Ganz einfach lässt sich die gewünschte Person nicht aus der Sozialauswahl herausnehmen. © Adobe Stock: Kiattisak
Ganz einfach lässt sich die gewünschte Person nicht aus der Sozialauswahl herausnehmen. © Adobe Stock: Kiattisak

Ebenso wie sein Sohn war der Kläger bei der Beklagten laut Arbeitsvertrag als Produktionshelfer beschäftigt. Die Beklagte behauptete demgegenüber, der Kläger sei als Nachtwache für ihr Werksgelände eingesetzt gewesen. Auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung habe man den Werkschutz einem externen Unternehmen übertragen. Der Arbeitsplatz des Klägers sei dadurch entfallen. Außerdem gebe es in der Produktion keine Nachtschicht mehr.

 

Der Kläger erhielt die Kündigung

 

Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht, behauptete die Beklagte. Der Kläger habe früher bereits angebotene Anlerntätigkeiten abgelehnt. Vergleichbare Arbeitnehmer*innen, die in eine Sozialauswahl mit einzubeziehen wären, gebe es nicht. Das gelte insbesondere auch für den Sohn des Klägers.

 

Dieser habe sich im Gegensatz zum Kläger während seiner Tätigkeit im Nachtdienst weitergebildet, sich für die Arbeit an den Maschinen interessiert, sich nach und nach entsprechend anlernen lassen und sei im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers bereits in der Lage gewesen, komplexe Vorgänge in der Steuerung der Maschinen selbständig zu erarbeiten und in der Programmierung umzusetzen.

 

Dessen Qualifikation habe bei Ausspruch der Kündigung des Klägers der eines Auszubildenden im zweiten Lehrjahr entsprochen. Zudem sei für die Tätigkeit an den hochspezialisierten Maschinen grundsätzlich eine langjährige Erfahrung notwendig, die der Sohn des Klägers bereits seit Beginn seiner Beschäftigung habe sammeln können.

 

Der Kläger war geringer qualifiziert

 

Der Kläger sei hingegen im Werkschutz eingesetzt worden und habe keinerlei sonstige Kenntnisse oder Fähigkeiten im Hinblick auf die Bedienung von Maschinen. Er sei daher für die Beklagte wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll einsetzbar und nicht in der Lage, die Komplexität und Vielfältigkeit der von seinem Sohn wahrgenommenen Aufgaben während seiner Kündigungsfrist noch zu erlernen. Der Betrieb sei zwischenzeitlich hochspezialisiert. Es werde ausschließlich geschultes Personal, aber keine Produktionshelfer mehr beschäftigt.

 

Der Kläger verwies auf seine Kenntnisse an CNC-Maschinen, an welchen er insbesondere für Arbeiten in der Nachtschicht eingearbeitet worden sei. Seine Aufgaben hätten darin bestanden, die Werkzeuge während des Programmablaufs zu prüfen und evtl. zu erneuern, das fertige Teil bei Programmende in Augenschein zu nehmen, verschiedene Maße zu prüfen und das fertige Teil abzuspannen bzw. bei Bedarf ein neues Rohteil aufzuspannen sowie das Programm neu zu starten. Er habe explizite Handlungsanweisungen für den Fall erhalten, dass es Probleme an den Maschinen gebe, und auch an internen Schulungen teilgenommen.

 

Die Sozialauswahl sei fehlerhaft, da sein Sohn nunmehr seine Stelle besetze. Dieser sei seit Januar 2018 ebenfalls als Produktionshelfer im Nachtdienst beschäftigt und von ihm persönlich zwei Wochen lang eingearbeitet worden. Von 2018 bis zum Zeitpunkt seiner Kündigung habe er mit seinem Sohn jeweils im 3-Tage-Wechsel exakt dieselben Tätigkeiten ausgeübt. Er sei 26 Jahre älter als sein Sohn und verfüge über eine zwei Jahre längere Betriebszugehörigkeit, weshalb er sozial schutzwürdiger sei.

 

Es fehlt bereits an den betrieblichen Erfordernissen

 

Die Beklagte habe es versäumt, betriebliche Erfordernisse, die sie zur Kündigung berechtigten, ausreichend darzulegen, so das Arbeitsgericht. Der Kläger sei ausweislich seines Arbeitsvertrages nicht als Nachtwache eingestellt gewesen, sondern als Produktionshelfer.

