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Seit 2015 arbeitet der Kläger als Sicherheitskraft im beklagten Unternehmen.

 

Im August 2022 wurde aufgrund angeblich fehlender Zuverlässigkeit behördlich untersagt, ihn im Bewachungsgewerbe einzusetzen. Dahinter stand eine Verurteilung mit der Folge einer Eintragung im Bundeszentralregister. Zu dem Zeitpunkt war die Verurteilung schon fast verjährt.

 

Kündigung statt Gespräch

 

Fünf Tage darauf kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, ohne den Mitarbeiter nach den Hintergründen zu befragen.

 

Der DGB Rechtsschutz Bremen erhob Kündigungsschutzklage.

 

Im September, nach Klageerhebung und etwa einen Monat nach Attestierung der Unzuverlässigkeit, zog die Behörde diese wieder zurück und gab den Kläger im Bewachungsgewerbe mit sofortiger Wirkung wieder frei.

 

Der Streit war nicht vorbei

 

Man könnte meinen, damit habe sich der Rechtsstreit beim Arbeitsgericht erledigt. Allerdings war das Unternehmen nicht bereit, die Kündigung zurück zu nehmen. Einigen konnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch nicht darüber, ob und wie die Zwischenzeit vergütet wird. Das Unternehmen wollte einen neunen Arbeitsvertrag schließen, der Kläger wollte ein nahtloses Arbeitsverhältnis. Deshalb kam es nicht nur zu einem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen, sondern auch noch zu einem Berufungsverfahren, veranlasst vom Arbeitgeber, der das Urteil nicht akzeptierte.

 

Im Rahmen eines Prozessrechtsarbeitsverhältnisses nahm der Kläger Anfang November 2022 seine Arbeit wieder auf.

 

Das Arbeitsgericht gab dem Kündigungsschutzantrag und dem Weiterbeschäftigungsantrag statt. Den eingeklagten Annahmeverzugslohn sprach es dem Kläger nur ab dem Zeitpunkt zu, nachdem die Behörde ihn wieder im Bewachungsgewerbe freigegeben hatte. Für den Monat davor gab es nichts, da es dem Kläger aufgrund des Entzugs der Zuverlässigkeit nicht möglich war, seine Arbeitsleistung als Sicherheitskraft zu erbringen. Weder durfte er im Bewachungsgewerbe arbeiten, noch durfte das beklagte Unternehmen ihn einsetzen.

 

Das Prognoseprinzip

 

Das Gericht prüfte zunächst, ob ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt. In diesem Fall kam es besonders auf das Prognoseprinzip an. Die außerordentliche Kündigung kann nur auf Gründe gestützt werden, die sich - beurteilt nach dem Zeitpunkt des Kündigungszugangs - künftig konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken würden. Wird dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin die zur Ausübung der vertraglich übernommenen Tätigkeit unverzichtbare öffentlich-rechtliche Erlaubnis (wie z.B. die Fahrerlaubnis bei einem Lkw-Fahrer oder die Zuverlässigkeit für einen Mitarbeiter im Bewachungsgewerbe) entzogen, kann dies zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, wenn ein anderweitiger Einsatz nicht in Frage kommt. Die Verhängung eines kurzfristigen Fahrverbots ist zum Beispiel in der Regel kein wichtiger Grund.

 

Daran gemessen, hält das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam. Zwar könne die Untersagung des Einsatzes des Klägers im Bewachungsgewerbe einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen. Allerdings habe die Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gar nicht beurteilen können, ob der Grund für die Kündigung sich zukünftig konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken würde. Denn sie habe dem Kläger unmittelbar nach Erhalt des Schreibens außerordentlich gekündigt, ohne sich entweder beim Kläger oder gegebenenfalls bei der Behörde nach den Umständen und der Richtigkeit der Entscheidung zu erkundigen. Deshalb konnte sie gar nicht einschätzen, ob der Kläger Argumente gegen den Entzug der Zuverlässigkeit anbringen würde. Sie hätte daher zumindest mit dem Kläger Kontakt aufnehmen müssen, um die Umstände des Einzelfalls zu klären.

 

Verheimlichung der Verurteilung als wichtiger Grund?

 

Der Kläger hatte es unterlassen, der Beklagten seine Verurteilung mitzuteilen. Das Gericht prüfte, ob dieser Vorwurf die Kündigung rechtfertigen könnte. Da diese Verurteilung offensichtlich Auswirkung auf die Attestierung seiner Zuverlässigkeit hatte, wäre der Kläger aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verpflichtet gewesen, dies seinem Arbeitgeber mitzuteilen. Die Verheimlichung der Verurteilung könne an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen.

 

In einem weiteren Schritt prüfte das Gericht, ob die Kündigung eine verhältnismäßige Reaktion des Arbeitgebers war. Das verneinte es. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sei es der Beklagten zumutbar gewesen, eine Abmahnung auszusprechen und das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Zwar habe der Kläger das Vertrauensverhältnis beschädigt, da er die Verurteilung verschwiegen hatte. Da die Verurteilung aber schon (fast) verjährt war und das Arbeitsverhältnis im Übrigen über Jahre unbeanstandet durchgeführt worden sei, hätte die Beklagte das Vertrauen durch den Ausspruch einer Abmahnung wiederherstellen können. Denn es sei nicht zu erwarten, dass der Kläger in Zukunft eine gleiche oder ähnliche Pflichtverletzung erneut begehen würde.

 

Vertrauensbruch nicht so schwerwiegend

 

Davon war das Gericht überzeugt. Es sei der Beklagten deshalb zumutbar gewesen, den Kläger auch über den Ablauf der ordentlichen Kündigung hinaus weiter zu beschäftigen, womit sich auch die ordentliche Kündigung als unwirksam erweise.

Dabei ging es davon aus, dass der Kläger die Verurteilung verschwiegen hatte, um sein laufendes Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht zu gefährden. Dies entschuldige sein Verhalten selbstverständlich nicht, sei jedoch in Anbetracht der drohenden Folgen für den Kläger menschlich nachvollziehbar. Aufgrund dessen hätte die Beklagte dieses Fehlverhalten abmahnen müssen.

 

Da der Arbeitgeber Berufung eingelegt hat, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.