Vorsicht bei per Boten zugestellten Kündigungen bei längerer Ortsabwesenheit. Copyright by Andrey Popov/Fotolia
Vorsicht bei per Boten zugestellten Kündigungen bei längerer Ortsabwesenheit. Copyright by Andrey Popov/Fotolia

Dem Kläger, Chefarzt einer Klinik, wurde im Juni 2016 gekündigt. Das Kündigungsschreiben, befand sich in einem unfrankierten Briefumschlag mit dem Aufdruck „Klinikverbund B“. Der Einwurf des Kündigungsschreibens erfolgte durch einen Boten am 07.6.2016 im Laufe des Vormittags in einen mit dem Namen des Klägers versehenen Briefkasten an dessen Wohnanschrift.
 
Da der Kläger eine Beschäftigung in Katar aufgenommen hatte, war er aber unter seiner deutschen Wohnanschrift nicht mehr wohnhaft. In Deutschland war er nur unregelmäßig.
 
Sein Wohnhaus hatte er vermietet und dem Mieter aufgegeben, jeden Monat die Post nach Katar zu senden. Die Anweisung habe darin bestanden, dass der Mieter ihm wichtige Einschreiben und förmliche Zustellungen unverzüglich nach Katar senden und ihn über derlei Schriftstücke vorweg per WhatsApp informieren solle. Der Briefumschlag, mit dem das Kündigungsschreiben versandt wurde, habe so ausgesehen wie bereits in der Vergangenheit vom Arbeitgeber an den Kläger versandte allgemeine Informationen. Trotz Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt habe er die Kündigungsschutzklage nicht rechtzeitig erheben können. Auch habe er mit einer Kündigung nicht rechnen müssen.
 
Mit dieser Begründung beantragte er die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Nachdem das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven  und Landesarbeitsgericht Bremen den Antrag zurückwiesen legte der Kläger Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.
 

Keine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

Das BAG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Revision des Chefarztes zurück. Der Kläger sei bei Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt nicht gehindert gewesen, die Klage rechtzeitig zu erheben. Denn, so das BAG, er habe dafür Sorge tragen müssen, dass er zeitnah von für ihn bestimmten Sendungen Kenntnis erlangt. Gründe für eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage seien nicht gegeben.
 

Aufrechterhalten einer Zugangsmöglichkeit durch Briefkasten

Durch die Beibehaltung eines mit seinem Namen versehenen Briefkastens an seinem Wohnhaus habe der Kläger eine Zugangsmöglichkeit aufrechterhalten, so das BAG. Somit habe es ihm oblegen, auch Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme von dort eingelegten Schreiben zu treffen. Es habe zum Beispiel nahegelegen, seinen Mieter darum zu bitten, die Post an eine Person seines Vertrauens weiterzuleiten und diese wiederum mit der Überprüfung des Inhalts der Sendung zu beauftragen. Schon im Hinblick auf die langen Postlaufzeiten von Deutschland nach Katar sei die Anweisung an den Mieter, einmal in Monat die Post nach Katar zu senden, unzureichend gewesen.
 

Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch die Arbeitgeberin?

Von einer Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten der Beklagten sei nicht auszugehen, so das BAG. Selbst wenn ihr die Beschäftigung des Klägers in Katar bekannt gewesen wäre, habe sie mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger die nötigen Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme getroffen habe.
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil des Bundesarbeitsgerichte vom 25. April 2018, Az.: 2 AZR 493/17

Das sagen wir dazu:

Hürden für eine nachträgliche Zulassung extrem hoch

Gegen eine Kündigung muss innerhalb einer Frist von drei Wochen Klage erhoben werden. Wird die Frist versäumt, kann die Kündigung nicht mehr angegriffen werden.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist jedoch die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage möglich. Die Anforderungen hieran sind jedoch extrem hoch. Denn nach § 5 Abs. 1, Satz 1 Kündigungsschutzgesetz ist eine Klage nur dann nachträglich zuzulassen, wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage zu erheben.

Bei längerer Ortsabwesenheit sollten Arbeitnehmer*innen unbedingt Vorkehrungen treffen, um rechtzeitig in Kenntnis darüber zu gelangen, wenn ein Kündigungsschreiben an die Wohnanschrift zugestellt wird. Es empfiehlt sich daher, Bekannte oder Verwandte zu bitten z.B. wöchentlich den Briefkasten zu leeren und die Post zu sichten.

Da Arbeitgeber nicht selten Kündigungsschreiben per Boten zustellen lassen, sollte ein unfrankierter Briefumschlag nicht unbeachtet bleiben. Denn auch unscheinbar erscheinende Briefumschläge können Kündigungsschreiben enthalten.

Rechtliche Grundlagen

§ 5 Kündigungsschutzgesetz (Zulassung verspäteter Klagen)

Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
§ 5 Zulassung verspäteter Klagen

(1) War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

(2) Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen. Der Antrag muß ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

(3) Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

(4) Das Verfahren über den Antrag auf nachträgliche Zulassung ist mit dem Verfahren über die Klage zu verbinden. Das Arbeitsgericht kann das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. In diesem Fall ergeht die Entscheidung durch Zwischenurteil, das wie ein Endurteil angefochten werden kann.

(5) Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nicht entschieden oder wird ein solcher Antrag erstmals vor dem Landesarbeitsgericht gestellt, entscheidet hierüber die Kammer des Landesarbeitsgerichts. Absatz 4 gilt entsprechend.