog kein Arbeitsentgelt mehr.
Die Arbeitgeberin trug im Kündigungsschutzverfahren vor, der Abteilung Financial Security der Bank sei bei der Prüfung aufgefallen, dass Rechtschreibfehler und weitere Unstimmigkeiten in der vom Kläger vorgelegten Entgeltabrechnung auftreten würden. Darum habe sie sich bei der Arbeitgeberin nach den Bezügen des Arbeitnehmers erkundigt. Nachdem man die Abrechnung, die der Arbeitnehmer der Bank vorgelegt habe, mit den Daten im Unternehmen verglichen habe (Gehalt 0,00 €, Rückforderung der Beklagten gegenüber dem Kläger 11,41 €) sei eindeutig festgestellt worden, dass der der Bank vorgelegte Nachweis vom Kläger gefälscht worden sei, um dort über seine Kreditwürdigkeit zu täuschen. Das war alles auch gar nicht streitig. Der Arbeitnehmer hat nur bestritten, dass er selbst die Abrechnung gefälscht hatte.
Eine Entgeltabrechnung ist kein Betriebsmittel
Das Gericht sah aber im Verhalten des Klägers, selbst wenn er die Entgeltabrechnung für Oktober 2019 selbst verändert und bei der Bank zur Erlangung eines Kredits eingereicht hat, nicht als solch schwerwiegenden Grund an, das seit 26 Jahren bestehende Arbeitsverhältnis zu beenden. Der Kläger habe sicherlich eine Nebenpflicht verletzt. Auch möge sein Verhalten evtl. strafrechtlich relevant sein (Urkundenfälschung). Die Veränderung einer Gehaltsabrechnung stelle aber keine Nutzung von Betriebsmitteln des Arbeitgebers bei einer außerdienstlichen Straftat dar. Hinzu käme noch, dass die Straftat nicht auf die Beklagte zurückfalle. Die von der Bank mit Zustimmung des Arbeitnehmers vorgenommene Rückfrage bei der Beklagten habe vielmehr die Entstehung eines Schadens für die Bank verhindert.
Relevante negative Auswirkungen auf das Unternehmen oder das Arbeitsverhältnis habe das Gericht nicht erkennen können. Aber selbst wenn man die „Integritätsinteresse" des Arbeitgebers als beeinträchtigt ansehen würde und einen Grund „an sich" für eine Kündigung bejahe, führe das nicht dazu, dass die Kündigung wirksam sei. Nach einer Betriebszugehörigkeit von 26 Jahren käme man im Rahmen einer Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass man dem Arbeitgeber zumuten könne, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
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