In der Probezeit gilt grundsätzlich die gesetzliche Kündigungsfrist. Copyright by Adobe Stock/fotoak80
In der Probezeit gilt grundsätzlich die gesetzliche Kündigungsfrist. Copyright by Adobe Stock/fotoak80

Am 1. August 2019 nahm die Klägerin ihre Arbeit als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte auf. Vereinbarungsgemäß arbeitete sie m 5. und 6. August 2019 nicht, da ihr Sohn in der Kindertagesstätte eingewöhnt wurde.
 

Arbeitgeber im „Kündigungsrausch“

Mit Schreiben vom 5. August 2019, das der Klägerin vorab per Mail am selben Tag und im Original am 6.August 2019 zugegangen ist, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 12. August 2019 in der Probezeit. Für die Dauer der Probezeit hatten die Parteien arbeitsvertraglich eine einwöchige Kündigungsfrist vereinbart.
 
Am 7. und 8. August 2019 erschien die Klägerin nicht zur Arbeit. Am 8. August 2019 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigung vom 8. August 2019 ging der Klägerin am 9. August 2019 zu. Ebenfalls am 9. August 2019 ging beim Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 8. und 9. August 2019 ein.
 

Arbeitgeber hält Abmahnung für entbehrlich

Gegen beide Kündigungen erhob die Klägerin am 23. August 2019 Klage. Sie verlangte die Einhaltung der gesetzlichen zweiwöchigen Kündigungsfrist hinsichtlich der ersten Kündigung. Der Beklagte indes hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Er begründete dies damit, dass die Klägerin gerade einmal zwei Tage gearbeitet und dann unentschuldigt gefehlt habe. Es handele sich, so der Beklagte, um ein "gescheitertes Arbeitsverhältnis". Offensichtlich sei in einem solchen Fall eine Abmahnung entbehrlich. Im Übrigen sei die Abkürzung der von der gesetzlichen Kündigungsfrist abweichenden arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist von einer Woche in der Probezeit wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz meinte der Beklagte darin zu erkennen, wenn eine Abkürzung von Kündigungsfristen nur von Tarifvertragsparteien, nicht aber von den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbart werden könne.
 

Landesarbeitsgericht bestätigt Arbeitsgericht

Bereits das Arbeitsgericht Elmshorn kam zu dem Ergebnis, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei. Da der Beklagte mit dieser Entscheidung nicht einig ging, legte er Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein ein.
 
Auch bei einem nur wenige Tage bestehenden Arbeitsverhältnis, so die Richter*innen des Berufungsgerichts, sei eine vorherige Abmahnung notwendig. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin trotz Kündigungsandrohung der Arbeit weiter unentschuldigt ferngeblieben wäre. Auch sei ihre Pflichtverletzung nicht derartig schwerwiegend gewesen, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Bereits durch die Probezeitkündigung mit Wochenfrist gegenüber der Klägerin habe der Beklagte zum Ausdruck gebracht, an ihrer weiterer Mitarbeit kein Interesse zu haben.
 

Verkürzte Kündigungsfrist in der Probezeit greift nicht

Entgegen der Auffassung des Beklagten, habe er die zweiwöchige gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit einhalten müssen, da die kürzere Frist im Arbeitsvertrag unwirksam sei. Nicht gleichheitswidrig sei es, wenn lediglich den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit der Vereinbarung kürzerer Kündigungsfristen zustehe. Deren Verhandlungsparität führe zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Eine vergleichbare Parität zwischen den Parteien des Individualarbeitsvertrags bestehe nicht.
 
Hier finden Sie die das vollständige Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 3.6.2020

Rechtliche Grundlagen

§ 622 BGB - Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 622 Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen
(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
1.
zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.
fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.
acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.
zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.
zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.
15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.
20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
(3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

(4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist.
(5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden,
1.
wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird;
2.
wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt.

(6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.