Besser schweigen und als Narr scheinen, als sprechen und jeden Zweifel beseitigen (Abraham Lincoln). Copyright by Adobe Stock/StockMasters
Besser schweigen und als Narr scheinen, als sprechen und jeden Zweifel beseitigen (Abraham Lincoln). Copyright by Adobe Stock/StockMasters

Manchmal platzt einem die Hutschnur. Da behandeln dich die Kollegen schlecht, sorgen mit Bummeleien oder Nachlässigkeiten dafür, dass du mehr arbeiten musst als eigentlich nötig. Andere magst Du vielleicht auch einfach nicht. Bei denen könntest Du schon an die Decke gehen, wenn sie sich nur die Nase putzen. Wo Menschen sind, da menschelt es. Es rutscht einem hier und dort schon einmal etwas heraus, was man als gut erzogener Mensch normalerweise nicht aussprechen würde.
Dumm nur, wenn sich jemand durch einen blöden Spruch oder durch Worte beleidigt fühlt, der an einem längeren Hebel sitzt. Wie der Chef bei der Arbeit etwa. Mit einem solchen Fall hatten kürzlich unsere Kolleg*innen aus dem Büro Hannover zu tun. Marco Ludwig (Name von der Redaktion geändert) hatte zwei Arbeitskollegen als „Blödmänner“ bezeichnet und soll auch ansonsten eine aggressive Einstellung gezeigt und eine aggressive Verhaltensweise an den Tag gelegt haben.

Der Arbeitgeber kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis kündigen

Der Arbeitgeber hat daraufhin im Juni 2017 aus wichtigem Grund das Arbeitsverhältnis gekündigt. Er ist der Auffassung, die Äußerung des Herrn Ludwig, Herr Z und Herr L seien Blödmänner, seien grob beleidigend und müssten die fristlose Kündigung rechtfertigen, zumal diese Äußerung auch von anderen Kollegen gehört worden sei.  Darüber hinaus seien weitere Äußerungen ein klares Zeichen dafür, dass Herr Ludwig eine aggressive Einstellung habe und eine aggressive Verhaltensweise an den Tag lege. Der Arbeitgeber hatte Herrn Ludwig bereits wegen eines anderen Vorfalls ebenfalls im Juni 2017 abgemahnt.
Ein Arbeitsverhältnis kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Voraussetzung ist, dass demjenigen, der kündigt, nicht mehr zugemutet werden kann, dass das Arbeitsverhältnis auch nur solange fortgesetzt wird, bis die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Dabei sind die „Umstände des Einzelfalls“ zu berücksichtigen, wie es im Gesetz heißt (§ 626 Absatz 1 BGB). Sowohl Arbeitnehmer*innen als auch Arbeitgeber*innen können sich auf diese Vorschrift berufen.
In der Praxis kommen häufig Fälle vor, in denen ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigt, obwohl -etwa durch einen Tarifvertrag- die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Damit ist aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB zu kündigen.

Grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen können ein Grund „an sich“ sein, ein Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen

Auch gegen eine solche „außerordentliche“ oder „fristlose“ Kündigung kann ein betroffener Arbeitnehmer klagen. Das Gericht muss dann zunächst überprüfen, ob überhaupt ein wichtiger Grund „an sich“ vorliegt, ohne dass die besonderen Umstände des Einzelfalls eine Rolle spielen. Liegt ein solcher Grund vor, prüft das Gericht auf einer zweiten Stufe, ob man dem Arbeitgeber zumuten kann, das Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile fortzusetzen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Entscheidungen betont, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, ein Grund „an sich“ für eine fristlose Kündigung ist.
Wenn es also für die beiden Arbeitskollegen eine Beleidigung und Ehrverletzung ist, von Marco Ludwig als „Blödmänner“ bezeichnet zu werden, hätte die Kündigung die erste Stufe der Prüfung bestanden. Ein Grund „an sich“ läge vor.

