Viel Geld als Abfindung für den Verlust eines Arbeitsverhältnisses nach elf Jahren. © Adobe Stock - Von mediatdesign
Viel Geld als Abfindung für den Verlust eines Arbeitsverhältnisses nach elf Jahren. © Adobe Stock - Von mediatdesign

Im Mai 1919 erklärte der langjährige Bürgermeister von Iserlohn seinen Rücktritt. Damit übernahm er die politische Verantwortung für einen Skandal, der die größte Stadt im Märkischen Kreis erschüttert hatte: die so genannte „Abfindungs-Affäre“ im Iserlohner Rathaus. Ein Verwaltungsangestellter war seit Januar 2008 Mitarbeiter der Stadt Iserlohn gewesen. Zuletzt war er im Ordnungs- und Servicedienst eingesetzt. Sein monatliches Tarifentgelt betrug zuletzt rund 3.700,00 € brutto.

Im Januar 2019 ist es dann zu Differenzen mit Vorgesetzten unter anderem wegen der Einführung eines neuen Schichtdienstmodells gekommen. Daraufhin bot die Stadt dem Verwaltungsangestellten an, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Man schloss dann einen Aufhebungsvertrag. Die Stadt stellte den Verwaltungsangestellten sieben Monate frei und zahlte in dieser Zeit die Vergütung weiter.

Die „Abfindungsaffäre“ hatte in Iserlohn hohe Wellen geschlagen

Zusätzlich bekam er eine Abfindung in Höhe von 250.000,00 €. Außerdem vereinbarten die Parteien eine sogenannte „Turbo-Klausel“: der Angestellte konnte das Arbeitsverhältnis einseitig früher beenden. In diesem Fall sollte er die so ersparte Vergütung noch einmal als Abfindung oben herauf bekommen! Der Personalrat der Stadt wurde im Übrigen über diesen Deal vorab nicht einmal informiert. Der Angestellte war kurz nach dem Geschehen wieder bei einer anderen Stadt in Nordrhein-Westfalen beschäftigt.


Keine Frage hat die „Abfindungs-Affäre“ in Iserlohn hohe Wellen geschlagen, auch in den sozialen Netzwerken. Die Staatsanwaltschaft Hagen hatte Anklage gegen den Bürgermeister sowie ehemaligen Personaldezernenten der Stadt erhoben. Das Ganze roch ein wenig streng nach gemeinschaftlicher Untreue in einem besonders schweren Fall. Zudem ordnete das Amtsgericht gegen den ehemaligen Angestellten einen Vermögensarrest in Höhe der gezahlten Abfindung an.

Der Aufhebungsvertrag soll nach Rechtsauffassung der Stadt Iserlohn unwirksam sein

Parallel zum Strafverfahren forderte die Stadt Iserlohn von ihrem ehemaligen Verwaltungsangestellten die Abfindung zurück und verklagte ihn vor dem Arbeitsgericht. Das gab der Klage auch statt.


Der Aufhebungsvertrag sei gemäß § 74 Abs. 3 Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) NRW unwirksam. Die Stadt habe den Personalrat nicht ausreichend über die Inhalte des Aufhebungsvertrages informiert und insbesondere keine Angaben zur Höhe der Abfindung gemacht. Dies führe dazu, dass der Aufhebungsvertrag unwirksam sei und lasse den Rechtsgrund für die darauf geleisteten Zahlungen entfallen. Die Stadt habe demgemäß einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Die Stadt kann sich nicht auf die Unwirksamkeit eines Vertrages berufen, die sie selbst zu verantworten hat.

Hiergegen hatte der Verwaltungsangestellte allerdings Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) eingelegt und damit Erfolg gehabt. Die Stadt habe es versäumt, den Personalrat zu beteiligen. Deshalb könne sie sich nicht darauf berufen, dass der Aufhebungsvertrag unwirksam sei.


Es sei auch nicht erkennbar, dass der Arbeitnehmer mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages gegen Strafgesetze oder die guten Sitten verstoßen habe. Das könne man nicht aus dem Umstand folgern, dass die Abfindung im Vergleich zu den Gepflogenheiten öffentlicher Arbeitgeber ungewöhnlich hoch gewesen sei. Vielmehr habe der Angestellte das ihm vorteilhaft erscheinende Angebot annehmen dürfen.


Die Revision zum Bundesarbeitsgericht hat das LAG nicht zugelassen.


Hier geht es zur Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Hamm:

Rechtliche Grundlagen

§ 74 Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG)

Rechtsgrundlagen:
§ 74
Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG)

(1) Der Personalrat bestimmt mit bei ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitgeber. § 72 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(2) Der Personalrat ist vor Abmahnungen, bei Kündigungen in der Probezeit, bei außerordentlichen Kündigungen, bei Aufhebungs- oder Beendigungsverträgen und bei Mitteilungen an Auszubildende darüber, dass deren Einstellung nach beendeter Ausbildung nicht beabsichtigt ist, anzuhören. Hierbei sind die Gründe, auf die sich die beabsichtigte Abmahnung oder Kündigung stützen soll, vollständig anzugeben.
(3) Eine ohne Beteiligung des Personalrates ausgesprochene Kündigung oder ein ohne Beteiligung des Personalrates geschlossener Aufhebungs- oder Beendigungsvertrag ist unwirksam.
(4) Der Personalrat kann vor einer Stellungnahme die betroffene Arbeitnehmerin oder den betroffenen Arbeitnehmer anhören. Erhebt der Personalrat Einwendungen gegen die beabsichtigte Maßnahme oder Vereinbarung, hat er der betroffenen Arbeitnehmerin oder dem betroffenen Arbeitnehmer eine Abschrift seiner Stellungnahme zuzuleiten.
(5) Stimmt der Personalrat einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung nicht zu, gilt § 66 Absatz 2 und 3 sinngemäß. Das weitere Verfahren regelt sich nach § 66 Absatz 5 und Absatz 7 Satz 1 und 2.

(6) Hat der Personalrat gegen eine beabsichtigte Kündigung in der Probezeit oder gegen eine außerordentliche Kündigung Einwendungen, gibt er diese binnen drei Arbeitstagen der Dienststelle schriftlich zur Kenntnis. Absatz 4 gilt entsprechend.
(7) Will der Personalrat gegen einen Aufhebungs- oder Beendigungsvertrag Einwände erheben, gibt er diese binnen einer Woche schriftlich der Dienststelle zur Kenntnis. Absatz 4 gilt entsprechend.
(8) Bei Initiativanträgen des Personalrats gilt § 66 Absatz 4 und 6 entsprechend.