Der geplante Winterurlaub fiel aus. Statt dessen stritt man um einen Krankenschein. © Adobe Stock: Alena Ozerova
Der geplante Winterurlaub fiel aus. Statt dessen stritt man um einen Krankenschein. © Adobe Stock: Alena Ozerova

Noch einmal Glück gehabt, mag der Kläger des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Freiburg gedacht haben. Nicht zur Nachahmung empfohlen, wird eine außenstehende Person eher meinen.

 

Der von Joachim Duffner aus dem Rechtsschutzbüro Freiburg vertretene Kläger war wegen einer Covid-19-Infektion längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Anfang Februar 2022 nahm er seine Arbeit wieder auf, beantragte jedoch für die am 7. Februar 2022 beginnenden Winterferien gleich schon wieder Urlaub für zwei Wochen.

 

Ansprechpartner war der stellvertretende Teamleiter

 

Der Vorgesetzte, der über seinen Urlaub entscheidet, war zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend. Der Kläger wandte sich daher an seinen stellvertretenden Teamleiter. Der Verlauf des Gesprächs zwischen den beiden blieb im Verfahren streitig.

 

Fest stand allerdings, dass der Mann keinerlei Krankheitssymptome oder Anzeichen einer bevorstehenden Erkrankung aufwies. Zum Ende der Nachtschicht erhielt der Mann sodann die Mitteilung des Vorgesetzten, dass der Urlaub in der seinerzeitigen Personalsituation, in welcher viele Arbeitnehmer*innen krank oder im Urlaub waren, nicht genehmigt werden könne. Der Kläger zeigte Verständnis und verabschiedete sich mit den Worten "also dann bis Montag".

 

Ab Beginn der Winterferien erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Er meldete sich krank. Sein Arzt hatte ihn gleich für einen Monat lang krank geschrieben. Das nahm der Arbeitgeber ihm übel, hörte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen Kündigung an und sprach diese dann trotz des Widerspruchs des Betriebsrats aus.

 

Die Aussagen im Prozess blieben widersprüchlich

                                                                                                         

Im anschließenden Kündigungsschutzprozess äußerte sich der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten dahingehend, der stellvertretende Teamleiter habe ihm im Rahmen des Gesprächs vor dem Urlaubsantrag den "Tipp" gegeben, "wenn du Urlaub willst, mache es so wie ich es gemacht habe. Als ich von der Wochenendschicht weg musste, um wieder in drei Schichten zu arbeiten, habe ich einen gelben Zettel gemacht." Das habe der Kläger abgelehnt.

           

Der Arbeitgeber schilderte die Situation völlig anders. Der stellvertretende Teamleiter habe dem Mann mitgeteilt, dass sein Urlaubsantrag wohl nicht durchgehen werde. Darauf habe der Kläger erwidert: "Ja, dann muss ich eben eine andere Lösung finden". Auf die Reaktion des Teamleiters, er müsse wissen, was die Lösung sei, habe der Kläger erwidert, dann sei er halt krank. Der Teamleiter habe ihm abschließend ausdrücklich erklärt, er müsse wissen, ob er es sich mit seiner Arbeitsstelle verscherzen wolle.

 

Der Arbeitgeber warf dem Kläger unentschuldigtes Fehlen vor

 

Der Arbeitgeber meinte, mit der Ankündigung des Klägers, er sei dann halt krank, habe er schwerwiegend gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und zum Ausdruck gebracht, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen eigenen unberechtigten finanziellen Vorteil zu verschaffen. Der Kläger habe ab dem Zeitpunkt der Krankmeldung unentschuldigt gefehlt.

 

Obwohl der ein oder andere Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen Aussagen der Beteiligten blieb, gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage statt. Es verwies auf § 626 Abs. 1 BGB, wonach ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne.

 

Es müsse ein Sachverhalt vorliegen, der ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet sei. Alsdann bedürfe es einer weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar sei.

 

Es fehlt am Kündigungsgrund „an sich“

 

Diese Überlegungen gingen zulasten der Beklagten aus. Selbst wenn der vom Arbeitgeber behauptete Sachverhalt hinsichtlich des Gesprächs zwischen dem Kläger und dessen Teamleiter als zutreffend unterstellt werde, liege nämlich kein wichtiger Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung "an sich" vor.

 

Dem Kläger werde nicht vorgeworfen, er habe sich einen Vorteil durch eine unzulässige Drohung verschaffen wollen. Sofern der Kläger geäußert habe, er mache krank, falls der Urlaub nicht genehmigt werde, handele es sich um eine Äußerung gegenüber einem Kollegen, der selbst weder über den Urlaubsantrag entscheide noch Einfluss auf diese Entscheidung habe.

 

Der Vorwurf der Beklagten beschränke sich darauf, der Kläger habe eine Krankschreibung angekündigt, die zu diesem Zeitpunkt objektiv nicht bestanden habe. In einer solchen Ankündigung könne zwar ein Verstoß gegen die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, insbesondere die Pflicht zur Leistungstreue, des Klägers liegen. Sie könne das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit und Loyalität des Arbeitnehmers in schwerwiegender Weise beeinträchtigen.

 

Der feste Entschluss fehlte

 

Ein derartiger Inhalt komme den streitigen Äußerungen des Klägers jedoch nicht zu.

 

Selbst, wenn der Kläger mit dem Gedanken gespielt haben sollte, eine Arbeitsunfähigkeit vorzutäuschen, könne keineswegs von einem entsprechenden festen Entschluss ausgegangen werden. Das ergebe sich daraus, dass er die Äußerung spontan gemacht habe. Die kritische Äußerung habe auch aus einem einzigen Satz bestanden. Das Verhältnis zum stellvertretenden Teamleiter sei eher kollegialer Art gewesen und nicht in Form eines hierarchischen Verhältnisses wie gegenüber einem Vorgesetzten.

 

Selbst wenn der Kläger sich wie von der Beklagten behauptet geäußert habe, begründe die Äußerung für sich genommen keinen wichtigen Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Dass der Mann möglicherweise eine Pflichtwidrigkeit erwogen habe, sei nicht damit gleichzusetzen, die Pflichtverletzung tatsächlich begangen zu haben.

 

Der stellvertretende Teamleiter habe auch offensichtlich das Verhalten des Klägers allein nicht für so problematisch gehalten, dass er dem Vorgesetzten darüber unverzüglich berichtet hätte.

 

Allenfalls der Beweiswert der AU-Bescheinigung war zweifelhaft

 

In Fällen, in denen der*die Arbeitnehmer*in den Arbeitgeber durch die Ankündigung einer Erkrankung unzulässig unter Druck setzt, käme es nicht darauf an, ob später tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit auftrete. Hier möge die behauptete Äußerung allenfalls ein Grund sein, den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern oder das nachfolgende Verhalten des Arbeitnehmers kritisch zu beobachten. Die Äußerung des Klägers sei jedoch für sich genommen kein wichtiger Grund für den sofortigen Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung.

 

Soweit der Arbeitgeber hilfsweise eine ordentliche Kündigung ausgesprochen habe, sei ihm entgegenzuhalten, dass dafür die Voraussetzung einer einschlägigen Abmahnung fehle.

 

Die Kündigung sei somit insgesamt nicht wirksam geworden.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg.