Auf Dienstaufsichtsbeschwerde folgt fristlose Kündigung. Copyright by Adobe Stock/andyller
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Der Kläger war seit 2016 als Straßenbahnfahrer beschäftigt. Während seiner Tätigkeit erlitt er im Juni 2017 einen Unfall, bei dem er sich erhebliche Verletzungen zuzog. Seitdem ist er arbeitsunfähig erkrankt. Eine weiterer Einsatz als Straßenbahnfahrer kommt aus ärztlicher Sicht nicht mehr in Betracht. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Kläger macht vergeblich Überstundenvergütung geltend

Im Dezember 2018 machte der Kläger die Bezahlung von 13,5 Mehrstunden in Höhe von 200 Euro aus dem Jahr 2017 gegenüber der Beklagten geltend. Anfang März 2019 wurde ihm eine Auszahlung` zugesagt. Da keine erfolgte, rief der Kläger am 18. März 2019 eine Mitarbeiterin der Personalabteilung wegen der noch ausstehenden Überstundenvergütung an. Er verlangte die Entscheidung und die Auszahlung noch am selben Tag, zumindest jedoch einen Teil der Vergütung. Die Mitarbeiterin teilte mit, dass sie dies mit einem anderen Mitarbeiter abklären müsse. Der Kläger ließ sich darauf nicht ein. Er fragte die Mitarbeiterin, was denn passieren würde, wenn der andere Mitarbeiter sterbe? In einem solchen Fall, müsse ja jemand anders die Entscheidung treffen. Wenn er im Laufe des Tages keine Rückmeldung erhalte, dann würde er noch am gleichen Tag Dienstaufsichtsbeschwerde erheben.

Kläger erhebt Dienstaufsichtsbeschwerde

Da seitens der Personalabteilung der Beklagten keine Rückmeldung erfolgte, reichte der Kläger noch am Abend desselben Tages bei dem Vorstand der Beklagten Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiterin der Personalabteilung und den stellvertretenden Leiter der Personalabteilung ein.

In seiner Dienstaufsichtsbeschwerde stellte der Kläger den Sachverhalt der nicht bezahlten Mehrarbeit aus seiner Sicht dar. Er vertrat die Auffassung, dass die Mitarbeiter verpflichtet seien, ihm seine Bezüge auszuzahlen, diese aber veruntreuten und sich somit strafbar machten.

Beklagte zahlt und kündigt fristlos

Die von dem Kläger begehrte der Überstundenvergütung bezahlte die Beklagte Im April 2019.
Nach Beteiligung des Inklusionsamts, des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 15. April 2019 fristlos und mit Schreiben vom 21. Mai 2019 ordentlich zum 30. September 2019.

Kläger erhebt Kündigungsschutzklage - Beklagte geht in Berufung

Gegen die ihm ausgesprochenen Kündigungen erhob der Kläger Klage beim Arbeitsgericht Düsseldorf und obsiegte. Die Beklagte legte beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung ein.

LAG: Gerechtfertigte Beschwerde über Vorgesetzte

In der mündlichen Verhandlung vor dem LAG teilten die Richter*innen der erkennenden Kammer den Parteien mit, dass die Berufung der Arbeitgeberin keine Erfolgsaussichten habe. Es habe, so das Berufungsgericht, für den Kläger ein berechtigter Anlass bestanden, sich über seine Vorgesetzten zu beschweren, nachdem der ihm unstreitig zustehende Betrag für die Mehrarbeit von 200 Euro über längere Zeit nicht ausgezahlt wurde. Auch habe der Kläger grundsätzlich das Mittel der internen Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorstand wählen dürfen. Er sei nicht angehalten gewesen, den gerichtlichen Klageweg zu beschreiten. Zwar dürfe ein Arbeitnehmer Vorgesetzte nicht wider besseres Wissen einer Straftat bezichtigen. Aus der Dienstaufsichtsbeschwerde, in der der Kläger die Nichtzahlung der Mehrarbeitsvergütung darstellte, sei jedoch eindeutig erkennbar gewesen, dass es dem Kläger nur wertend um den Ausdruck seiner Unzufriedenheit mit der verzögerten Zahlung gegangen sei. Nur diese habe er - auch für den Adressaten der Beschwerde erkennbar rechtlich unzutreffend - wertend als Untreue bezeichnet. Im Lichte der berechtigten Beschwerde sowie des Gesamtzusammenhangs stelle diese, wenn auch deutliche, Kritik und Beschwerde keinen Kündigungsgrund dar. Durch den Hinweis auf den Tod des anderen Mitarbeiters habe der Kläger lediglich und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine zeitnahe Entscheidung auch ohne diesen möglich sein müsse.

Vernünftiger Vergleichsvorschlag des Berufungsgerichts

Da die Richter*innen des Düsseldorfer LAG die Parteien darauf hinwiesen, dass der Berufung der Beklagten kein Erfolg beschieden sein und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nach Lage der Dinge fortbestehen wird, haben die Parteien das Arbeitsverhältnis durch gerichtlichen Vergleich zum 30.9.2019 beendet.

Die Beklagte verpflichtete sich, an den Kläger eine Abfindung von 30.000 Euro zu zahlen und die noch offenen 50 Urlaubstage abzugelten. Einig waren sich die Parteien, dass aufgrund der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit sonstige laufende Entgeltansprüche aufgrund der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr bestehen.

Hier finden Sie die Pressemitteilung Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 4.2.2020