Eine Kündigungsschutzklage wäre hier bis zum 19. November fristgerecht gewesen © Adobee Stock - Von Piman Khrutmuang
Eine Kündigungsschutzklage wäre hier bis zum 19. November fristgerecht gewesen © Adobee Stock - Von Piman Khrutmuang

Seit mehr als 30 Jahren war er als Maschinenführer beschäftigt, als er Ende Oktober 2020 eine Kündigung von seinem Arbeitgeber erhielt. Nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie NRW war das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

 

Die Kündigung, datiert auf den 28. Oktober, wurde am 29. Oktober per Einschreiben zugestellt. Eine Kündigungsschutzklage wurde am 24. November erhoben und damit nicht innerhalb der Dreiwochenfrist. Wie war es dazu gekommen?

 

Betriebsrat widersprach der Kündigung – BEM stand an

Der Kläger hatte sich direkt, nachdem er die Kündigung bekommen hatte, mit dem Betriebsrat in Verbindung gesetzt. Dort bekam er die Auskunft, man sei vom Arbeitgeber über die Kündigung informiert, jedoch nicht dazu angehört worden, und werde der Kündigung widersprechen. Er brauche nichts weiter zu unternehmen, auch keine Klage einreichen. Das wurde in einem späteren persönlichen Gespräch so nochmals bestätigt.

 

Zwischenzeitlich, am 30. Oktober, hatte der Kläger eine Einladung zu einem BEM-Gespräch (Betriebliches Eingliederungsmanagement) erhalten. Das Gespräch sollte am 3. November sein, fiel aber aus, da der Geschäftsführer erkrankt war.

 

Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 3. November der Kündigung. Dann verging wertvolle Zeit. Zeit, die der gekündigte Maschinebediener nicht hatte.

Am 24. November kam es zu einem Kontakt des Betriebsratsvorsitzenden mit dem DGB Rechtsschutz in Herford. Von dort wurde dann eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht sowie die nachträgliche Zulassung der Klage beantragt.

 

Dreiwochenfrist endete am 19. November

§ 4 des Kündigungsschutzgesetzes lautet:

 

  • Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist.

 

Bei dieser Klagefrist handelt es sich nicht um eine rein prozessuale Frist. Die Kündigung gilt als von Anfang an rechtswirksam, wenn ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht wird.

 

Die nachträgliche Zulassung

Das Kündigungsschutzgesetz regelt in § 5 die Zulassung verspäteter Klagen:

 

  • War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.

 

Unter bestimmten Voraussetzungen ist die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage möglich. Die Anforderungen hieran sind jedoch extrem hoch. Wird die Frist versäumt, ist die Klage nur dann nachträglich zuzulassen, wenn der/die Gekündigte an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert war.

Individuelle Besonderheiten spielen dabei keine Rolle, auch nicht, ob die Klagefrist bekannt ist oder nicht. Es gehört zu den Sorgfaltspflichten von Arbeitnehmer*innen, die eine Kündigung bekommen, sich unverzüglich darum zu kümmern, ob und wie man dagegen vorgehen kann. Eine Rolle spielen können subjektive Besonderheiten, die in der konkreten Situation den Schutz des Arbeitnehmers auch in Anbetracht der Interessen des Arbeitgebers geboten erscheinen lassen.

 

Kläger war nicht an der rechtzeitigen Erhebung einer Klage verhindert

Der Kläger hatte hier auf die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden vertraut, so seine Hauptargumentation. Er verwies zudem auf die Einladung zum BEM, die er noch nach der Kündigung erhalten hatte.

 

Diese Gründe sind menschlich völlig nachvollziehbar, rechtlich konnten sie aber nicht dazu führen, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Der Kläger unterlag beim Arbeitsgericht Herford sowie in der Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm (LAG). Für ihn besonders bitter, da er den tariflichen besonderen Kündigungsschutz hatte. Aber auch der half hier nicht.

 

Betriebsrat ist keine zur Erteilung von Rechtsauskünften geeignete Stelle

Wer selbst nicht weiß, dass er innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage zu erheben hat, für den kommt eine nachträgliche Zulassung in Betracht, wenn er sich informiert. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer an eine zur Erteilung von Auskünften geeignete, zuverlässige Stelle wenden und klarmachen, dass er eine Kündigung bekommen hat, gegen die er sich wehren möchte. Bekommt er dort eine falsche Antwort und versäumt deshalb die Frist, ist die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

 

Nach dem LAG durfte sich der Kläger nicht auf die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden verlassen, keine Klage erheben zu müssen, da dieser zur Erteilung einer solchen Auskunft nicht geeignet sei.

Dafür berief sich das LAG auf die allgemeine Meinung, wonach ein Betriebsrat keine zur Erteilung von Rechtsauskünften geeignete Stelle ist und die unrichtige Auskunft die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht rechtfertigen kann.

 

In dieser Situation reichte es nicht, sich nur an den Vorsitzenden des Betriebsrates zu wenden

Umstritten ist, ob eine Ausnahme besteht, wenn es sich um einen Großbetrieb handelt und der Betriebsrat eine Fachkompetenz aufgrund bestimmter Umstände kundtut. Hier war der Arbeitgeber aber ein mittelgroßer Betrieb mit 80 Mitarbeitern, in dem erst im Jahr 2019 ein Betriebsrat gewählt wurde. Der Kläger habe deshalb nach dem LAG nicht davon ausgehen können, dass der Betriebsratsvorsitzende durch seine Betriebsratstätigkeit bereits hinreichende Erfahrungen und Kenntnisse auch von individualrechtlichen Fragen eines Arbeitsverhältnisses erlangt hatte.

 

Das LAG hielt dem Kläger als Gewerkschaftsmitgliedschaft auch vor, dass ihm sein Anspruch auf Rechtsschutz in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten hätte bekannt sein müssen. Es habe für den Kläger auf der Hand gelegen, sich bei der Gewerkschaft bzw. der DGB Rechtsschutz GmbH qualifizierte Auskünfte über das weitere Vorgehen gegen die Kündigung zu holen.

 

BEM-Verfahren spielt keine Rolle

Als unerheblich sah das LAG auch die nach der Kündigung erfolgte die Einladung zu einem BEM-Gespräch an. Schließlich sei das Arbeitsverhältnis nach der Kündigung noch sieben Monate fortzusetzen gewesen und um diese Zeit ginge es. Eine ausdrückliche Rücknahme der Kündigung sei durch das Schreiben nicht erfolgt und könne ihm auch nicht konkludent durch Auslegung entnommen werden.

  

Das vollständige Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm ist hier nachzulesen.