In dem vom Landesarbeitsgericht (LAG) entschiedenen Fall hatte eine Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte mit ihrer  Arbeitgeberin, einer Rechtsanwaltskanzlei, eine dreimonatige Probezeit bis zum 30. November 2014 vereinbart.

Der 30. November war ein Sonntag.
In der Probezeit galt die gesetzliche Kündigungsfrist von zwei Wochen (§ 622 (3) Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).
Nach Ablauf der Probezeit konnte nur mit einer Frist von mindestens vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden (§ 622 (1) Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).
Mit Schreiben vom 30. November 2014 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am Sonntag, den 30. November 2014 zum 15. Dezember 2014.
Das Kündigungsschreiben wurde noch am gleichen Tag durch eine Kanzleimitarbeiterin in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen, die das Kündigungsschreiben spätestens am 03. Dezember 2015 dem  Briefkasten entnahm.
Im Rahmen einer Feststellungsklage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Dezember 2014 sein Ende gefunden habe.

Keine Verpflichtung des Arbeitnehmers sonntags den Hausbriefkasten zu leeren.

Das LAG Schleswig-Holstein folgte der Rechtsauffassung der Klägerin, da dieser die Kündigung erst nach Ablauf der Probezeit frühestens am Montag, den 1. Dezember 2014, zugegangen sei. Somit sei das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der längeren gesetzlichen Kündigungsfrist außerhalb der Probezeit erst zum 31. Dezember 2014 zu beenden gewesen. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass das Kündigungsschreiben bereits am Sonntag, den 30. November 2014, in den Briefkasten gelegt worden sei, ging die Kündigung der Klägerin nach Auffassung des Gerichts frühestens am folgenden Werktag zur üblichen Postleerungszeit zu. Denn, so die 2. Kammer des LAG Schleswig-Holstein: Arbeitnehmer*innen müssen ihren Briefkasten am Sonntag grundsätzlich nicht überprüfen. Dies gelte selbst dann, wenn an diesem Tag die Probezeit abläuft und bekannt ist, dass der Arbeitgeber auch sonntags arbeitet. 

Anmerkung:

Es muss schon verwundern, dass es in dem vom LAG Schleswig-Holstein entschiedenen Fall gerade Rechtsanwälte waren, die die rechtsirrige Auffassung vertraten, ihre Mitarbeiterin durch die sonntägliche Zustellung eines Kündigungsschreibens mit verkürzter Kündigungsfrist entlassen zu können. Hier hätte ein Blick in das Gesetz und die Rechtsprechung genügt, was für Rechtsanwälte nicht unüblich sein sollte, um sich den Weg durch die Instanzen zu ersparen.  

Landesarbeitsgericht: "Der Einwurf von Wochenblättern ist nicht mit dem Zugang von Briefsendungen gleichzusetzen“.

Wie den Urteilsgründen entnommen werden kann, hat die Beklagtenseite die fristwahrende Zustellung der Kündigung unter anderem damit zu begründen versucht, das ja auch sog. Wochenblätter an Wochenenden verteilt werden. Was hiermit zum Ausdruck gebracht werden sollte hat sich offenkundig auch dem LAG nicht erschlossen, weshalb es in der Urteilsbegründung auch nur lapidar anmerkte: „Der Einwurf von Wochenblättern ist nicht mit dem Zugang von Briefsendungen gleichzusetzen“.

Kenntnis von der Zustellung von Postsendungen nur während postüblicher Zustellungszeiten!

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein ist begrüßenswert und bestätigt letztendlich die als gesichert anzusehende Rechtsauffassung, wonach niemand mit der Zustellung von Postsendungen rechnen muss, wenn dies verkehrsüblich nicht mehr zu erwarten ist. 

Die der Klägerin ausgesprochene Kündigung wäre selbst dann als zu spät zugegangen anzusehen gewesen, wenn die Betreiber einer Rechtsanwaltskanzlei diese am Samstagabend, also außerhalb der postüblichen Zustellungszeiten, in den Hausbriefkasten geworfen hätten. Denn mit einer so späten Postzustellung muss nicht gerechnet werden.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.10.2015, Az: 2 Sa 149/15: