Mit falschen Zeitabrechnungen kann man schon Geld verdienen – Betrug ist das aber nicht immer. Copyright by Adobe Stock/Nata
Mit falschen Zeitabrechnungen kann man schon Geld verdienen – Betrug ist das aber nicht immer. Copyright by Adobe Stock/Nata

Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit seinem Arbeitgeber bestand schon seit über 30 Jahren. Nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst konnte sein Arbeitgeber ihm nur noch fristlos aus wichtigem Grund kündigen.
 

Der Kläger war zuvor viele Jahre freigestellter Personalrat

Der Kläger war zuvor viele Jahre freigestellter Personalrat. Nachdem die Freistellung endete, nahm er seine Tätigkeit als Kundenberater wieder auf. Mit seinem Vorgesetzten legte er seinen Dienstsitz fest. Im Laufe der Zeit änderte sich einiges. Er arbeitete immer häufiger auch an anderen Orten. Später kam es zu einer Versetzung. Diese sollte zunächst nur vorübergehend sein, der Kläger war damit auch einverstanden. Die Versetzung zog sich dann aber doch in die Länge.
 
Beim ursprünglich vereinbarten Dienstsitz ist es über die Jahre hinweg aber geblieben. Ausgehend von diesem Dienstsitz erhielt der Kläger Zeitgutschriften für seine Reisetätigkeit. Fahrtkosten durfte er auch abrechnen. Genaue Details darüber, was er wie berücksichtigen sollte, enthielt die Vereinbarung
nicht.
 

Die Einsätze des Klägers waren nur schlecht im Vorhinein zu planen

Die Einsätze des Klägers waren nur schlecht im Vorhinein zu planen. Die ursprüngliche Planung musste auch immer wieder geändert werden. Die einzelnen Arbeitswege des Klägers waren täglich unterschiedlich. Die zurückgelegten Wegstrecken ließen sich auf Grund dessen nur schwer nachvollziehen.
 
Arbeitgeber und Kläger stritten im Verfahren jedenfalls darüber, wie der Kläger hätte fahren müssen, um die jeweils kürzeste Strecke zu nehmen. Konkrete Absprachen hatte es hierzu aber nicht gegeben.
 

Der Arbeitgeber unterstellte seinem Mitarbeiter, dieser habe ihn hinsichtlich der Zeiterfassung und der Reisekosten vorsätzlich täuschen wollen

Der Arbeitgeber unterstellte seinem Mitarbeiter vor, ihn hinsichtlich der Zeiterfassung und der Reisekosten  vorsätzlich getäuscht zu haben. Er warf ihm eine bewusste Schädigung und die Absicht vor, sich selbst bereichern wollen. Deshalb habe er die fristlose Kündigung ausgesprochen.
 
Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) vertrat Sabine Martini, Juristin der DGB Rechtsschutz GmbH in Stuttgart, den Kläger. Sie weist darauf hin, im Verfahren habe sich herausgestellt, dass die Vereinbarung des Klägers mit seinem Arbeitgeber über die Zeiterfassung und die Reisekosten umständlich, unpraktikabel und äußerst störanfällig gewesen sei. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil der Arbeitsanfall sehr hoch gewesen sei und schlecht voraus geplant werden konnte.
 

In der Vorinstanz hatte das Arbeitsgericht Stuttgart mit seiner Außenkammer in Aalen bereits zu Gunsten des Klägers entschieden

In der Vorinstanz hatte das Arbeitsgericht Stuttgart mit seiner Außenkammer in Aalen bereits zu Gunsten des Klägers entschieden. Das LAG schloss sich diesem Urteil, nun ausdrücklich an. Es läge nämlich kein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Klägers vor.
 
Dem Kläger werde vorgeworfen, er habe hinsichtlich der Zeiterfassung und Reisekosten betrogen. Ein Arbeitnehmer, der bei Spesenabrechnungen bewusst falsche Angaben mache, der es zumindest für möglich halte, dass diese unrichtig sind und das auch in Kauf nehme, verletze in erheblicher Weise seine vertraglichen Pflichten. Egal, ob es nur um einen geringen Betrag gehe und der Vorfall auch einmalig bleibe, solche Fehler könnten durchaus eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
 

Maßgeblich kommt es darauf an, ob dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände zuzumuten sei, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen

Maßgeblich komme es darauf an, ob dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände zuzumuten sei, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragsverletzung seien dabei wesentliche Aspekte. Im Einzelnen komme es auf das Maß des Vertrauensverlustes und die wirtschaftlichen Folgen an, ebenso wie auf die Schwere der Schuld des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr und auch den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses.
 
Das LAG sah in diesem Fall keinen wichtigen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Es schloss sich der Auffassung des Arbeitgebers nicht an. Der Kläger habe nämlich nicht gegen die abgeschlossene Vereinbarung verstoßen. Das gelte sowohl für die Zeitgutschriften als auch die Reiskostenabrechnungen.
 

Die Parteien hatten nämlich nur lückenhafte Vereinbarungen abgeschlossen

Die Parteien hätten nämlich nur lückenhafte Vereinbarungen abgeschlossen. Dass es dabei zu Fehlern gekommen sein könnte, sei nachvollziehbar. Der Kläger habe diesbezüglich jedoch nicht vorsätzlich gehandelt. Ihm könne nicht einmal Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.
 
Der Kläger habe bisher in über 30 Jahren seines Arbeitsverhältnisses keinen Anlass dazu gegeben, ähnliches Fehlverhalten anzunehmen. Er habe hier offensichtlich die Prioritäten falsch gesetzt und letztlich rückschauend betrachtet den Überblick über seine einzelnen Arbeitstage und Einsätze verloren.
 

Dazu hat auch seine hohe Arbeitsbelastung beigetragen

Dazu habe auch seine hohe Arbeitsbelastung beigetragen. Vorsatz sei jedoch keinesfalls anzunehmen. Es sei auch nicht ansatzweise erkennbar, dass der Kläger auf einen entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers hin sein Verhalten nicht geändert hätte. Es sei damit allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt gewesen.
 
Die Länge der Fahrtstrecken, die der Kläger abgerechnet hatte, stelle ebenfalls keinen wichtigen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der Kläger habe sich nämlich darüber geirrt, welchen Ausgangspunkt er für seine Berechnungen der Fahrtstrecken annehmen sollte. Aber auch hier hätte es aus Sicht des Gerichts eines einfachen Hinweises bedurft und der Kläger hätte sein Abrechnungsverhalten geändert.
 

Abschließend verweist das LAG darauf, das auch eine Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers ausgeht

Abschließend verweist das LAG darauf, dass auch eine Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausgehe. Dabei sei die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers wesentlich. Es sei in über 30 Jahren zu keinerlei Beanstandungen gekommen. Betrachte man da die verbliebenen Vorwürfe, so rechtfertigten diese keine fristlose Kündigung.
 
Das Gericht erklärte die Kündigung daher für rechtsunwirksam. Es verurteilte den Arbeitgeber außerdem dazu, den Kläger weiter zu beschäftigen. Insgesamt bleibt aber der Eindruck zurück, dass hier wegen der langjährigen Personalratstätigkeit vielleicht doch von Seiten des Arbeitgebers zurück getreten werden sollte.
 

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