Klaus Westermann, Geschäftsführer der DGB Rechtsschutz GmbH
Klaus Westermann, Geschäftsführer der DGB Rechtsschutz GmbH

In der Rechtsprechung gilt spätestens seit dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen „Bienenstichfall“ vereinfacht der Grundsatz: Wer klaut, der fliegt! Auf den Wert des Gegenstands kommt es dabei nicht an, die Entwendung eines viele tausend Euro teuren technischen Geräts wird so betrachtet wie der Diebstahl einer Frikadelle. Arbeitnehmer sind deshalb gut beraten, sich vor jeder privaten Nutzung von Betriebsmitteln oder dem Arbeitgeber gehörender Dinge wie Lebensmittel zu versichern, ob dieses gestattet ist. Maßgeblich für den Kündigungsgrund ist der eingetretene Vertrauensverlust.

Vertrauen innerhalb eines gleichberechtigten Vertragsverhältnisses ist aber eine Fiktion. Der Arbeitgeber hat es leicht, wegen verlorenen Vertrauens zu kündigen. Aber kann der Arbeitnehmer wirtschaftlich sein Arbeitsverhältnis aufgrund vertrauenswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers, etwa bei Verhinderung von Betriebsräten, Bespitzelung oder tarifwidrigen Löhnen kündigen? Auffällig ist auch, dass Kündigungen aufgrund von Bagatellverfehlungen eher in Betrieben, in denen Gewerkschaften schwach sind, in denen es kaum Betriebsräte gibt, ausgesprochen werden. Bekannt sind die Beispiele etwa aus dem Einzelhandel, wo verhaltensbedingte Kündigungen ausgesprochen wurden, um die Bildung von Betriebsräten zu verhindern. Und schließlich lebt eine Bespitzelungsbranche nicht schlecht davon, Verdachtskündigungen für unliebsame Arbeitnehmer zu konstruieren.

Bei Gericht kommt es auf die Würdigung des Einzelfalles und seiner Begleitumstände an. Nicht immer geschieht dies in ausreichender Weise. Nicht nur das Verhalten des Arbeitnehmers, sondern auch das des Arbeitgebers ist dabei kritisch zu prüfen. Dies schließt die betriebliche Übung und den Blick auf konstruierte Vorwürfe ein. Und auf mildere Sanktionen wie Abmahnungen und klare betriebliche Regeln. Wenn die öffentliche Debatte die Sensibilität der Arbeitsgerichte stärkt, hat sie ihren Sinn gehabt. Doch ein Letztes: Ein Arbeitgeber, der wegen einer Frikadelle kündigt, disqualifiziert sich für jede Führungsaufgabe.