Das ist hart: Dura-Mitarbeiter verlieren Jobs, obwohl ein Tochterunternehmen ein neues Werk aufmacht. Copyright by Michael Mey
Das ist hart: Dura-Mitarbeiter verlieren Jobs, obwohl ein Tochterunternehmen ein neues Werk aufmacht. Copyright by Michael Mey

Fast ein Jahr ist es her, dass der Automobilzulieferer Dura circa 900 Beschäftigten die Kündigungen geschickt hat. Drei Werke in Plettenberg und Kirchhundem-Selbecke wurden zum Ende April geschlossen. Sozialpläne und Abfindungen gab es nicht. Deshalb haben fast alle Betroffenen geklagt, die meisten als Mitglied der IG Metall mit Unterstützung der DGB Rechtsschutz GmbH.
 

Dura gewinnt in erster Instanz

In erster Instanz hatten die Arbeitsgerichte Iserlohn und Siegen die Kündigungen für wirksam erachtet und die Klagen abgewiesen.
Hierüber haben wir berichtet:

Dura holt zum letzten Schlag aus
Nahezu alle Betroffenen legten gegen diese Urteile Berufung ein. Sie haben in umfangreichen und sehr aufwändigen Verfahren weiterhin den Standpunkt vertreten, dass die Kündigungen trotz offensichtlichen Wegfalls der Arbeitsplätze unwirksam sind.
 
Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates seien, so die Hauptargumentation des DGB Rechtsschutzes, nicht in allen Punkten korrekt beachtet worden.
 

Erste Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm

Nun hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm die ersten Berufungsurteile gesprochen. Die Richter haben die Berufungen zurückgewiesen und die Wirksamkeit der Kündigungen bestätigt.
 
Schwerpunkt der umfangreichen rechtlichen Erörterungen war die vom gewerkschaftlichen Rechtsschutz aufgeworfene Frage, ob Dura das bei Massenentlassungen vorgeschriebene Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat ordnungsgemäß durchgeführt hat.
 
Die Vertreter der Gekündigten hatten bemängelt, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht vollständig unterrichtet hatte.
 

Hat Dura den Betriebsrat vollständig unterrichtet?

So hatte der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht mitgeteilt, dass eine andere Dura-Gesellschaft zum 1. Mai, also sofort nach erfolgter Werksschließung, in unmittelbarer Nähe eine neue Firma eröffnet hat. Dort werden Arbeitnehmer beschäftigt, die von den Kündigungen betroffen waren.
 
Das LAG Hamm schloss sich den Argumenten des Hagener DGB Rechtsschutzes nicht an und verwarf die Berufungen.
 
Da das Gericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen hat, haben die Beschäftigten nur noch die Möglichkeit einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde. Und es bleibt abzuwarten, ob die anderen Kammern des LAG Hamm die Entscheidung der 18. Kammer bestätigen.
 
Pressemitteilung des LAG Hamm

Rechtliche Grundlagen

§ 17 Anzeigepflicht

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3. in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1. die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2. die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3. die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4. den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6. die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.

Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1. in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2. in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3. Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.