Der Leiter Dieselmotorenentwicklung kann nicht gekündigt werden, weil VW den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt hat. Copyright by  Jörg Hüttenhölscher/Adobe Stock
Der Leiter Dieselmotorenentwicklung kann nicht gekündigt werden, weil VW den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt hat. Copyright by Jörg Hüttenhölscher/Adobe Stock

Der ehemalige Hauptabteilungsleiter und Leiter Dieselmotorenentwicklung hatte gegen seine fristlose Kündigung geklagt. Im Gegenzug wollte VW festgestellt wissen, dass er schadensersatzpflichtig ist. Außerdem hatte VW einen Auflösungsantrag gestellt.

Kündigung wegen Schummelsoftware

Nach der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2020 hat das Arbeitsgericht Braunschweig jetzt ein Urteil gesprochen.

VW hatte die Kündigung damit begründet, dass der Kläger die Nutzung der Abgassoftware nicht unterbunden habe, obwohl er bereits 2011 von deren Rechtswidrigkeit gewusst habe. Stattdessen habe er angeordnet, die Software in eine neue Motorgeneration zu implementieren.

Außerdem habe er dazu beigetragen, die Problematik gegenüber den US-Umweltbehörden zu verschleiern. Schließlich habe er eine Stillschweigensvereinbarung in Bezug auf außergerichtliche Vergleichsgespräche gebrochen, so dass unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung eine Weiterbeschäftigung unzumutbar sei.

Betriebsrat war nicht ordnungsgemäß unterrichtet

Der Kläger macht geltend, er sei ausschließlich für den Bereich der Motoren-Hardware zuständig gewesen, nicht aber für den Bereich des Softwareeinsatzes. Die Kündigung sei unwirksam, weil er sich nichts habe zu Schulden kommen lassen.

Im Ergebnis gab das Arbeitsgericht Braunschweig ihm nun recht. Auf die Vorwürfe musste es allerdings nicht eingehen: Die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil VW den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet habe.

Deshalb habe auch der Auflösungsantrag keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe daher fort. Der Kläger sei weiter zu beschäftigen, wenn auch nicht zwingend in seiner alten Funktion. Außerdem muss VW die Vergütung des Klägers für den Zeitraum ab dem Ausspruch der Kündigung nachzahlen.
Pressemitteilung des Arbeitsgerichts

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Das sagen wir dazu:

So peinlich die Schlappe für den Volkswagen-Konzern ist, so sehr zeigt der Fall auch, was für eine wichtige Rolle der Betriebsrat bei der Kündigung spielt. Denn dieser ist bei jeder Kündigung zu beteiligen.

Betriebsrat muss ordnungsgemäß beteiligt werden

Dabei ist seine Rolle auf den ersten Blick eher klein: Er ist anzuhören, kann die Kündigung selbst also nicht verhindern. Aber diese Anhörung muss eben ordnungsgemäß sein. Konkret bedeutet das, dass der Arbeitgeber ihm die für ihn maßgeblichen Tatsachen ausführlich mitzuteilen hat. Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt.Der Betriebsrat muss aufgrund der Informationen in der Lage sein, ohne eigene Recherchen selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Nur so kann er auf die Entscheidung des Arbeitgebers Einfluss nehmen. Der Arbeitgeber kann sich im Prozess nicht auf Kündigungsgründe berufen, die er nicht vorher dem Betriebsrat mitgeteilt hat. Er verliert dann den Prozess, wenn die Gründe, die er dem Betriebsrat mitgeteilt nicht ausreichen, um eine Kündigung zu rechtfertigen.

Gründe, die der Betriebsrat nicht kennt, gelten vor Gericht nicht

Wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat also mitteilt, der Arbeitnehmer solle gekündigt werden, weil er so oft krank ist, das Arbeitsgericht die Fehlzeiten aber nicht für erheblich hält, so kann der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen, der Arbeitnehmer habe seine Krankmeldungen immer zu spät abgegeben und sei deshalb aus verhaltensbedingten Gründen zu kündigen.Selbst wenn das stimmt: Er hat es dem Betriebsrat nicht mitgeteilt. Deshalb spielt es vor Gericht keine Rolle mehr. Auch wenn der Betriebsrat bei Kündigungen “nur“ angehört werden muss: Der Verstoß gegen die Anhörungspflicht kann erhebliche Folgen haben.Das musste Volkswagen nun schmerzlich erfahre. Da half es auch nicht, dass er sich im Verfahren von der Großkanzlei Freshfields vertreten ließ.

Rechtliche Grundlagen

§ 102 Mitbestimmung bei Kündigungen

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.