 

Die Beklagte sei den Ausführungen des Klägers, wonach er in der Nachtschicht Werkzeuge prüfe, nicht entgegengetreten. Diese Tätigkeiten fielen jedoch zweifelsfrei weiter an, wenn auch nicht mehr in der Nachtschicht.

 

Dies spiele aber keine entscheidende Rolle, da der Kläger ausweislich des Arbeitsvertrages nicht nur für Nachtschichtarbeit eingestellt worden sei, sondern der Vertrag allgemein eine Bereitschaft zur Schichtarbeit festhalte und damit eben auch für andere Schichten als die Nachtschicht.

 

Auch die Sozialauswahl führte der Arbeitgeber fehlerhaft durch

 

Der Kläger verweise zurecht darauf, dass er mit seinem Sohn vergleichbar und sozial schutzwürdiger als dieser sei, so das Arbeitsgericht.

 

Warum der Sohn des Klägers mit dem Kläger nicht vergleichbar sein solle, lasse die Beklagte im Dunkeln. Weder äußere sie sich zum konkreten arbeitsvertraglichen Profil des Sohns noch erläutere sie, aus welchem Grunde sie den Sohn im Kündigungszeitpunkt für deutlich qualifizierter hielt als den Kläger.

 

Eine eventuell höhere Qualifikation des Sohnes wäre nicht von Belang. Bei der Sozialauswahl und der Frage der Vergleichbarkeit gehe es um die arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten. Schließlich handele es sich um eine Sozialauswahl und nicht um eine Qualifikationsauswahl, nach der der weniger Qualifizierte automatisch die Kündigung hinnehmen müsse.

 

§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nimmt Leistungsträger aus der Sozialauswahl aus

 

Eine solche Qualifikation könnte die Beklagte allenfalls dazu berechtigen, einen besonderen Leistungsträger aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Die Beklagte habe dazu nur wohlklingende Formulierungen in das Verfahren eingebracht, die jedwede überprüfbaren Tatsachen vermissen ließen. Diese Einlassungen müsse das Gericht nicht berücksichtigen.

 

Im Übrigen würde es nicht genügen, dass der nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl herauszunehmende Arbeitnehmer lediglich wie die anderen Arbeitnehmer über bestimmte Kenntnisse verfüge, die nur bei einem der anderen Arbeitnehmer - hier dem Kläger - nicht gegeben seien.

 

Die Leistungsträgerklausel diene nicht dazu, den*die am wenigsten Qualifizierten automatisch zur Kündigung freizugeben, sondern umgekehrt dazu, jemanden mit besonderen, für den Betrieb wichtigen Kenntnissen oder Fähigkeiten, über die naturgemäß eben nicht auch fast alle anderen Arbeitnehmer verfügen dürften, aus der Sozialauswahl herauszunehmen.

 

Der Sohn war wie andere qualifiziert

 

Vorliegend trage die Beklagte vor, der Sohn des Klägers sei wie die anderen Facharbeiter in der Lage, gewisse Vorgänge an den Maschinen auszuüben. Dies mache den Sohn nicht zum besonderen Leistungsträger, sondern gestehe ihm lediglich Kenntnisse zu, die bis auf den Kläger alle anderen ihrer Arbeitnehmer besitzen sollten.

 

Was die Beklagte genau meine, wenn sie vortrage, ihr Betrieb sei inzwischen hoch spezialisiert, sie beschäftige ausschließlich geschultes Fachpersonal und aufgrund der speziellen und hochkomplexen Fertigungsaufträge könne die Prüfung der Maschinen nur noch von spezialisiertem Fachpersonal vorgenommen werden, bleibe unklar; denn auch diese gefälligen Formulierungen beinhalteten keinerlei konkreten Sachvortrag, mit dem sich der Kläger oder das Gericht auseinandersetzen könnten.

 

Da der Kläger hinsichtlich seiner Sozialdaten wesentlich schutzwürdiger sei als sein Sohn, hätte die Beklagte diesem vorrangig kündigen müssen. In wie weit der Familienfrieden dadurch schief hängt, ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung. Einstweilen hatten aber beide erst mal ihren Job.

 

Das Verfahren ging in die Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. Dort schlossen die Beteiligten einen Vergleich.

 

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 1 Abs. 3 KSchG

3. (…) In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.