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Durch den Betriebsübergang wäre der Kläger bei einer insolventen Firma angestellt gewesen.
Copyright: @Adobe Stock – N. Theiss Durch den Betriebsübergang wäre der Kläger bei einer insolventen Firma angestellt gewesen.

Neumann ist schon mehrere Jahre krank. Es wird geklärt, ob es sich um eine Berufskrankheit handelt.

Mittlerweile ist die Schwerbehinderung anerkannt.

 

Auf einmal erhält er von einem Insolvenzverwalter einer Firma, die sich noch nie an ihn gewendet hat, eine Kündigung. Er recherchiert: die sollen Teile seiner bisherigen Firma übernommen haben.

 

Vorsorgliche Klage

 

Vorsorglich erhebt der DGB Rechtsschutz Düren Kündigungsschutzklage. Die Kündigung wäre schon unwirksam, weil keine Zustimmung des Integrationsamtes vorlag.

 

Der Insolvenzverwalter kündigt erneut und beruft sich auf eine im Insolvenzrecht geltende Fiktionswirkung (§§ 171, 172 SGB IX). Der Gesetzgeber hat solche Fiktionen eingeführt, damit Verfahren, die eigentlich nichts mit der Schwerbehinderung zu tun haben, den Ausspruch der Kündigung ermöglichen, wenn die Behörden nicht schnell genug über die Anträge entscheiden.

 

Teilbetriebsübergang

 

Nach diversen Schriftwechseln stellt sich heraus, dass es Neumanns alte Firma noch gibt. Zuvor hat aber ein Teilbetriebsübergang auf die jetzt insolvente Firma stattgefunden, wobei der Insolvenzverwalter quasi über den Namen von Neumann gestolpert ist.

 

Bei einer Firma, für die Masseunzulänglichkeit im Insolvenzverfahren angezeigt ist, will man nicht Arbeitnehmer sein. Da ist ja nichts mehr zu holen und Urlaubsabgeltung stünde Neumann beim Ende des Arbeitsverhältnisses schon zu. Der Anspruch wäre aber hier nichts wert. Für den Ausfall von Lohn der letzten drei Monate gibt es Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit, für Urlaubsabgeltungsansprüche nicht.

 

Bei einem Betriebsübergang oder Teilbetriebsübergang regelt § 613a Abs. 5 BGB, was genau der alte oder neue Betrieb Neumann hätte mitteilen müssen, Zeitpunkt, Grund für den Übergang, rechtliche, wirtschaftliche soziale Folgen etc. Das alles ist unterblieben. Die Folge ist dann, dass Neumann selbst jetzt noch dem Übergang widersprechen könnte. Die einmonatige Widerspruchsfrist läuft nur dann, wenn eine ordnungsgemäße Mitteilung erfolgt wäre.

 

Kammertermin

 

Vor dem Arbeitsgericht Aachen wurde dann im Kammertermin die etwas absurde Situation diskutiert, dass eigentlich beide Parteien das gleiche wollen. Der Insolvenzverwalter, bzw. dessen Prozessvertreter, wollte mit seinen Kündigungen erreichen, dass Neumann nicht (mehr) Arbeitnehmer ist. Und Neumann hat sich nur vorsorglich gegen die Kündigungen gewehrt, weil er eigentlich festgestellt haben wollte, dass eben kein Arbeitsverhältnis mit der insolventen Firma besteht.

 

"Die Kuh vom Eis gezogen"

 

Mit Hilfe des Gerichts konnte dann über eine passende Formulierung ein Weg gefunden werden, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Neumann erklärte nochmals, dass er nichts von einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses wisse und dem widerspreche. Daraufhin hat der Rechtsanwalt des Insolvenzverwalters erklärt, er nehme die Kündigungen zurück und leite keine Rechte daraus mehr her.

Das sagen wir dazu:

Müssen solche Verfahren sein? Wo der Sachverhalt jetzt aufgedröselt ist, lautet die Antwort: nein.

 

Aber bei Kündigungen ist immer äußerste Vorsicht geboten. Eine versäumte Klagefrist kann so gut wie nicht mehr geheilt werden. Was wäre, wenn auf einmal doch die Informationen über den Betriebsübergang auftauchen, die der erkrankte Neumann völlig verdrängt hat? Leider kommt es vor, dass der Sachverhalt, von dem man als Prozessvertreter zunächst ausgeht, so nicht stimmt.

 

Neumanns Urlaubsansprüche stehen weiter im Raum. Fällig werden Urlaubsabgeltungsansprüche jedoch erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.