Eine Abmahnung ist erst dann wirksam, wenn sie den Arbeitnehmer erreicht hat

Das Arbeitsgericht Hannover hatte insoweit bereits Zweifel. Die behaupteten Äußerungen, Herr Z und Herr L seien Blödmänner, können losgelöst vom Kontext, indem sie gefallen sind, nicht als schwerwiegende Beleidigung gewertet werden. Es sei insoweit auch nicht zielführend, allgemein den Sinngehalt des Wortes „Blödmann" zu untersuchen.
Auf der nächsten Stufe hätte zudem geprüft werden müssen, ob der Arbeitgeber Herrn Ludwig zuvor einschlägig abgemahnt hat. Der Arbeitgeber hatte indessen nicht beweisen können, dass die Abmahnung vom Juni 2017 Herrn Ludwig vor dem Vorfall erreicht hat, wegen dem er ihn jetzt gekündigt hatte.
Es sei nicht erkennbar, so das Gericht, ob die Äußerungen zeitlich vor oder nach der einschlägigen Abmahnung vom Juni 2017 erfolgt seien. Es käme nicht darauf an, dass die Beklagte nicht schon eher von diesen behaupteten Äußerungen erfahren habe.  Entscheidend sei, dass möglicherweise die Warnfunktion der Abmahnung den Kläger nicht erreicht habe.
Das Gericht konnte schließlich die außerordentliche Kündigung nicht in eine ordentliche Kündigung umdeuten. Eine solche wäre nämlich aus einem anderen Grunde unwirksam: Herr Ludwig ist schwerbehindert und das Integrationsamt hatte lediglich einer außerordentlichen Kündigung zugestimmt.
Hier geht es zur Entscheidung

Für Interessierte unseren Artikel: „Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis“

Das sagen wir dazu:

Es ist insbesondere zu begrüßen, dass das Gericht es für wichtig hält, in welchem Kontext ein auf den ersten Blick beleidigendes Wort gefallen ist. Dabei muss auch eine Rolle spielen, welcher Jargon in einer bestimmten Umgebung üblich ist. Und das ist jetzt nicht wertend gemeint. Arbeitskollegen auf einer Baustelle pflegen untereinander in der Regel schon eine etwas andere Sprache als etwa Richterkollegen am Arbeitsgericht.

Entscheidend muss auch sein, in welcher Weise ein Mensch von anderen behandelt wird. Wer unter einem gewissen Druck steht, reagiert anders als ein Mensch, der sich sein Verhalten überlegt. Wer gleichsam in seinem Arbeitsumfeld „gemobbt“ wird, fährt schon einmal aus der Haut.
Schwierig ist es zuweilen auch, erlaubte Kritik von einer Herabwürdigung abzugrenzen. Das Verhalten eines anderen zu bewerten, ihn im Zweifel sogar einmal hart anzugehen, ist auch im Arbeitsverhältnis erlaubt. Ziel darf aber nicht sein, den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Arbeitskolleg*innen herabzuwürdigen, zu schmähen oder zu beleidigen. Diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen können durchaus ein Grund für eine Kündigung sein.

Es kommt dabei aber vor allem darauf an, ob eine Meinung, die ein Beschäftigter öffentlich geäußert hat, objektiv betrachtet das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber in Zukunft nachhaltig stören wird. Ob ein Arbeitgeber zurecht kündigen darf, hängt nämlich allein davon ab, was er für die Zukunft erwarten kann, wenn er den Sachverhalt objektiv beurteilt.
In diesem Sinne darf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hannover kein Freibrief dafür sein, mit Schimpfworten und dummen Sprüchen, um sich zu werfen. Gegenseitiger Respekt sollte uns auch im Arbeitsverhältnis leiten.

Das Arbeitsgericht Hannover hatte auch nur über die außerordentliche Kündigung zu entscheiden. Wenn eine Äußerung kein wichtiger Grund für eine außerordentlich Kündigung ist, kann sie gleichwohl ein verhaltensbedingter Grund im Sinne von § 1 Kündigungsschutzgesetz sein. Wenn die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall beim Integrationsamt auch beantragt hätte, einer ordentlichen Kündigung zuzustimmen, hätte die Sache auch anders ausgehen können.